Innovative Ansätze im Allergiemanagement gibt es aktu-ell mehrere. Ein Update aus regulatorischer und wissen-schaftlicher Sicht wurde kürzlich im Rahmen eines hybri-den Experten-Round-Table auf Einladung von Nestlé inWien von Experten diskutiert.
Die Weichen für ein fittes Immunsystem werden bereits in der Kindheit gestellt. Doch nicht immer gelingt es, dann ein Leben lang auch zu unter-scheiden, welche Erreger zu eliminieren und welche zu tolerieren sind. Im Jahr 2017 haben nach Angaben einer österreichischen Langzeitstudiezur Gesundheitssituation der Bevölkerung knapp 40 % der Befragten angegeben, unter einer Allergie zu leiden. Eine Umfrage des Markt- und Mei-nungsforschungsinstituts IMAS aus 2019 zeigt, dass die am häufigsten genannten Allergien jene gegen Pollen gefolgt von Nahrungsmitteln undTierhaaren sind. Insgesamt scheint die Tendenz der Betroffenen jedenfalls steigend zu sein und damit steigt auch das Risiko der Nachfolgegene-ration, von Kindesbeinen an betroffen zu sein. Denn klar ist auch, dass bei der Entwicklung einer Allergie neben Umweltfaktoren auch die Erbanla-gen eine gewissen Rolle spielen. „Wenn ein Elternteil betroffen ist, dann steigt das Risiko für die Kinder, bis zum 13. Lebensjahr ebenso eine Aller-gie zu entwickeln, um 20 bis 30 %. Wenn beide Elternteile betroffen sind, steigt das Risiko sogar um 80 %“, so die alarmierende Einleitung von Dr.Mike Poßner, Medical Director, Nestlé Nutrition Institute. Weiters diskutierten MR Dr. Rudolf Schmitzberger, Facharzt für Kinder und Jugendheilkun-de in Wien mit Schwerpunkt Pädiatrische Pneumologie, Atemwegserkrankungen und Allergien, Univ.-Prof. Dr. Zsolt Szépfalusi, Leiter der AbteilungPädiatrische Pneumologie und Allergologie an der Universitätskinderklinik am AKH Wien, und Veterinärmedizinerin Mag. Stephanie Müller-Straussvon Nestlé Purina, weltweit einer der größten Hersteller von Heimtiernahrung.
?Welche Substanzen sind potenziell allergen?
Schmitzberger: Das hängt unter anderem vom Lebensalter ab. Das Immunsystem verändert sich von der Kindheit bisins Erwachsenenalter. Deshalb gibt es viele verschiedene Startpunkte und Verläufe des sogenannten allergischen Mar-sches. Allergien können sich über die Jahre weiterentwickeln und auch teilweise für eine gewisse Zeit ruhen.
Bei Säuglingen und Kleinkindern spielen die Nahrungsmittel, allen voran die Milch, eine dominierende Rolle. Wir Kin-derärzte sind daher besonders gefordert, diese Symptome ernst zu nehmen und bei Bauchschmerzen nicht immer nurdie harmlosen Drei-Monats-Koliken in Betracht zu ziehen. Wenn die Kinder älter werden, zeigen sich Allergien zumBeispiel in Form einer atopischen Dermatitis. Im späteren Alter treten häufiger Pollen-, Hausstaubmilben- und Tierhaar-allergien auf. Je älter die Betroffenen werden, desto eher kommen Etagenwechsel infrage und die Symptome könnenvon der Haut auf die Atemwege überschwappen.
?Wann sollen Eltern hellhörig werden?
Schmitzberger: Bei ständigen Verdauungsproblemen auf jeden Fall und bei allen Symptomen, die chronisch werden.Das sind einerseits bei der Haut Ekzeme oder Urtikaria, aber auch ein ständiger Schnupfen oder Husten.
?Wann kann die Diagnose gestellt werden?
Schmitzberger:Nach wie vor hält sich der Mythos, dass erst ab dem dritten Lebensjahr eine Austestung möglich ist.
