Medizinprodukte Entwicklung

EKG-Messung am Handgelenk mit

der Scanwatch des französischen

Gesundheitsunternehmens Withings

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Automatisierte Blutdruckmessung 24/7 mit Armbändern, hier zum Bei- spiel vom Schweizer Hersteller Aktiia

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Foto: Withings, aktikiia

Miniaturisierung

der Medizin

Die Medizin schrumpft: Geräte wandern von großen Laboren in kleine Hosen- und Handta- schen, immer mehr diagnostische Verfahren werden für medizinisch nicht speziell ausge- bildete Menschen zugänglich.

Elektrokardiogramm-Geräte sind aus der modernen Medizin nicht wegzudenken. Hinter dem typischen EKG-Bildschirm verbirgt sich eine kompli- zierte Technik und eine lange Entwicklungsgeschichte. Da beim EKG die elektrischen Aktivitäten des Herzmuskels gemessen werdem, war für Ent- wickler eine gute Leitfähigkeit von großer Bedeutung. Bei dem ersten EKG, entwickelt 1903 von Willem Einthoven, mussten die Patienten daher ihre Arme und Beine in Behälter mit einer Salzwasserlösung tauchen. Die Flüssigkeit leitete den Strom zu einem Bedientisch und konnte dort abgelesen werden. 1924 erhielt Einthoven für seine Entdeckung den Nobelpreis. Sein System war für den praktischen Gebrauch jedoch völlig ungeeignet. Es handelte sich um nahezu zimmergroße Maschinen, die zusammen mit ihren Hilfsaggregaten einige Hundert Kilogramm wogen und mehrere Assis- tenten zur Bedienung und Auswertung benötigten. Um beispielsweise bettlägerige Patienten zu untersuchen, mussten bis zu zwei Kilometer lange elektrische Leitungen von Einthovens Labor in das Krankenzimmer verlegt werden.

Die rasante Entwicklung in der Elektrotechnik führte zu stetigen Verbesserungen. Zuerst fielen die Salzwasserbehälter weg, dann wurden die Ana- lyse- und Bediengeräte immer kleiner und praktischer. Daher konnte auch ein EKG-Gerät für den mobilen Einsatz wie zum Beispiel in Rettungswä- gen entwickelt werden. Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern lassen sich so erkennen und mit einem Defibrillator behandeln.

Die vorerst letzte Entwicklungsstufe ist der implantierbare Herzmonitor. Das Gerät in Größe eines USB-Sticks wird bei lokaler Betäubung unter die Haut geschoben und kann die Herzaktivitäten bis zu drei Jahre 24 Stunden am Tag überwachen. Inzwischen hat das EKG sogar den rein medizini- schen Bereich verlassen und wird von Profi- und Hobbysportlern als Smartwatch am Handgelenk getragen. Aus dem tischgroßen Gerät mit spezi- ellen Wasserkanistern ist ein Alltagsgegenstand geworden, mit dem Sportbegeisterte ihr Training optimieren.


Von der Pumpe zum Armband

Bluthochdruck bleibt oft viele Jahre unerkannt, weil er keine Beschwerden verursacht. Daher ist eine regelmäßige Messung umso wichtiger. Ein Blick zurück zeigt, dass auch das früher gar nicht so einfach war. Bei der ersten Blutdruckmessung 1713, die an einem Pferd vorgenommen wur- de, musste die Vene mit einem senkrechten Glasrohr verbunden werden, in dem das Blut anstieg. Anhand der Höhe konnte dann der Blutdruck berechnet werden. Allerdings diente das Verfahren rein wissenschaftlichen Zwecken, die Tiere überlebten die Untersuchung nicht. Eine Anwen- dung am Menschen war daher nicht möglich. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erstmals unblutige Verfahren entwickelt, zunächst allerdings ohne genaue Werte: Die Ausschläge des Pulses am Handgelenk wurden mechanisch an einen Stift übertragen und auf Papier aufgezeichnet. Der endgültige Durchbruch in der Blutdruckmessung kam dann mit der aufblasbaren Manschette, die von Scipione Riva-Rocci, einem italienischen Arzt, entwickelt wurde und mittlerweile Standard ist.

Doch auch die Blutdruckmanschette ist nicht frei von Problemen und Anwendungsschwierigkeiten. So führt der „Weißkitteleffekt“ dazu, dass bei Patienten in Anwesenheit eines Arztes der Blutdruck steigt – was jedoch nur an der ungewohnten Untersuchungssituation liegt. Auch eine Erfas- sung des Blutdrucks über einen längeren Zeitraum hinweg ist schwierig, da die Messungen von den Patienten eigenständig vorgenommen werden müssen. Um die letzten Probleme zu beseitigen, hat zum Beispiel das Schweizer Start-up Aktiia ein Armband entwickelt, das rund um die Uhr den Blutdruck misst. Damit ist erstmals eine umfassende, alltagstaugliche Methode zur Blutdruckmessung verfügbar.


