MEDIZIN & RECHT

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Klarer Rahmen für ärztlichen

Beistand am Lebensende

Zahlreiche Experten begrüßen die vom Gesundheitsministerium geplante Einführung des § 49a Ärztegesetz mit der Überschrift „Beistand für Sterbende“, mit dem mehr Rechtssicherheit erreicht werden soll.

Der Entwurf, der sich aktuell in Begutachtung befindet, sieht vor, dass Ärzte Ster- benden unter Wahrung ihrer Würde beizustehen haben. In diesem Sinne ist es bei Sterbenden insbesondere auch zulässig, im Rahmen palliativmedizinischer Indika- tionen Maßnahmen zu setzen, deren Nutzen zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen im Verhältnis zum Risiko einer Beschleunigung des Verlusts vitaler Le- bensfunktionen überwiegt- .




Keine Sterbehilfe

In der Praxis herrscht oft große Unsicherheit, wo die Grenzen des erlaubten ärztlichen Handelns liegen. Zuletzt hat in den Medien ein Fall eines Arztes in Salzburg zahlreiche Diskussionen ausgelöst, wonach einem Arzt vorgeworfen wurde, dass seine Patienten durch die Gabe von zu viel Morphin vorzeitig verstorben wären. Letztlich erfolgte ein Freispruch des Arz- tes. Dieser Fall hat allerdings neuerlich aufgezeigt, dass es eine noch stärkere Verankerung der Palliativmedizin und Ab- grenzung der Tätigkeit braucht, die nun erreicht werden könnte. In diesem Zusammenhang steht unter anderem auch die Aufnahme der Palliativmedizin als Spezialisierung in die Spezialisierungsverordnung 2017 der Österreichischen Ärztekam- mer. Weiters regelt auch das Gesundheits- und Krankenpflegesetz (GuKG) die Spezialisierung Hospiz- und Palliativversor- gung.


Patient entscheidet

Ganz zentral für das ärztliche Handeln ist die Selbstbestimmung des Patienten. Lehnt der Patient eine medizinische Maß- nahme ab, darf diese nicht durchgeführt werden, auch wenn dies den Tod des Patienten zur Folge hat. Der entschei- dungsfähige Patient hat ein uneingeschränktes Vetorecht. Dieses umfasst nicht nur die Ablehnung von medizinischen Maßnahmen im engeren Sinn, wie Behandlungen oder die Gabe von Medikamenten, sondern auch die Ernährung. Im Zu- sammenhang damit steht auch das mit 1. Juli 2018 in Kraft getreten neue Erwachsenenschutzgesetz, wonach der Sach- walter durch die neuen Formen des Erwachsenenvertreters ersetzt wurde. Im Mittelpunkt dieser Neuerung steht der noch stärkere Schutz des Betroffenen und der Versucht die Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit möglichst lange und umfassend zu erhalten.


Neue Fristen bei Patientenverfügung geplant

Nicht zuletzt soll auch das Patientenverfügungsgesetz novelliert werden und die Geltungsdauer auf acht Jahre erweitert werden. Auch eine Aufnahme der Patientenverfügung in ELGA ist geplant, wodurch große Rechtssicherheit geschaffen werden könnte. Durch die zentrale Registrierung kann der Patient besser darauf vertrauen, dass die Patientenverfügung im Ernstfall auch vorliegt. Diese Maßnahme würde sowohl die Patientensicherheit als auch die Sicherheit für die handeln- den Gesundheitsberufe erhöhen, da dies ein weitere wichtiger Schritt zur Stärkung der Patientenautonomie wäre. Es ist sehr erfreulich, dass der Gesetzgeber sowohl die Rechte die Ärzte als auch die Patientenautonomie stärkt. Durch die Neuerungen wird mehr Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit geschaffen, welche letztendlich dazu wesentlich beitragt, dass ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis entstehen kann, das unabdingbar für ein konfliktfreies Miteinander ist.

Nachgefragt bei...

… Univ.-Prof. Dr. Andreas Valentin, Ärztlicher Direktor des Klinikums Schwarzach, Mitglied der Bioethikkommission und Präsident des Verbands der Intensivmedizinischen Gesellschaften Österreichs

Wie kam es zu der geplanten Gesetzesänderung zur palliativmedizinischen Begleitung am Lebensende und was sind die wesentlichen Eckpunkte der Neuerung?