Doch es gilt: Es ist nie zu früh, an eine allergologische Testung zu denken. Je nach Testmethode geht das schon bei Neugeborenen oder jungenSäuglingen. So kann man etwa die Krankengeschichte der Eltern schon sehr früh eruieren. Auch ein Prick-to-Prick-Test ist bei Säuglingen schonmöglich. Hier werden verschiedene Allergene, die nicht im Standardtestpanel enthalten sind, wie etwa Milch oder frische Lebensmittel, direkt aufder Haut getestet. Auch mit der serologischen und molekularen Diagnostik kann man schon früh beginnen. Der nächste Schritt lautet: früh Konse-quenzen ziehen und mit einer spezifischen Immuntherapie starten, die momentan vielversprechende Ergebnisse zeigt.
?Wie funktioniert eine Hyposensibilisierung?
Schmitzberger: Der Begriff beschreibt schon das Behandlungsziel. Das Immunsystem soll sich an die Allergene langsam gewöhnen. Die Dosiswird schrittweise erhöht, bis eine persönliche Höchstdosis erreicht ist, die dann in regelmäßigen Abständen gegeben wird. Die Allergenextraktekönnen gespritzt oder als Tablette oder Tropfen eingenommen werden. Zugelassene Therapie-Allergene gibt es für Gräser-, Getreide- und Kräuter-pollen, Baumpollen, Hausstaubmilben sowie Wespen- und Bienengift. Es gibt zwei Formen der Hyposensibilisierung: Die subkutane Immunthera-pie (SCIT), bei der die Allergene gespritzt werden. Hier ist der regelmäßige Arztbesuch erforderlich. Bei der sublingualen Immuntherapie (SLIT)werden die Allergene als Tropfen oder Tabletten gegeben. Die Einnahme muss aber über drei Jahre erfolgen, sodass hier die Compliance oft lang-sam nachlässt.
?Worauf sollen Eltern achten, um potenziellen Allergien bei Kindern vorzubeugen?
Poßner: Wir haben eine Risikogruppe, das sind Eltern, die selbst von Allergie betroffen sind. Hier ist das Risiko für denNachwuchs groß, auch zu erkranken. Unsere erste Empfehlung in der Beratung durch Ärzte oder Hebammen ist im-mer zu stillen, wenn möglich vier bis sechs Monate, und in den ersten Monaten auf das Zufüttern von kuhmilchbasier-ten Produkten zu verzichten. Für allergiegefährdete Säuglinge, die nicht oder nicht ausreichend gestillt werden, emp-fehlen Fachgesellschaften im Update der „S2k guideline on the management of IgE-mediated food allergies“ eineSäuglingsanfangsnahrung, deren präventive Wirksamkeit für Allergien in klinischen Studien bestätigt wurde.
Bei Säuglingen und Kleinkindern bis zu drei Jahren ist Kuhmilcheiweiß der häufigste Auslöser allergischer Reaktionen:zwei bis drei Prozent aller Kinder entwickeln im Säuglingsalter eine Kuhmilcheiweißallergie. Bei Säuglingen kann einemilchfreie Ernährung der stillenden Mutter, der Einsatz von Säuglingsspezialnahrungen, je nach Schweregrad der All-ergie mit extensivem Hydrolysat (eHF), oder eine Spezialnahrung auf Aminosäure-Basis (AAF) als Alternative einge-setzt werden. Bei extensiv hydrolysierter Säuglingsnahrung werden die Kuhmilcheiweiße extensiv in kleine Peptide hy-drolysiert. Dadurch ist sie deutlich weniger allergen als Vollmilch-Säuglingsnahrung und wird von den meisten Säug-lingen und Kleinkindern mit Kuhmilch- oder Sojaallergien gut vertragen. Die aminosäurebasierte Säuglingsnahrungenthält als Eiweißquelle ausschließlich freie Aminosäuren, die nicht allergen sind. Sie wird empfohlen, wenn ein Säug-ling eine extensiv hydrolysierte Säuglingsnahrung nicht verträgt; oder sie wird für das First-Line-Management empfoh-len, wenn der Säugling schwere oder lebensbedrohliche Symptome wie eine Anaphylaxie oder Sofortreaktionenaufweist.
Trotz aller möglichen Alternativen gilt immer noch, dass Stillen das beste Konzept zur Allergieprävention ist. Studien zeigen in den Risikogruppendie besten Ergebnisse. Ein Transfer der Ergebnisse auf die Normalpopulation ist nicht möglich, weil sie nicht Teil der Untersuchungen war.
