REHABILITATION | Covid
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Multiprofessionalität entscheidet
Dass Patienten, die auf der Intensivstation waren, eine Re- habilitation benötigen, ist offensichtlich. Wie sieht es je- doch mit Patienten aus, die einen milden oder moderaten Verlauf hatten? Muss jeder, der einen schweren Verlauf hatte, in die Reha?
Seit Monaten wird täglich die hohe Zahl an Patienten, die an Sars-CoV-2 erkrankt sind, medial präsentiert. Daneben findet sich meist die Kurve der „Genesenen“, viele dieser vermeintlich genesenen Menschen sehen wir in der Rehabilitation. Das Erstaunliche ist, dass der klinische Blick, den man sich in all den Jahrzehnten erarbeitet hat, bei dieser Erkrankung teilweise irreführend ist, weil man trügerischen Fehleinschätzungen unterliegt.
Seit Beginn der Covid-19-Pandemie wissen wir, dass Patienten mit unterschiedlichsten Verläufen unabhängig vom Verlauf noch Beschwerden nach Monaten haben können. Der Verlauf wird nach dem Robert Koch-Institut in vier Stadien eingeteilt:
•Milder Verlauf: Husten und Fieber (Influenza-like-Illness)
•Moderater Verlauf: Pneumonie (ohne Hospitalisierung)
•Schwerer Verlauf: hospitalisierte Fälle
•Kritischer Verlauf: Intensivstation
Flächendeckendes Angebot
Dass Patienten, die auf der Intensivstation waren, eine Rehabilitation benötigen, ist offensichtlich. Wie sieht es jedoch mit Patienten aus, die einen milden oder moderaten Verlauf hatten? Muss jeder, der einen schweren Verlauf hatte, in die Reha? Wir wissen, dass ein beträchtlicher Teil der Pati- enten bald nach der Erkrankung wieder völlig beschwerdefrei ist. Es gibt jedoch Diskussionen darüber, ob so etwas wie ein Post-Covid-Syndrom existiert. Hier gab es bereits Mitte 2020 die erste Publikation, die zeigen konnte, dass nicht nur im akuten Setting sondern auch Wochen nach der Entlassung Fatigue, Dyspnoe, Schmerzen und andere Beschwerden wie neurokognitive Störungen bestehen bleiben (siehe Graph 1), die anfangs bestehende Anosmie und Dysgeusie ist meist regredient. Diese Patienten sollten alle multiprofessionell abgeklärt und nach Entlassung auch kon- trolliert werden. Hier spielen der Pneumologe, der Kardiologe, der Internist und auch der Neurologe eine zentrale Rolle. Übersehen wird häufig ein Gewichtsverlust, der meist einen Verlust an Muskelmasse bedeutet. Eine rezente Publikation von 1/2021 hat über 1.700 Patienten sechs Monate nach Entlassung untersucht, 76 % hatten noch Beschwerden. Um dies klinisch besser einschätzen zu können, hilft die Post Covid Functional Scale (siehe Graph 2), die Patienten in Grad 0 (keine Beschwerden) bis Grad 4 (Pflegebedarf) einteilt. Die meisten der Patienten, die wir in der Rehabili- tation sehen, sind Grad 2 oder 3, und das unabhängig von Krankheitsverlauf, Alter oder Vorerkrankungen. Zum Glück besteht in Österreich der
Idealfall, nämlich die flächendeckende Möglichkeit einer stationären oder ambulanten Rehabilitation. Vonseiten der VAMED wurde in Enns eine statio- näre und in der Therme Wien Med eine ambulante Post-Covid-19-Rehabilita- tion implementiert.
Interdisziplinärer Ansatz
Das bisher übliche, sehr aufwendige multiprofessionelle Assessment wurde erweitert. Interdisziplinäre Schulungen mit Arzt, Physiotherapeuten, Ergothe- rapeuten, Sportwissenschaftlern, Psychologin und Ernährungswissenschaft- lerin wurden eingeführt. Dies war die einzige Form, wie die sehr heterogenen Beschwerden der Patienten, von Muskelschmerzen bis gastrointestinalen Beschwerden, Angst oder Fatigue im Detail besprochen werden können. Bisher war die medizinische Trainingstherapie das Zentrum unseres Han- delns und auch unseres Erfolgs, jetzt hatten wir erstmals Bedenken, dass wir die Patienten mit einem zu hohen Trainingsreiz in eine „post exertional malai- se“ treiben, also eine Verschlechterung der Leistungsfähigkeit durch einen Trainingsreiz induzieren. Die Fatigue wird derzeit als postinfektiöse Fatigue beschrieben, wir kennen dies aus Erfahrungen mit vielen viralen Infekten wie auch der Sars-Pandemie, wo Studien zum Teil bis zu 60 % Fatigue ein Jahr nach Entlassung nachweisen konnten. Die Probleme der chronischen Fati- gue sind vielfältig, einerseits kann Training die Leistungsfähigkeit reduzieren und Laktat im Vergleich zu gesunden Probanden erhöhen. Die kognitive Leistungsfähigkeit nimmt nach dem Training ab, dies inklusive MRT-Anomali- en. Die neurologische und kardiale Blutversorgung kann reduziert sein.
Evidenz zum Atemmuskeltraining
Das alles muss dem multiprofessionellen Rehabilitationsteam klar sein, es wird noch mehr als bisher eine Patientenzentrierung not- wendig sein, die das subjektive Empfinden des Patienten in den Mittelpunkt stellt. Ein vorsichtiges Herantasten an die Belastungs- grenzen ist denkbar schwierig, aber möglich, indem man den Pa- tienten die einfachen Fragen stellt: Ist das Training zu leicht, zu schwer oder richtig dosiert?
Evidenz besteht bereits zum Thema Atemmuskeltraining, hier konnten 2020 Kollegen aus China zeigen, dass bei der Vielzahl an Patienten, die eine anhaltende Atemmuskelschwäche haben, ein Atemmuskeltraining die Situation verbessert. Diese Erfahrun- gen können wir bisher teilen. Die Diffusionsstörung und Atemmus- kelschwäche ist nach der Rehabilitation in der Regel gebessert. Weiters haben wir in den letzten Monaten die Erfahrung gemacht, dass sich auch komplexe internistische Probleme wie Koagulopa- thien bessern und die Antikoagulation abgesetzt werden kann. Die subklinische Infektion führt zwar zu Schwankungen in Leis- tungsfähigkeit, Konzentration oder Fatigue, die Tendenz ist jedoch in der Regel eine aufsteigende. Das gibt den Betroffenen Vertrau- en zurück, nimmt die Angst und lässt sie Mut für den langen Kampf schöpfen, den sie meist hatten.