Insgesamt 23 Publikationen mit über 500 Personen, inklusive Jugendliche, beschreiben die Wirkung von CBD auf verschiedene Angstzustände, Panikattacken und posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD). In Versuchsan- ordnungen wurde CBD als Einzel-dosis (SD) in Kapselform zwischen 100 mg and 900 mg verabreicht, meist zwi- schen 300 und 600 mg. Unter „Real World“-Behandlungsbedingungen wurden Besserungen der Angstparameter bei Dosierungen zwischen 25 und 800 mg/Tag, meist zwischen 100 mg und 600 mg/Tag beobachtet, wobei aber die Reinheit bzw. exakte Zusammensetzung des verwendeten Produkts häufig unklar war. Die Behandlungsdauer mit CBD dauerte zwischen vier Wochen und fünf Monaten. Reines CBD ist in der Regel deutlich besser verträglich als andere Therapeutika und kann parallel zu einer bestehenden Medikation verabreicht werden.
Angststörungen, als Sammelbegriff, lassen sich grob in diffuse, unspezifische Ängste ohne eigentliche Auslöser und Phobien einteilen. Im Gegensatz zu un- spezifischen Ängsten sind Phobien auf konkrete Dinge, Situationen oder Räumlichkeiten ausgerichtet (zum Beispiel Tiere, Menschen, Transportmittel oder Platzmangel). Generelles Merkmal ist eine exzessive, übertriebene Angstreaktion beim Fehlen einer tatsächlichen äußeren Bedrohung. Angstzu- stände lassen sich vom Betroffenen nicht kontrollieren. Sie erzeugen, insbe- sondere bei Auftreten körperlicher Symptome, einen beträchtlichen Leidens- druck. Begleiterkrankungen wie Panikattacken sind relativ häufig. Phobische
Störungen sind die weitaus häufigsten psychischen Angsstörungen mit einer Prävalenz von 6 - 12 %, gefolgt von unspezifischen Ängsten und post-traumatischem Stress. Streng genommen zählen posttraumatische Belastungsstörung (post-traumatic stress disorder, PTSD) und Zwangsstö- rungen (obsessive-compulsive disorders, OCD) nach der letzten Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (5th edition) nicht länger zu den Angststörungen.
CBD wirkt multimodal
Angst und chronischer Stress sind mit signifikant verringerten Spiegeln des Endocannabinoids Anandamid (AEA) im Amygdala-Hippocampus- Cortico-Striatum-Kreislauf verbunden (Neumeister et al., 2015; Ibarra-Lecue et al., 2018). Anxiogene Situationen können zur Freisetzung von AEA in der Amygdala führen, wobei AEA seinerseits emotionale Zustände beeinflußt. Cannabidiol (CBD) hemmt über die Interaktion mit der Fatty Acid Amid Hydrolase (FAAH) die Hydrolyse von AEA und zelluläre Aufnahme von AEA, was bedeutet, dass die Verabreichung von CBD die endogene AEA-Aktivität erhöht bzw. verstärken kann. Daher wurde spekuliert, dass AEA-Spiegel ein therapeutisches Ziel für anxiolytische Medikamente sein könnten. Darüber hinaus interagiert CBD mit mehreren Rezeptoren sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem, von denen bekannt ist, dass sie Furcht und Angst regulieren. Zu diesen gehören der Serotonin-5-HT1A-Rezeptor, die CB1- und CB2-Rezeptoren und der transiente Rezeptorpotential-Vanilloid-Typ-1-Kanal (TRPV1). Während CBD ein Agonist des 5-HT1A-Rezeptors und des TRPV1-Jonenkanals ist, zeigt es keine nennenswerte Bindung an die klassischen Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2. Gegenüber CB1 verhält sich CBD jedoch als negativ allosteri- scher Modulator, d.h. CBD verändert das Bindungsverhalten von Substanzen, die an CB1 andocken. CBD scheint also über mehrere Mechanis- men zu wirken.
CBD wirkt bei einem breiten Spektrum von Angsstörungen
Auch wiederholter Stress zählt zu den Umweltfaktoren, die psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände sowie kognitive Beein- trächtigungen auslösen und verschlimmern. Es scheint, dass CBD das Angstgedächtnis bzw. übermäßige Wiederaufflackern des erlebten trauma- tischen Ereignisses (z. B. bei PTSD-Patienten) abschwächen und gleichzeitig dessen Auslöschen erleichtern kann (Das et al., 2013; Lee et al., 2017; Bitencourt, Takahashi 2018). Die anxiolytische Wirkung von CBD scheint jedoch, sobald sich Patienten mit PTSD an das auslösende Ereig- nis erinnern, auch von der Art des Traumas abzuhängen. In einer Single-Dose-(SD)-Studie schwächte CBD (300 mg) Angstsymptome nach einem nicht-sexuellen Trauma ab, nicht hingegen nach einem sexuellen Trauma (Bolsoni et al., 2022). Dies steht jedoch im Gegensatz zu einer therapeu- tischen Beobachtung an einem zehnjährigen Mädchen (anamnestisch sexueller Missbrauch), das eine markante psychische Besserung nach ei- ner mehrwöchigen Therapie mit ca. 1 mg CBD/kg aufwies (Shannon 2016). Blutspiegel von CBD sind nach wiederholter Verabreichung anders als nach einer Single Dose, was möglicherweise bei der Wirkung eine Rolle spielt. Insgesamt beschreiben bisher 23 Publikationen mit 538 Personen die Wirkung von CBD auf verschiedene Angstzustände. In 16 Studien wurde CBD als Single Dose (SD), meist als Kapsel in einer Dosis zwischen 100 und 900 mg verabreicht, als Inhalation auch niedriger; diese Studien hatten primär einen experimentellen Charakter zeigen aber, dass CBD anxiolytische Effekte aufweist. In sieben Studien wurde CBD mit einem therapeutischen Ziel verabreicht; allerdings war der Reinheitsgrad des ver- wendeten Produkts sowie die exakte Formulierung häufig unklar, was Auswirkungen auf die Dosis haben kann.
