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MEDIZIN | Diabetes

Neue Entwicklungen beim Glukose-monitoring bei Diabetes mellitus

Die glykämische Kontrolle ist bei Menschen mit Diabetes mellitus eng mit dem

Auftreten von mikro- und makrovaskulären Komplikatio- nen verbunden. Als gängiger Parameter wird nach wie vor der HbA1c-Wert zur Abschätzung der glykämischen Kontrolle verwendet.

Allerdings zeigt uns dieser nur den Glukose-Mittelwert über die letzten Wochen an, die Häufigkeit und Ausprägung von Hypoglykämien und Hyperglykämien lässt sich daraus nicht sicher ableiten. Zur Abschätzung dieser und Evaluie- rung des Tagesprofils werden kapilläre Blutzuckerbestimmungen herangezo- gen. Dabei handelt es sich definitionsgemäß aber lediglich um Momentaufnah- men. Die Entwicklung geht daher seit einigen Jahren bereits in Richtung konti- nuierliches Glukosemonitoring, für einen Großteil der Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 ist sie in Österreich bereits Realität.


Durchführung des CGM und Interpretation der Daten

Beim kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM) wird die Glukose nicht im Blut, sondern interstitiell gemessen. Das hat zur Folge, dass der interstitiell gemes- sene Wert den im Blut gemessenen Werten einige Minuten hinterherhinkt. Für die Praxis bedeutet das, dass es vor allem bei schnell ansteigenden oder ab- fallenden Glukosewerten zu einer deutlichen Diskrepanz zwischen kapillär und interstitiell gemessener Glukose kommen kann. Entsprechend werden von den

Patienten nicht die Absolutwerte, sondern die in Form von Trendpfeilen angegebenen Tendenzen zur Therapieentscheidung her- angezogen. Zeigen exemplarisch die Trendpfeile stark nach unten, werden die Patienten dahingehend geschult, auch bei noch im (unteren) Normalbereich befindlichen Glukosewerten schon Kohlehydrate zuzuführen, um eine Hypoglykämie zu vermeiden. Für die Analyse der CGM-Daten hat sich die sogenannte „Time in Range“ (TIR) als wichtiger Parameter herausgestellt. Dieser gibt Aufschluss darüber, über welchen Zeitraum Patienten nahezu normoglykäm waren. Für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 wird dafür meist ein Glukosezielbereich von 70 – 180 mg/dl angegeben. Die TIR korreliert gut mit dem HbA1c-Wert, ermöglicht aber zusätzlich noch Aussagen über vorliegende Blutzuckerschwankungen im hyper- oder hypoglykämen Bereich.


Formen des CGM

Neben nur noch in Einzelfällen eingesetzten retrospektiv analysierten interstitiellen Glukosemessungen stehen aktuell zwei ver- schiedene Formen zur Verfügung: einerseits die sogenannte Flash-Glukose-Sensor-Messung (Intermittently scanned CGM), an- dererseits das sogenannte Real-time-Monitoring. Bei beiden Systemen erfolgt eine kontinuierliche interstitielle Glukosemessung, bei der Flash-Glukose-Sensor-Messung erhält der Patient allerdings nur einen Wert, wenn aktiv ein Scan über den am Oberarm angebrachten Sensor durchgeführt wird. Anders werden beim Real-time-Monitoring durchgehend die interstiellen Glukosewerte angezeigt. Die Geräte weisen auch eine Alarmfunktion auf, sodass die Patienten meist mittels Vibrationsalarm auf stark patholo- gische Werte aufmerksam gemacht werden. Dies ist vor allem für jene mit ausgeprägter Hypoglykämie-Unawareness und/oder nächtlichen Hypoglykämien wichtig. Es gibt deutliche Preisunterschiede zwischen den intermittently scanned und den real-time CGMs, sodass sich die Erstattung unterscheidet.

Optional besteht auch die Möglichkeit, Sensoren mit gewissen Insulinpumpen zu kombinieren, sodass bei drohender oder exis- tenter Hypoglykämie eine automatische vorübergehende Abschaltung der Insulinfreigabe durch die Insulinpumpe erfolgt. Ande- rerseits besteht auch bei entsprechenden Insulinpumpen die Option, dass die Basalrate anhand eines vorliegenden Algorithmus bei erhöhten oder erniedrigen Glukosewerten selbständig angepasst wird.

Die meisten Glukosesensoren können von den Patienten selbst subkutan appliziert werden, ein Glukosesensor muss mittels Mini-OP alle sechs Monate subkutan platziert werden. Bei ersteren beträgt die Sensordauer abhängig vom Typus zwischen sechs und 14 Tagen, der implantierbare Sensor ist aktuell für sechs Monate funktionstüchtig. Unterschiede zwischen den Senso- ren bestehen auch hinsichtlich der Notwendigkeit einer Kalibrierung mittels kapillärer Glukosemessung.


Indikationen für CGM und Evidenz

CGM kann sowohl therapeutisch als auch diagnostisch eingesetzt werden. Letztere finden Einsatz zum Beispiel zur Abklärung von unklaren/nächtlichen Hyperglykämien oder diskordanten Befunden von gemessenen Blutzuckerwerten und HbA1c-Wert. Therapeutisch ist ein CGM auf jeden Fall sinnvoll bei allen Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 und/oder Menschen mit ande- ren Diabetesarten und Insulinpumpentherapie oder funktioneller Insulintherapie. Besonders hilfreich ist ein CGM bei Patienten mit häufigen Hypoglykämien, speziell bei Vorliegen einer Hypoglykämie-Unawareness. Für dieses vulnerable Patientenkollektiv konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass das Hypoglykämierisiko mittels CGM gesenkt wird. Weitere Gruppen, die laut den ÖDG-Leitlinien eine Indikation für ein CGM aufweisen sind: Kleinkinder und Schulkinder mit schlechter Hypoglykämiewahr- nehmung, unzureichende Blutzuckereinstellung trotz Therapieintensivierungsschritten oder auch bei Schwangeren mit moderat erhöhten Blutzuckerwerten.

In mehreren Studien konnte zudem eine Assoziation zwischen mikrovaskulären Endpunkten und der TIR gezeigt werden. Große prospektive Studien hinsichtlich Effekt auf Langzeitkomplikationen sind noch ausständig, wobei aufgrund der in verschiedenen Studien gezeigten Verbesserung der glykämischen Kontrolle und des reduzierten Hypoglykämierisikos ein Benefit zu suspizieren wäre.

Zweifellos ist der Vorteil hinsichtlich Lebensqualität für die Betroffenen: Während bisher meist mehr als neun kapilläre Glukose- bestimmungen pro Tag bei Patienten mit komplexen Insulintherapien notwendig waren, ist die Glukoseanalyse für die Betroffe- nen nun deutlich einfacher, komfortabler und auch weniger schmerzhaft geworden. Besonders relevant ist dies für Patienten, die zum Beispiel aufgrund hygienischer Umstände im Arbeitsalltag nur eingeschränkt Blutzuckerbestimmungen durchführen kön- nen. Einen großen Vorteil bringt es auch für Ausdauersportler, die nun besser auf Blutzuckerexkursionen während der Aktivität reagieren können.