Forschung & Covid Covid-Update 

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Behandlungen von Thrombosen

durch Vektorimpfstoffe

Transfusionsmediziner haben im heurigen Früh- jahr die Ursache für die sehr seltenen lebensge- fährlichen Thrombosen gefunden, an denen vor allem jüngere Menschen nach der Gabe der Co- vid-19-Vakzine von AstraZeneca erkrankt waren.

Inzwischen gibt es eine Behandlungsmöglichkeit mit Immunglobulin-Konzentraten, die diese Mechanismen unterbinden. Darüber hinaus haben aktuelle weitere Studien gezeigt, dass die Antikörper, die Thrombosen auslösen können, nur wenige Monate im Körper bestehen bleiben.


Plättchenfaktor 4

Als im März die ersten Fälle von lebensbedrohlichen Hirnvenenthrombosen nach einer Impfung mit dem Covid-19-Vakazin von AstraZeneca auf- traten, haben sich Transfusionsmediziner um Univ.-Prof Dr. Andreas Greinacher, dem Leiter der Abteilung Transfusionsmedizin am Institut für Im- munologie und Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald, unmittelbar mit der Erforschung der Ursachen befasst1. „Das Auftreten der Thrombosen in der zweiten Woche nach der Impfung ist typisch für eine Antikörperreaktion, was wir auch bestätigen konnten“, sagt Greinach- er. Nach einer Impfung bildet der Körper Abwehrstoffe. In sehr seltenen Fällen bilden Geimpfte spezielle Antikörper, die sich an Thrombozyten, auch Blutplättchen genannt, binden. Die Untersuchungen von Blutproben zeigten, dass die Antikörper, die diese Geimpften gebildet hatten, ge- gen den Plättchenfaktor 4 (PF4) gerichtet waren, der von Blutplättchen freigesetzt wird. Jeder Antikörper bildete mit mehreren dieser PF4-Plätt- chenfaktoren sogenannte Immunkomplexe.


Seltene Immunreaktionen

Die Forscher haben mittlerweile auch eine Vorstellung davon, warum der Impfstoff von AstraZeneca und teilweise auch der von Johnson & Johnson die Komplikati- on auslöst. Beide Impfstoffe verwenden Adenoviren. „Wahrscheinlich bilden Teile der Adenoviren bei manchen Menschen im Blut Komplexe mit dem Plättchenfak- tor PF4“, erläutert Greinacher und ergänzt: „Die normale Immunreaktion führt dazu, dass innerhalb von ein bis zwei Wochen große Mengen Antikörper gegen die PF4-Komplexe gebildet werden.“ Die PF4-Antikörper binden am sogenannten Fc-Rezeptor auf der Oberfläche der Blutplättchen an und aktivieren diese. Die Folge ist: Sie verklumpen und bilden Blutgerinnsel, die Blutgefäße verstopfen kön- nen. Diese Komplikation – ausgelöst durch die seltenen Immunreaktionen nach einer Vakzin-Impfung gegen Covid-19 – wird Vakzin-induzierte thrombotische Thrombozytopenie (VITT) genannt.

Zusammen mit Neurologen der Berliner Charité fanden die Forscher um Greinacher heraus, dass die Kopfschmerzen, über die viele Patienten mit VITT klagen, nicht die Folge der Thrombosen sind, sondern ein Warnsignal2. „Durch eine schnelle Behandlung mit gerinnungshemmenden Medi- kamenten kann eine VITT häufig vermieden werden“, ist Greinacher überzeugt. Längst gibt es zwei von den Greifswalder Medizinern entwickelte Tests, mithilfe derer Ärzte potenziell Betroffene auf die Antikörper untersuchen können.

Außerdem entwickelten die Transfusionsmediziner auch eine Therapiemöglichkeit durch eine Infusion von Immunglobulin-Konzentraten, die aus dem Blut gesunder Menschen gewonnen werden können. „Die Immunglobuline blockieren die Fc-Rezeptoren und verhindern dadurch, dass die Immunkomplexe die Blutplättchen aktivieren. Während in den ersten Wochen noch mehr als die Hälfte der betroffenen Patienten verstorben ist, überleben jetzt neun von zehn Patienten“, erklärt Greinacher die Wirkungsweise der Behandlung.

Die Ergebnisse einer neuen Studie, die kürzlich im New England Journal of Medicine publiziert wurde, zeigte, dass die gefährlichen Antikörper bei den meisten Patienten mit VITT innerhalb von drei Monaten wieder verschwinden3. „Diese Patienten würden trotz VITT eine zweite Impfung kompli- kationslos vertragen“, sagt Greinacher. Er rät allerdings, für die zweite Dosis vorsichtshalber auf einen mRNA-Impfstoff zu wechseln, um das Risiko zu vermeiden.


rh