ORDINATIONSMANAGEMENT | Primärversorgung
Gemeinsam statt einsam
Primärversorgung auf der Überholspur
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Studien belegen, dass eine gut ausgebaute Primärversorgung mit einem signifikant besseren Gesundheitszustand der Bevölkerung einhergeht. Es ist an der Zeit, auch in Österreich die passenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Niederösterreich zeigt aktuell, wie das gehen kann.
Dem heimischen Gesundheitssystem wird immer wieder hohe Qualität und große Zufriedenheit attestiert. Der Nutzen stehe aber in einem krassen Missverhältnis zu den Kosten, denn das österreichische Gesundheitssystem zählt im in- ternationalen Vergleich auch zu den teuersten. Erfreulich hoch ist die Lebenserwartung, jedoch verbringen die Öster- reicher ihren Lebensabend meist mit einer oder sogar mehreren chronischen Erkrankungen. Kostendämpfende Maß- nahmen bei gleichzeitiger Verbesserung der gesunden Lebensjahre ist daher seit Jahren das Ziel der Gesundheitspo- litik. Erreicht werden soll das unter anderem durch eine Stärkung der Primärversorgung und damit der hausärztlichen Versorgung. Der Bedarf an einer wohnortnahen und extramuralen Versorgung wird daher in Zukunft weiter steigen, gleichzeitig zeigt die Statistik, dass die Zahl der Allgemeinmediziner drastisch sinken wird. Die Pensionswelle rollt und rund 50 % der aktuell praktizierenden Ärzte werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand treten.
Die Bundes-Zielsteuerungskommission hat daher im Jahr 2014 das Konzept für die Primärversorgung beschlossen.
Zwei Jahre später folgten die entsprechenden Verein- barungen im Rahmen des Finanzausgleichs. Mit dem Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 (GRUG) wurden schließlich die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Primärversorgung festgelegt. Dabei soll es sich um eine Ergänzung und Weiterentwicklung der derzeitigen hausärztlichen Versorgung handeln. Ob im Zentrum oder Netzwerk – Hausärzte sollen in Zukunft mit anderen medizinischen Berufsgruppen intensiver zusammenarbeiten. Unter der medizini- schen Leitung von Allgemeinmedizinern kümmert sich ein multiprofessionelles Team effizient und effek- tiv um die Anliegen der Patienten. Wie das Team zu- sammengesetzt ist – vom Sozialarbeiter über den Physiotherapeuten bis hin zu den Pflegeexperten –, wird sich je nach lokalen Anforderungen unterscheiden.
Erfolgsgeschichte mit guter Zukunft
Für Patienten ergibt sich damit eine verbesserte Versorgung, die wohnortnah und mit erweiterten Öffnungszeiten möglich ist. Mehr Leistung und Service im Sinne von kürzeren Wartezeiten, rascherer Abstimmung zwischen den Be- rufsgruppen oder einfacherer Terminkoordination werden erwartet. Für die in den Primärversorgungseinheiten tätigen Ärzte und Gesundheitsdienstleister soll sich daraus ebenfalls eine Reihe positiver Aspekte ergeben: Die Steigerung der Lebensqualität und der Arbeitszufriedenheit steht ganz oben auf der Liste der Vorteile. Die Arbeit im Team, fachli- cher Austausch bei Akutfällen sowie bei chronischen und komplexen Krankheitsbildern sowie die Entlastung von ad- ministrativen und organisatorischen Aufgaben sind weitere Vorteile, die die neue Organisationsform bringen soll.
Seit Sommer 2017 gibt es ein eigenes Gesetz zur Primärversorgung (PrimVG). Ein einheitliches Verrechnungsmodell existiert noch nicht, da derzeit ein Gesamtvertrag ausverhandelt wird. Zusätzliche Leistungen von Gesundheits- und Sozialberufen könnten pauschal oder als Einzelleistung abgerechnet werden. Aktuell sind in Österreich neun Primär- versorgungseinheiten aktiv. Entgegen allen Medienberichten ist keines von einer Schließung bedroht, im Gegenteil: „Seit der Eröffnung im September 2017 wurden die hohen Erwartungen zur Entwicklung unseres Primärversorgungs- zentrums in jeder Hinsicht weit übertroffen. Die vorbildliche und unkomplizierte Kooperation mit den Ambulanzen des Donauspitals funktioniert zur sehr großen Zufriedenheit aller Beteiligten und trägt wesentlich zur hohen Versorgungs- wirksamkeit unseres Primärversorgungszentrums bei. Durch die Übernahme der Behandlung zahlreicher Patienten auf Basis einer gemeinsamen Kooperationsvereinbarung mit dem Donauspital werden die Ambulanzen des Donau- spitals spürbar entlastet“, betont Dr. Regina Ewald von der „Primärversorgung Donaustadt“.
Niederösterreich prescht vor
Das Bundesland Niederösterreich ließ kürzlich mit der Meldung aufhorchen, dass bis zum Jahr 2021 14 neue Ge- sundheitszentren entstehen werden. Bereits im Oktober gehen testweise die ersten drei – in Böheimkirchen, Schwechat und St. Pölten – in Betrieb. Gleichzeitig wurde von den beteiligten Partnern, dem Land Niederöster- reich, der NÖ Gebietskrankenkasse und der NÖ Ärztekammer, vereinbart, künftig weitere drei Einrichtungen in der Nähe von oder in einem NÖ Landesklinikum sowie Einrichtungen, die als Netzwerk organisiert sind, umzuset- zen. Die Finanzierung übernimmt überwiegend die NÖ Gebietskrankenkasse, unter Co-Finanzierung des Landes Niederösterreich. Nach einer laufenden Evaluierung sollen die Pilotprojekte in den Regelbetrieb gehen.
„Niederösterreich ist das erste Bundesland, das nicht nur die Etablierung von sechs neuen Gesundheitszentren beschlossen hat, sondern auch für eine Netzwerk-Variante bereit ist. Die neuen Gesundheitszentren sind ein Ge- winn für die wohnortnahe hochqualitative Versorgung und ein attraktives Berufsumfeld für Ärzte und Gesund- heitsexperten“, freut sich Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner. Niederösterreich ist auch das erste Bun- desland, in dem alle Regelungen und Voraussetzungen vorab geklärt wurden, und das die Pilotphase mit mehre- ren Primärversorgungseinheiten einleitet. „Mit den neuen Gesundheitszentren setzen wir einen Meilenstein im Ge- sundheitswesen. Die ärztliche Versorgung für Patienten zwischen 7 und 19 Uhr an Werktagen ist sichergestellt“, sagt NÖGUS-Vorsitzender Landesrat Martin Eichtinger. Die Ärztekammer für Niederösterreich steht der Weiterent- wicklung des Gesundheitssystems positiv gegenüber und beteiligt sich aktiv an der Test- und Evaluierungsphase.
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Mag. Johanna Mikl-Leitner, niederösterreichische Landeshauptfrau
„Niederösterreich hat die Etablierung von sechs neuen Gesundheitszentren beschlossen und ist auch für die Netzwerk-Variante bereit.“