Derzeit befindet sich der Entwurf einer Gesetzesnovelle zum Ärztegesetz in Begutachtung, dieser Entwurf enthält neben anderen Themen, wie etwa der Novellierung der Notarztausbildung, auch den §49a, der mit der Überschrift „Beistand für Sterbende“ übertitelt ist. Der kurz gehaltene Paragraph hat zwei wesentliche Inhalte, zunächst wird festgehalten, dass jede Ärztin und jeder Arzt die Pflicht hat Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde beizustehen. Weiters wird ausge- führt, dass bei Sterbenden auch palliativmedizinische Maßnahmen zulässig sind, sobald der Nutzen, nämlich die Linde- rung schwerster Schmerzen und Qualen, das Risiko, damit den Verlust vitaler Lebensfunktionen zu beschleunigen, überwiegt. Konkret heißt dies, dass leidensmindernde Medikamente bei Sterbenden auch dann eingesetzt werden kön- nen, wenn diese palliative Behandlung schwerster Leidenszustände zu einer Verkürzung der Sterbephase führen könn- te. Eine Klarstellung zu dieser Frage wurde von verschiedenen Fachgesellschaften und auch der Bioethikkommission schon lange gefordert und es ist sehr erfreulich, dass sich die geplante Gesetzesnovelle in dieser Weise dazu äußert. Zuletzt hatte ein Gerichtsverfahren mit einem Fall aus der Intensivmedizin deutlich gemacht, in welchem juristischem Graubereich sich Ärzte befunden haben, die in der Sterbephase adäquate palliativmedizinische Medikamente einge- setzt haben.


Ist das Ziel der „Humanisierung der Medizin“ und einer optimalen Begleitung am Lebensende damit erreicht?

Der beschriebene Teil der Gesetzesnovelle befasst sich nicht mit der Medizin an sich, sondern mit der Behandlung von Patienten in der Sterbephase. Eine adäquate Betreuung dieser Patienten wird durch die Gesetzesnovelle nicht nur bes- ser definiert, sondern auch die bei vielen Ärzten vorhandene Sorge um rechtliche Unsicherheiten reduziert. Damit sollte auf jeden Fall ein Effekt verbunden sein, der zu einem – der jeweiligen Situation angepassten – Einsatz von Schmerzmit- teln und im Besonderen von Opiaten führt, mit dem das Ziel verbunden ist, soweit wie möglich ein friedliches Sterben geschehen zu lassen.


Der Entwurf, der sich derzeit in Begutachtung befindet, sieht vor, dass Ärzte sterbenden Menschen, die sie be- handeln, „unter Wahrung ihrer Würde“ beizustehen haben. Was genau ist darunter zu verstehen?

Zunächst ist damit festgelegt, dass der Beistand für Sterbende eine ganz wesentliche und verpflichtende Aufgabe für Ärzte ist. Unter der Wahrung der Würde eines Menschen am Lebensende und in der Sterbephase ist vorrangig zu ver- stehen, dass alles getan werden muss um einen sterbenden Menschen soweit wie möglich von Schmerzen, Atemnot und anderen Qualen frei zu halten. Einen Menschen in den letzten Stunden seines Lebens schweren Qualen auszuset- zen, obwohl es eine medikamentöse Hilfe gäbe, wäre eine klare Verletzung der Grundsätze der Bewahrung der Men- schenwürde. Damit wird das bereits im bestehenden Ärztegesetz normierte Prinzip, das Wohl des anvertrauten Patien- ten zu wahren, nochmals explizit auf sterbende Menschen bezogen.


Die Entscheidung darüber, wie und zu welchem Zeitpunkt das Therapieziel vom Prinzip der Heilung in Richtung palliative Betreuung verändert werden sollte, ist immer individuell zu treffen. Bringt das neue Gesetz mehr Rechtssicherheit? Wird damit die Entscheidung für Ärzte „einfacher“?

Die Gesetzesnovelle bezieht sich ausdrücklich auf sterbende Patienten und damit auf Patienten, bei denen ein kuratives Therapieziel per se nicht mehr erreichbar ist. Die individuelle Entscheidung, ob ein Patient in eine Sterbephase eingetre- ten ist, wird durch die Gesetzesnovelle nicht verändert und ist auch nicht einfacher zu treffen. Sobald aber klar wird, dass mit kurativen Behandlungsversuchen nur eine Verlängerung des Sterbeprozesses verursacht wird, sollte die Ge- setzesnovelle für mehr Rechtssicherheit in der Umsetzung palliativmedizinischer Maßnahmen führen.