Von Radio-Größe zum implantierten Sensor

Für Millionen von Diabetespatienten ist eine regelmäßige und unkomplizierte Blutzuckermes- sung nicht mehr wegzudenken. Mit moderner Technik sind eine ständige Überwachung und eine Anpassung der Medikation möglich. Doch das war nicht immer so. Im antiken Griechen- land war Diabetes bereits bekannt und wurde umfassend beschrieben. Erhöhte Zuckerwerte ermittelte man durch eine Geschmacks- oder Geruchsprobe des Urins. Die Methode fand noch bis Ende des 19. Jahrhunderts Anwendung. Dass die Zuckerausscheidung durch ei- nen hohen Blutzuckerspiegel verursacht wurde, war jedoch nicht bekannt. Dieser Zusam- menhang wurde erst 1900 entdeckt. Nun konnte durch die chemische Analyse einer Blutpro-

be der Blutzuckerspiegel bestimmt werden. Benötigt wurden 250 Milliliter Blut, ein entsprechendes Labor und einige Zeit. Daher konnten die Mes- sungen nur in größeren Intervallen durchgeführt werden, was die richtige Insulindosierung stark erschwerte. Als Ende der 1960er-Jahre dann die ersten kompakten Messgeräte entwickelt wurden, konnten Ärzte immerhin die Messung selbst durchführen. Doch die Geräte waren teuer und hat- ten die Größe eines Radios und waren damit für den Alltag wenig handlich. Eine Revolution war daher die Erfindung von handlichen Messgeräten zum Selbsttest. Inzwischen werden diese Geräte durch eine neuen Generation abgelöst: Sensoren im Unterhautfettgewebe messen fortlaufend den Blutzucker und übertragen die Werte direkt auf das Smartphone. Eine neue Funktion ist dabei besonders wichtig: Bei einer gefährlichen Ver- änderung der Blutzuckerwerte gibt das Gerät automatisch einen Alarm an den Träger.


Vom Krallenfrosch zum Selbsttest

Die Beantwortung der Frage, ob eine Frau schwanger ist, wurde im Laufe der Geschichte mit verschiedenen Methoden ausprobiert – manche da- von muten absurd an. Die ersten Schwangerschaftstests wurden in der Antike entwickelt. Den Frauen wurde dabei eine Mischung aus Bier und Datteln verabreicht. Übergab sich die Frau, galt sie als schwanger. Auch der Zwiebel-Test, der bis in das 18. Jahrhundert angewandt wurde, war nicht zuverlässiger. Dabei steckte sich die Frau abends eine Zwiebel in die Vagina. War am nächsten Morgen kein Mundgeruch feststellbar, ging man davon aus, dass ein Kind im Mutterleib die Dünste absorbiert hatte. Im Gegensatz dazu funktioniert eine Methode aus dem alten Ägypten auch nach heutigen Maßstäben überraschend gut: das Getreidepinkeln. Bei Verdacht auf Schwangerschaft urinierte die Frau auf einen Weizen- oder Gerstenkorn. Bei schwangeren Frauen keimte das Getreide auf. Das Schwangerschaftshormon im Urin sorgt dafür, dass der Weizen deutlich häufiger keimt als bei Nicht-Schwangeren.

Auf dem Schwangerschaftshormon basierte auch der Froschtest, der bis in die 1960er ange- wandt wurde. Dafür wurde einem afrikanischen Krallenfrosch Urin oder Blutserum injiziert. Laichte der Frosch, war die Frau schwanger.

Ende der 1970er-Jahre kamen die ersten Selbsttests auf den Markt und stießen auf heftige Kritik, denn man traute Laien die Durchführung des Testes nicht zu und es wurde eine Selbst- mordwelle unverheirateter, schwangerer Frauen befürchtet. Die Markteinführung zog sich da- her über zehn Jahre hin, so dass der erste Test 1980 in den Handel kam.


Vom Labor in den Drogeriemarkt

Anfang der 1980er-Jahre schürte die Ausbreitung der Autoimmunerkrankung AIDS Ängste

vor einer globalen Ausbreitung. Besonders tückisch an der Krankheit war die schwierige Diagnose: Bei den ersten aufgetretenen Fällen konnten die Ärzte nur die offensichtlichen Symptome behandeln, ohne zu wissen, dass ein Virus das gesamte Immunsystem der Patienten schwächte. Die Diagnose AIDS konnte daher erst dann gestellt werden, wenn die sich die Patienten mit eindeutigen Folgeerkrankungen Jahre nach der Infektion medizinische Hilfe suchten. Als Forscher 1983 den Erreger identifizieren konnten, bedeutete das zunächst einen gewaltigen Fortschritt. Ab 1987 wurden die ersten Medikamente zugelassen, die den Verlauf der Erkrankung zumindest verzögern konnten.

Der HIV-Test ermöglichte betroffenen Personen zwar ein großes Stück Klarheit, war jedoch auch mit einigen Problemen behaftet. Das „diagnosti- sche Fenster“ betrug zwölf Wochen, eine Infektion blieb also bis zu drei Monate nach der Ansteckung unerkannt. Bei einem Risikokontakt war eine schnelle Überprüfung nicht möglich, sondern erforderte eine von Unsicherheit und psychischer Belastung geprägte Wartezeit. Dank neuester Ent- wicklungen in der Diagnosetechnik konnten hier jedoch bedeutende Fortschritte erzielt werden. Seit 2015 ist eine Infektion dank verbesserter Aus- wertungsverfahren bereits nach sechs Wochen nachweisbar. Ein PCR-Test, der das Virus selbst und nicht die Antikörper nachweist, kann schon nach zwei Wochen eine Infektion bestätigen. Mittlerweile sind auch hier „Wohnzimmer“-Testkits aus Drogeriemarkt oder Apotheke verfügbar.


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