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FSME: Regelmäßig auffrischen
Knapp über 200 FSME-Fälle wurden im letzten Jahr in Österreich im Spital behandelt. Die hohe Fallzahl ist einzigartig seit 1987. Die Gründe sind multifakt- oriell, nicht zuletzt dürfte Covid-19 die Menschen vermehrt dazu veranlasst haben, sich im Freien aufzuhalten.
Die klassische FSME-Erkrankung ist durch einen typischerweise zweigipfeligen Verlauf gekennzeichnet“, erklärt Priv.-Doz. Bettina Pfausler von der Universitätsklinik für Neurologie an der MedUni Innsbruck. „Nach einer Inkubationszeit von zirka zehn Tagen kommt es in der ersten Phase der Er- krankung zu Symptomen ähnlich einer Grippe mit Fieber, Schnupfen, Glieder- und Muskelschmerzen. Diese Symptome können mehrere Tage dau- ern.“ Bei rund der Hälfte der Betroffenen ist dann die Infektion überstanden, weitere 50 % treten nach ein paar symptomlosen Tagen in eine zweite Phase ein, in der die Viren Gehirn und Rückenmark infizieren. Wie bei Covid-19 begünstigen Alter und Komorbiditäten schwere Verläufe, aber auch junge, gesunde Personen können schwer erkranken.“
Erkrankung nicht unterschätzen
Bei 105 registrierten Patienten (49 %) wurde 2020 ein so schwerer Verlauf festgestellt, dass das Zentralner- vensystem stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. „Grundsätzlich gibt es drei Verlaufsformen bei Patienten, die dieses neuroinvasive Krankheitsstadium erreichen“, erklärt Pfausler. Während etwa die Hälfte der Betrof- fenen eine Gehirnhautentzündung habe, sich zwar sehr krank fühle und zwei bis drei Wochen im Spital be- handelt werden müsse, danach aber wieder vollständig genesen sei, kommt es bei einem Teil der Patienten der beiden anderen Verlaufsformen auch zu Langzeitfolgen. „Bei etwa 40 % der Patienten im neuroinvasiven Krankheitsstadium kommt es zu einer Encephalitis, also einer Entzündung des Gehirns. Die Erkrankten brau- chen meist über mehrere Wochen eine Behandlung in einer Intensivstation und anschließend einen längeren Rehabilitationsaufenthalt. Bleibende Folgeschäden wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen werden bei zirka 20 % beobachtet“, beschreibt Pfausler. Personen mit einer Entzündung des Rückenmarks und des Hirnstamms zeigen Polio-ähnliche Symptome. „Die Sterblichkeit liegt bei 30 % und eine vollständige Erho- lung tritt nur bei 20 % ein“, warnt die Neurologin vor einer Unterschätzung der Krankheit.
Impfen, impfen, impfen
„Die aktuell hohen FSME-Fallzahlen belegen, dass man bei der FSME-Impfung nicht nachlässig werden darf“, warnt auch Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Facharzt für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin. „Im Unterschied zur Covid-19-Impfung nützt es nichts, wenn die anderen geimpft sind, da eine Herdenimmu- nität aufgrund der Übertragung von der Zecke auf den Menschen nicht stattfinden kann.“ Zu beachten sei außerdem, dass sich das Impfintervall mit dem Alter verkürze. „Das hat einen einfachen Grund: Ältere Men- schen haben nach der Impfung eine geringere Immunantwort als jüngere. Das bedeutet, dass diese beson- ders darauf achten müssen, das Impfintervall korrekt einzuhalten“, stellt Kollaritsch fest.
Im Hinblick auf eine geplante Covid-19-Impfung erklärt der Impfexperte: „Eine gleichzeitige Verabreichung
einer der derzeitigen Covid-Impfungen mit anderen Impfstoffen ist möglich, daher auch für die FSME-Impfung zulässig.“ Dennoch rät Kollaritsch einen Abstand von zwei Wochen zu anderen inaktivierten Impfungen und von vier Wochen zu Lebendimpfungen, um Impfreaktionen der Covid- Impfstoffe von anderen Routineimpfungen unterscheiden zu können.“ Eine immunologische Überlastung sei auszuschließen.
rh