?Warum ist bei Erdnussallergikern die Lebensqualität oft besonders eingeschränkt?
Szépfalusi: Eltern von betroffenen Kindern sind hier zu Recht oft besorgt, weil das Management der allergischen Re-aktionen bei Erdnussallergien sehr herausfordernd ist. Schon sehr kleine Mengen, die oft in Spuren in anderen Nah-rungsmitteln enthalten sein können, können oft schwere Verlaufsformen annehmen. Schulungsprogramme der Kinderund der Bezugspersonen sind daher besonders wichtig. 70 bis 80 % aller Anaphylaxien beginnen mit Hautverände-rung, innerhalb weniger Minuten kommt es zu einer Beeinträchtigung andere Organe, wie dem Magen, dem Darmoder den Atemwegen. Am Ende steht dann das Risiko eines anaphylaktischen Schocks.
?Welchen Schutz vor einer unbeabsichtigten Exposition gibt es?
Szépfalusi: Das Vermeiden steht an oberster Stelle, ist aber wie gesagt nicht immer leicht. Betroffene müssen ge-schult werden und bekommen ein Notfallset, das aus einem Antihistaminikum, einem Cortison und einem Adrenalinbesteht. Zudem gibt es mittlerweile Ansätze, auch bei Nahrungsmittelallergien mit einer spezifischen Immuntherapiezu desensibilisieren.
?Welche Rolle spielt der Darm?
Szépfalusi: Der Darm hat viele immunologische Erkennungssignale und die Zusammensetzung des
Mikrobioms spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Allergien. Je eingeschränkter die Bakterienvielfaltim Darm ist, desto eher steigt die Chance, Allergien zu entwickeln.
Poßner: Wir erforschen aktuell auch die Zusammenhänge zwischen Muttermilch und Mikrobiom, um die Mechanis-men besser kennenzulernen, warum Stillen eine protektive Wirkung gegen Allergien hat.
Wenn ein Familienmitglied eine Katzenallergie entwickelt, kann die Trennung von dem Tier, das oftmalsals Teil der Familie gilt, sowohl für Eltern und Kinder eine belastende Situation sein. Veterinärmedizine-rin Mag. Stephanie Müller-Strauss von Nestlé Purina, einem der größten Hersteller von Heimtiernahrung,beschreibt neue Lösungsansätze.
Was steckt hinter einer Katzenhaarallergie?
Etwa jeder fünfte Mensch ist von einer Katzenallergie betroffen. Es sind aber nicht die Haare einer Katze der Auslöser einer Allergie,sondern das Allergen „Fel d1“, ein Sekretglobulin. Es kommt im Speichel der Katze vor und wird zum Beispiel beim Putzen auf das Fellübertragen.
Welche neue Methode kann nun Abhilfe schaffen?
Wir haben mit PRO® PLAN® LiveClear® eine Katzennahrung entwickelt, die über eine spezielle Beschichtung verfügt. Dies enthält einSchlüsselprotein, das aus Hühnerei gewonnen wird und ein Antikörper zu „Fel d1“ ist. So wird im Maul über die Tiernahrung das Aller-gen neutralisiert und kann die allergieauslösende Wirkung um rund 47 % reduzieren. Der Effekt tritt bereits ab der dritten vollständigenFütterungswoche ein. Sicherheitsstudien haben gezeigt, dass die Vitalwerte von Katzen, die mit der Spezialkatzennahrung gefüttertwerden, unverändert bleiben. Wichtig für Tierbesitzer ist, dass zusätzliche Maßnahmen im Allergiemanagement nicht beendet werdensollen!
Wirkt die Nahrung bei allen Katzenrassen gleich?
Soweit die Forschung zeigt, hat die Rasse auf die Allergenproduktion keine Auswirkung. Studien haben gezeigt, dass ältere Katzenbereits weniger aktive Allergene produzieren.
Wie lange muss das Katzenfutter gefüttert werden?
Lebenslänglich. Daher gibt es auch für verschiedene Katzenalter spezielle Zusammensetzungen, die auf den Nährstoffbedarf der Kat-ze abgestimmt sind.
Gibt es diese Produkte auch für Hunde?
Derzeit ist nur Katzennahrung erhältlich. Die Forschung bei anderen Tierhaarallergien ist noch nicht so weit fortgeschritten.