Während im Positionspapier der Österreichischen Gesellschaft für Anästhe- sie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) ein differenzierter, indikati- onsgerechter Einsatz des Notarztes gefordert wird, gab es bis vor Kurzem nur wenige Möglichkeiten, die Therapie mittelstarker bis starker Schmerzen bei Patienten ohne vitale Bedrohung an nichtärztliches Personal, insbeson- dere Notfallsanitäter, zu delegieren. Wiewohl die gesetzlichen Rahmenbe- dingungen, basierend auf dem Sanitätergesetz von 2002, die Gabe von
Arzneimitteln durch Notfallsanitäter durch die Ausformulierung entsprechender Arzneimittellisten seit vielen Jahren ermöglicht, fand die Schmerz- therapie mangels pharmakologischer Substanzen, die nebst einer adäquaten Potenz ein sicheres Nebenwirkungsprofil aufweisen, bisher nur sehr begrenzte Anwendung. Im anglo-amerikanischen Raum ist das Rettungsdienstsystem grundlegend anders organisiert. Das im Vergleich zu Öster- reich wesentlich umfangreicher ausgebildete nichtärztliche Personal verfügt über ein breites Spektrum an Kompetenzen, wodurch auch die An- wendung algorithmenbasierter Schmerztherapie eine seit Jahrzehnten gängige Praxis darstellt.
Im Vereinigten Königreich kommt seit Jahren ein Lachgas-Sauerstoff-Gemisch (Livopan®) zum Einsatz – mit zufriedenstellendem Erfolg. Dieses wird mittels Demandventil inhalativ verabreicht und ermöglicht eine Analgesie, welche die Notwendigkeit der Anlage eines peripher-venösen Zu- gangs ausspart. Die einfache Handhabung, der rasche Wirkeintritt sowie eine adäquate Wirkstärke sprechen für dieses Substanzgemisch. Als nachteilig erweist sich die Vorhaltung in einem Hochdruckzylinder, ähnlich einer Sauerstoffflasche. Dieser limitiert die Anwendung, insbesondere im Einsatz besonderer Rettungsdienste wie dem Bergrettungsdienst, da dieses Equipment nur unter erhöhtem Aufwand zum Patienten transportiert werden kann.
Neue Alternativen
Als erfolgversprechende Alternative hat sich die im Jahr 2018 durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) erfolgte Zulassung von Methoxy- fluran (Penthrop®, Penthrox®) erwiesen. Methoxyfluran, aus der Gruppe der fluorierten Kohlenwasserstoffe, fand bereits in den frühen 1960er-Jah- ren Anwendung als volatiles Anästhetikum in der Durchführung balancierter Anästhesien. Aufgrund des Nebenwirkungsspektrums wurde es in der Folge in dieser Indikation vom Markt genommen. Seither findet es weiterhin breite Anwendung unter Ausnutzung der rein analgetischen Wirkkom- ponente in subanästhetischer Dosierung. Verabreicht wird dieses Pharmakon mittels Inhalationsdevice („green whistle“) – das Packmaß ist dabei auf ein Minimum reduziert und erleichtert so den Einsatz im präklinischen Rettungs- und Bergrettungsdienst deutlich.
Die Darreichungsform ermöglicht eine patientengesteuerte Analgesie durch schmerzbedingte Anpassung der Inhalationstiefe und -frequenz. Der Umstand der breiten, über Jahrzehnte etablierten Anwendung in Australien und Neuseeland findet auch in wissenschaftlichen Publikationen dieser Substanz ihren Niederschlag. So konnte in einer Vielzahl an Arbeiten unter Einschluss großer Anwendungszahlen sowohl das positive Nebenwir- kungsprofil, insbesondere aber die zumeist ausreichende Analgesie, nachgewiesen werden. Als häufigste Nebenwirkung wird ein Gefühl der Be- nommenheit/Trunkenheit, gefolgt von Schwindel und seltener Übelkeit postuliert1, während der kritische Blick auf das kardiovaskuläre und respira- torische System keine klinisch relevanten Veränderungen bietet.
Die Einführung einer im prä- als auch innerklinischen Notfallwesen völlig neuartigen Substanz in ein System, an dem viele Stakeholder vom Ret- tungsdienst über niedergelassene Allgemeinmediziner, Notärzte und nicht zuletzt die weiterversorgenden Krankenhäuser beteiligt sind, bedarf ei- ner entsprechenden Einbindung aller Strukturen. So unterzog man die Substanz nach Zulassung und Markteinführung auch in Österreich einem wissenschaftlich begleiteten Einführungsprozess. Untersucht wurde im ersten Schritt die Anwendung in der Hand des Notarztes, in weiterer Folge in der Anwendung durch den Notfallsanitäter. Das positive Nebenwirkungsprofil konnte bei zufriedenstellender analgetischer Potenz mit Reduktion des Schmerzscore im Mittel um 2,9 Punkte (SD 1,4) auf einer 10-teiligen visuellen Analogskala bestätigt werden2, 3.
Freigabe für Notfallsanitäter
Die Freigabe eines Arzneimittels in der Anwendung durch Notfallsanitäter erfolgt formal über die Erstellung eines Behandlungsalgorithmus, wel- cher einer strengen Indikation folgt. Notfallsanitäter verfügen über einen Ausbildungsumfang von zumindest 740 Stunden und dürfen pharmakolo- gische Substanzen nach entsprechender Organisationsfreigabe zum Einsatz bringen. Vielfach ist ausschließlich eine prozedurale Analgesie im Rahmen eines Lagerungsmanövers zum Ermöglichen der Immobilisation notwendig. In der täglichen Einsatzroutine kann dies unter Einsatz von Methoxyfluran durch Notfallsanitäter zu einer Entlastung der Notarztsysteme führen.
Während sich die Besetzung bodengebundener Notarztstützpunkte als zusehend schwierig erweist, aktuell jedoch noch flächendeckend möglich ist, gestaltet sich eine lückenlose Vorhaltung von Ärzten für Einsätze im alpinen Gelände als schwierig. Insbesondere dann, wenn der Einsatz der Flugrettung aufgrund der vorherrschenden Witterungsbedingungen nicht möglich ist. Der langwierige Abtransport eines analgetisch nicht thera- pierten Patienten belastet sowohl die Rettungskräfte, insbesondere aber die Patienten. Seit Beginn dieses Jahres ist es nun Notfallsanitätern des Österreichischen Bergrettungsdienstes erlaubt, Methoxyfluran in der Indikation mittelstarker bis starker traumatischer Schmerzen anzuwenden. So- mit wird bei Einsätzen, an denen kein Arzt mitwirken kann, die Versorgungsqualität wesentlich verbessert und der Patientenkomfort gehoben.
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QUELLEN:
1) Buntine P, Thom O, Babl F, Bailey M, Bernard S. Prehospital analgesia in adults using inhaled methoxyflurane. Emerg Med Australas. 2007;19(6):509-14.
2) Trimmel H, Egger A, Doppler R, Pimiskern M, Voelckel WG. Usability and effectiveness of inhaled methoxyflurane for prehospital analgesia – a prospec- tive, observational study. BMC Emerg Med. 2022;22(1):8.
3) Egger A, Huber T, Heschl S, Fiegl J, Burger J, Trimmel H, et al. Efficacy and Safety of Methoxyflurane for Treatment of Acute Traumatic Pain by EMTs dur- ing Alpine Rescue Operations: The "PainDrop" Trial. Prehosp Emerg Care. 2022:1-6.