DFP-FORTBILDUNG & KLINIK I Organisationsentwicklung

Balance als Herausforderung – ein #pa- radigmenwechsel

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt.“ Mit diesem Zitat von Helmut Schmidt, dem

ehemaligen BRD-Bundeskanzler, leitete Univ.-Prof. Dr. Matthias Preusser kürz- lich seine Antrittsvorlesung an der Medizinischen Universität Wien ein. Im dar- auffolgenden Vortrag belegte er, dass das Gegenteil der Fall sei. Vor allem, wenn es darum geht, eine hochmoderne Universitätsklinik zu führen und im Sinne der Zukunftsfähigkeit zu entwickeln.

?In Ihrer Antrittsvorlesung haben Sie einen besonderen Schwerpunkt gelegt. Sie verwenden das Wort „Balance“ im Zusammenhang mit Ihrem Fachgebiet, der internistischen Onkologie.

Ich möchte damit deutlich machen, dass es an unserer Klinik nicht nur darum geht Patienten mit der bestmöglichen medizinischen Versorgung zu betreuen. Als Uni- versitätsklinik sind wir permanent mit mehreren Arbeitsbereichen betraut. Diese in Balance zu halten stellt eine besondere Herausforderung dar. Wenn ich meine Auf- gabenverteilung betrachte, so bin ich mit drei Hüten unterwegs. Ich bin in meinem Primariat als Arzt, mit meiner Professur in Forschung und Lehre und mit Manage- ment- und Führungsaufgaben betraut. Wann ich was bin, wechselt permanent, je

nachdem mit wem und in welchem Zusammenhang ich zu tun habe. Um diesem Aufgabenspektrum in einem modernen Füh- rungsverständnis gerecht zu werden, habe ich einige Ausbildungen, im Speziellen eine Ausbildung für medizinische Führungs- kräfte an der Universität St. Gallen absolviert.


?Dementsprechend haben Sie eine Vision 2025 für Ihre Klinik formuliert. Was versprechen Sie sich davon?

Im Zentrum meines Führungsverständnisses steht die Kooperation. Gemäß dem Leitsatz, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist, steht die Entwicklung von Strukturen und Prozessen im Zentrum, die der Zusammenarbeit förderlich sind und zwar intern und extern. Um eine Klinik zeitgemäß führen und entwickeln zu können, braucht es eine Vision ausformuliert für die verschiedenen Bereiche, die es ermöglicht zu überprüfen, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Daraus lassen sich letzt- lich die operativen Ziele ableiten. Ebenfalls wichtig ist eine gute Besprechungskultur. Dafür werden auf unterschiedlichen Ebe- nen und in einem vorgegebenen Rhythmus Besprechungen abgehalten, die Aufgabenbereiche wie Forschung oder Patienten- betreuung auf verschiedenen professionellen Ebenen abdecken.


?Eine Ihrer Teilvisionen weist darauf hin, dass Ihre Klinik 2025 die Kaderschmiede für Onkologen sein wird. Was ist da- für notwendig?

Wie müssen die besten unter den Kandidaten finden. Das machen wir über Postdoc-Stellen. Und außerdem brauchen wir Kar- rierepfade, die der Diversität der Menschen Rechnung tragen. Den One-fits-all-Karrierepfad gibt es nicht. Zufriedenheit und En- gagement sind unter anderem von der passenden, an individuelle Fähigkeiten und Interessen angepassten

Karriereentwicklung abhängig. Assistenzärzte sind daher, wie in unserem Organigramm ersichtlich, direkt an den Chef ange- bunden. Mittels Career Development Meetings unterstützen wir die Kolleginnen und Kollegen bei der Karriereentwicklung.


?Für das Wachstum Ihrer Klinik haben Sie eine Strategie entwickelt, die Kooperationen besonders fokussiert. Weshalb?

Wenn wir uns die Entwicklung der Patientenzahlen anschauen, so haben wir seit 2007 eine Verdoppelung zu verzeichnen. Wir könnten unendlich wachsen. Wie wenn man eine sechsspurige Autobahn in eine Stadt baut. Irgendwann ist auch die verstaut, weil sie immer mehr Verkehr anzieht. Wir setzen daher auf Kooperation und Know-how-Transfer mit anderen Kliniken in Wien, Österreich und auch Europa. Der Kern dieses Ansatzes ist die translationale Forschung an unserer Klinik, die eine direkte Rück- koppelung zwischen Labor als Benchmark und Bedside kennzeichnet. Durch den Know-how-Transfer bringen wir erprobtes Wissen in andere Kliniken und der aus diesen Kooperationen entwickelte Austausch ist für beide Seiten wichtig. Einerseits wird damit wichtiges praxisrelevantes Wissen transferiert. Damit werden die entwickelten Behandlungsformen Patienten auch außer- halb unserer Klinik zugänglich. Zugleich können wir auf die Erfahrungen von mehr Anwendern zugreifen.


?Fachlich arbeiten Sie bereits seit Langem in einem zukunftsträchtigen Gebiet, das gerade in den letzten zehn Jahren große Erfolge verzeichnet.

Global betrachtet gibt es jährlich 9,6 Millionen Menschen, die an Tumoren sterben.  Kern meiner Forschungsarbeit sind die Prä- zisionsmedizin und die Immuntherapie bei Gliomen, Meningeomen, Lymphomen und Hirnmetastasen. Damit ist das Ziel verbun- den, hoch individuelle und tumorspezifische Therapien zu entwickeln. Wir sind lokal, national und international in klinischen Stu- dien der Phasen I-III engagiert, um die Immuntherapie in diesen Bereichen voranzubringen.

Letztlich hatten wir erste Erfolge in diesem Bereich dem Umstand zu verdanken, dass es ausgerechnet das Melanom war, ein Tumor mit extrem schlechter Prognose, an dem Immuntherapien entwickelt wurden. Er zählt zu den Tumoren mit den höchsten Teilungsraten und ist damit besonders gut mit Immuntherapien zu behandeln. Diese sehr ermutigenden Ergebnisse haben die Forschungstätigkeit in diesem Gebiet beflügelt.

Unsere Vision 2025 ist, mit der innovativsten Forschung zu den Top-sechs-Zentren weltweit auf unserem Gebiet zu gehören.

In Abwandlung des Zitats von Helmut Schmidt meine ich: „Wer Arzt ist, sollte eine Vision haben.“ Nur so ist es möglich auf lange Sicht fokussiert in neuen Feldern erfolgreich tätig zu sein und die vielfältigen Aufgabenbereiche an der Klinik zu einem Ganzen zu integrieren.


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