diabetes Versorgung

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Diabetesversorgung in Österreich

Die Österreichische Diabetes Gesellschaft initiiert aktuell eine Studie zur Diabetesland- schaft in Österreich. Untersucht werden so- wohl die Diabetes- und Prädiabetesdunkel- ziffer als auch der Versorgungsstandard von Menschen mit Typ-2-Diabetes.

Das langfristige Ziel ist die Schaffung einer Datenbasis für eine bedarfsorientierte und inzidenzbasierte Ressourcenplanung für die Versorgung der Menschen mit Diabetes und Prädiabetes. „Die Covid-19-Pandemie hat uns drastisch vor Augen geführt, wie wichtig und notwendig eine solide Da- tenbasis zur Behandlung einer Krankheit ist. Zu einer der am weitesten verbreiteten und folgenreichsten Erkrankungen in Österreich – dem Typ-2- Diabetes, mit geschätzten 700.000 Betroffenen – gibt es hierzulande bislang nur eine sehr lückenhafte Datenlage“, betont Univ.-Prof. Dr. Susanne Kaser, Stellvertretende Direktorin der Universitätsklinik für Innere Medizin I an der Medizinischen Universität Innsbruck und Präsidentin der Öster- reichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG).


Unklare Datenlage

Bereits die Zahl 700.000 ist nur eine Schätzung, da Österreich nicht über ein nationa- les Register verfügt, das die aktuelle Zahl angibt. Sie basiert auf kleinen Studien und Hochrechnungen, die wiederum auf internationalen Daten basieren. Seit vielen Jahren fordert die ÖDG eine flächendeckende Datenerfassung, um für Patienten eine opti- mierte Behandlung und für das Gesundheitssystem eine wesentlich effizientere Res- sourcenplanung möglich zu machen.

Mit Unterstützung der Österreichischen Ärztekammer ist es nun gelungen, eine Studie zur Erfassung der Prävalenz von nicht-diagnostiziertem Diabetes und Prädiabetes so- wie des Versorgungsstandards bei Menschen mit bekanntem Typ-2-Diabetes zu initiie- ren. „Wir wissen leider nicht, wie unsere Patienten betreut sind, welche Komorbiditäten sie aufweisen und welche Therapiebedürfnisse vorliegen, nicht einmal, wie viele es genau gibt. Als ÖDG wollen wir hier einen ersten, wenn auch kleinen Schritt setzen und bei der Datenerhebung aktiv werden“, sagt Kaser.


Drehscheibe: Hausarzt

„Bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes ist die kontinuierliche und flächendeckende Versorgung genauso wichtig wie die rechtzeitige Diagno- se. Hier kommt den niedergelassenen Ärzten, und allen voran den Hausärzten, eine besonders wichtige Rolle zu. Sie sind erste Ansprechpartner, direkt vor Ort, wo die Patienten sie brauchen. Sie kennen die Krankengeschichten und die Lebensumstände. Mit ihrer Unterstützung können wir die rechtzeitige Diagnose und die wohnortnahe Versorgung sicherstellen. Dafür braucht es aber Ressourcen, die dem Hausarzt nicht im ausreichen- den Maß zur Verfügung stehen“, ergänzt Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Regelmäßige Therapiege-

spräche mit chronisch kranken Patienten bedeuten eine ganz andere zeitliche Herausforderung als die kurzfristige Therapie eines akuten Krankheitsfalls. „Die Ärztekammer sieht gerade diesen Aspekt der aktuellen Studie als besonders entscheidend an: Eine bedarfsorientierte Ressourcenplanung muss wissen, wo, welche und wie viele Angebote für die Betreuung von Pati- enten mit Diabetes notwendig sind“, so Szekeres weiter.


Prädiabetes, die große Unbekannte

Die Zahl der Menschen mit Prädiabetes und unerkanntem Dia- betes in Österreich konnte bisher nur anhand von Zahlen der International Diabetes Federation (IDF) geschätzt werden. Univ.- Prof. Dr. Harald Sourij, Stellvertretender Abteilungsleiter der Kli- nischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der Medizinischen Universität Graz und Erster Sekretär der ÖDG,

führt aus: „Wir gehen heute davon aus, dass bis zu 20 % der Menschen mit Diabetes von der Erkrankung noch nichts wissen und dadurch unbe- handelt und unbewusst auf lebensgefährliche Folgeerkrankungen zusteuern. Diabetes wird noch immer viel zu oft erst dann als Zufallsdiagnose gestellt, wenn Patienten wegen Folgeerkrankungen im Spital aufgenommen werden.“

Rund 5 % der erwachsenen Bevölkerung haben einen Prädiabetes und tragen somit ein sehr hohes Risiko in sich, innerhalb der kommenden Jahre einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln. Prädiabetes wird viel zu selten erkannt und noch viel weniger wird gegengesteuert. Bereits ein Prädia- betes kann gesundheitliche Schäden verursachen, die als Folgeerkrankungen des manifesten Diabetes bekannt sind. Studien zeigen: Würde der Prädiabetes häufiger diagnostiziert und therapeutisch begleitet, könnten nicht nur viele Diabeteserkrankungen verhindert, sondern auch ein breites Spektrum von Diabetesfolgen vermieden oder vermindert werden. Die Prävalenz von diabetesbedingten Nervenschäden liegt bei Typ2-Diabetes bei 28 % und bei Prädiabetes mit fast 25 % nur knapp darunter. Das bedeutet, dass eine frühe Intervention unbedingt notwendig ist. „Dafür wäre die Aufnahme des HbA1c-Werts in die Vorsorgeuntersuchung ein wichtiges und einfach umzusetzendes Screening Tool. Denn wir wissen, dass bei einer guten therapeutischen Begleitung des Prädiabetes die Entstehung eines manifesten Diabetes verzögert beziehungsweise verhindert werden kann“, so Kaser.


Bestandsaufnahme der Regelversorgung

Sourij, der mit Kaser die Studie leitet, beschreibt das Studiendesign: „Ziel ist es, sowohl die Bewertung der Prävalenz von Prädiabetes und Diabetes als auch des Versorgungsstandards bei Menschen mit etabliertem Typ-2-Diabetes in der Primärversorgung in Österreich sichtbar und quantifizierbar zu machen. Insgesamt werden 2.500 Patienten in der Studie erfasst. Die Laufzeit beträgt rund sechs Monate. 90 niedergelassene Ärzte, das sind zehn aus jedem Bun- desland, werden an der Studie teilnehmen.“

Das erste Ziel besteht darin, die medizinische Regelversorgung und die Komorbiditäten von Menschen mit Typ-2-Diabetes innerhalb der Primärversorgung in Österreich zu beschreiben. Dafür erfassen die Ärzte die Daten von 1.250 Personen mit der Diagnose Diabetes mellitus Typ 2, um den Standard der Versorgung und die Komorbiditäten zu erfassen. Das zweite Ziel der Studie ist die Schätzung der Prävalenz von Prädiabetes und nicht diagnostiziertem Typ-2- Diabetes in Österreich. Hier werden die Daten von 1.250 Personen über 50 Jahren erfasst, die zu ihnen zu Vorsorgeuntersuchung kommen. Zusätzlich wird in einer Untergruppe eine Bio- marker-Studie durchgeführt, in der mit Vor-Ort-Diagnose-Geräten NT-proBNP-Spiegel gemes- sen werden, um auch das Herzschwächerisiko zu erfassen.


rh