Markante klinische Besserung auch bei Therapieresistenz
Nachstehend wird über eine unlängst publizierte australische Studie mit extrem reinem CBD (Reinheitsgrad >99,9 %, Fa. Trigal Pharma GmbH, Wien) berichtet (Berger et al., 2022).
Insgesamt 31 Patienten im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren erhielten zwölf Wochen lang CBD in Kapselform; die Dosis wurde in Schritten von 200 mg, von 400 mg (Woche 1) auf 800 mg/Tag (Woche 8) entsprechend dem Ansprechen gesteigert. Alle Patienten hatten eine DSM-5-Angststö- rung bei fehlender klinischer Besserung trotz Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie und/oder Antidepressiva. Die mediane Dauer der vor- herigen Angstbehandlung betrug 25,5 Monate. Die Begleittherapie musste mindestens über sechs Wochen stabil sein, bevor CBD verabreicht wurde. Selektive Serotonin Reuptake Inhibitoren gelten als Therapie erster Wahl bei Angststörungen, erzielen aber nur bei etwa 55 - 60 % der Ju- gendlichen eine Remission.
Das primäre Ergebnis dieser offenen Studie war die Verbesserung des Schweregrads der Angst, gemessen mittels Overall Anxiety Severity and Impairment Scale (OASIS), in Woche 12. Sekundäre Parameter waren komorbide depressive Symptome, der Score der Clinical Global Impression Scale (CGI) und soziale sowie berufliche Funktionen (Social and Occupational Functional Assessment Scale, SOFAS). Insgesamt 19 von 30 Pati- enten beendeten die Woche 12 mit der maximalen Dosis von 800 mg/Tag, zehn erhielten 600 mg/Tag und ein Patient 400 mg/Tag. Zwei Patienten beendeten die Studie vorzeitig.
Die mittleren OASIS-Scores sanken um 42,6 % von 10,8 zu Studienbeginn auf 6,3 in Woche 12 (p< 0,0001). Patienten, denen keine Antidepressiva parallel verschrieben wurden, hatten eine signifikant stärkere Verringerung des OASIS-Scores; jene mit zusätzlichen Antidepressiva hatten sich zwar ebenfalls signifikant verbessert, aber weniger ausgeprägt. Die depressiven Symptome nahmen ebenfalls signifikant ab. Die Werte der CGI- Schweregrad Skala sowie der Social and Occupational Functional Assessment Scale (SOFAS) verbesserten sich ebenfalls signifikant.
Nebenwirkungen mit einem möglichen Zusammenhang wurden von 19 von 31 Patienten berichtet und umfassten Müdigkeit, schlechte Laune, ge- steigerten oder verminderten Appetit, Schläfrigkeit, Übelkeit, Durchfall, Mundtrockenheit, Schlaflosigkeit, Hitzewallungen oder Schüttelfrost sowie einen Fall mit Hautausschlag (vorzeitig ausgeschieden).
Sie verschwanden noch während der Studie spontan. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse auf. Es wurden auch keine Ver- änderungen der Laborparameter insbesondere von Leberfunktionsparameter beobachtet. Patienten, die gleichzeitig Antidepressiva erhielten, be- richteten jedoch häufiger über Nebenwirkungen. Eine post-hoc Analyse fand keinen Zusammenhang zwischen der Dosis (Plasmaspiegel) von CBD und dem Auftreten von Nebenwirkungen.
Zusammengefaßt zeigt sich, dass reines CBD in einer Dosierung von 600 bis 800 mg/Tag sowohl Angstsymptome als auch Begleitsymptome wie Depression oder gestörte soziale bzw. berufliche Funktionen signifikant verbessern kann.
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Literatur:
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Bitencourt RM, Takahashi RN. Cannabidiol as a therapeutic alternative for post-traumatic stress disorder: From bench research to confirmation in human trials. Front Neurosci. 2018;12:502. doi: 10.3389/fnins.2018.00502.
Bolsoni LM, Crippa JAS, Hallak JEC, et al. The anxiolytic effect of cannabidiol depends on the nature of the trauma when patients with post-traumatic stress disorder recall their trigger event. Brazilian J Psychiatry 2022;44(3):298-307. doi:10.1590/1516-4446-2021-2317.
Das RK, Kamboj SK, Ramadas M, et al. Cannabidiol enhances consolidation of explicit fear extinction in humans. Psychopharmacol (Berlin) 2013;226(4):781-792. doi: 10.1007/s00213-012-2955-y.
Guimaraes FS, Chiaretti TM, Graeff FG, et al. Antianxiety effect of cannabidiol in the elevated plus-maze. Psychopharmacology (Berl). 1990;100:558–559.
Ibarra-Lecue I, Pilar-Cuellar F, Munguruza C, et al. The endocannabinoid system in mental disorders: Evidence from human brain studies. Biochem Pharmacol 2018;157:97-107. doi: 10.1016/j.bcp.2018.07.009.
Lee JLC, Bertoglio LJ, Guimares FS, Stevenson CW. Cannabidiol regulation of emotion and emotional memory processing: relevance for treating anxiety-related and substance abuse disorders. Br J Pharmacol. 2017;174(19):3242-3256. doi: 10.1111/bph.13724.
Neumeister A, Seidel J, Ragen BJ, et al: Translational Evidence for a Role of Endocannabinoids in the Etiology and Treatment of Posttraumatic Stress Disorder. Psychoneuroendocrinology. 2015;0:577–584.
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