Fotos: Wild und Team Salzburg, Sissy Furgler, istockphoto/ Phynart Studio

MEDIZIN | Diabetes

Diabetes mellitus:

Risikofaktor für Infektionen

Menschen mit Diabetes mellitus weisen ein erhöhtes Ri- siko für verschiedene

Infektionserkrankungen auf. Gleichzeitig gestaltet sich auch der Krankheitsverlauf häufiger komplizierter, in eini- gen Studien wurde zudem eine erhöhte Mortalität,

vor allem bei respiratorischen Infekten, beschrieben.

Die aktuelle Covid-19-Pandemie hat diese Vulnerabilität dahingehend wieder deutlich gezeigt. Die Ursachen für das erhöhte Infektionsrisiko sind mehr- schichtig. Einerseits ist eine Hyperglykämie mit einer reduzierten Immunantwort verbunden, andererseits bestehen auch häufig Komorbiditäten, die den Verlauf komplizieren oder sogar die Mortalität erhöhen können. Erschwerend kommt hinzu, dass es im Rahmen von Infektionen meist zu einer Verschlechterung der Glykämie kommt.


Signal-Erkrankungen geben Hinweise

Bei Menschen mit Diabetes mellitus kommen einige Infektionserkrankungen gehäuft vor, die bei nicht-diabetischen Personen nur sehr selten sind. Diese Er- krankungen werden als sogenannte Signal-Erkrankungen bezeichnet und füh- ren oftmals überhaupt erst zur Diagnose eines Diabetes. Zu diesen Signal-Er- krankungen zählen unter anderem die nekrotisierende Faszitis, das Fournier- Gangrän oder die sogenannte maligne (nekrotisierende) Otitis externa oder Mucormycosis. Abgesehen von diesen eher selten vorkommenden Erkrankun-

gen ist das Risiko auch für häufiger auftretende Infektionen bei Menschen mit Diabetes mellitus deutlich erhöht.

Dies betrifft vor allem Urogenitalinfektionen, Haut- und Weichteilinfektionen und Infektionen des unteren Respirationstrakts. Be- troffen vom erhöhten Infektionsrisiko sind sowohl Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 als auch Typ 2, wobei das Risiko, vor al- lem was Urogenital- und respiratorische Infektionen betrifft, bei Typ-1-Diabetes-mellitus höher zu sein scheint als bei Typ-2-Dia- betes-mellitus. Die Behandlung solcher Infektionen erfordert doppelt so häufig eine stationäre Aufnahme bei Menschen mit Dia- betes im Vergleich zu stoffwechselgesunden Menschen, was wiederum ein Beleg dafür ist, dass der Erkrankungsverlauf oftmals schwerwiegender ist.


Ursachen des erhöhen Infektionsrisikos

Eine schlechte glykämische Kontrolle ist mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Dies konnte für Menschen mit Typ-1-Dia- betes sowohl im DCCT als auch in der EDIC-Studie deutlich gezeigt werden.

Die Datenlage ist nicht so ausgeprägt für Menschen mit Typ-2-Diabetes-mellitus, allerdings zeigt sich auch in publizierten Kohor- tenstudien ein erhöhtes Risiko, vor allem für Harnwegsinfektionen, Pilzinfektionen und respiratorische Infekte bei Menschen mit höherem HbA1c-Wert im Vergleich zu Patienten mit guter glykämischer Kontrolle. Erklärt wird der Zusammenhang dadurch, dass eine Hyperglykämie mit einer verminderten Degranulation von Neutrophilen und einem veränderten Zytokin- und Chemo- kinexpressionsmuster verbunden ist. Zusätzlich findet sich bei Hyperglykämie eine verminderte Phagozytenfunktion von Mono- zyten und eine verminderte Komplementaktivierung. Für komplikationsbehaftete Verläufe werden vor allem Veränderungen so- wohl in der angeborenen als auch der erworbenen Immunität bei Menschen mit Diabetes mellitus vermutet. Auch die häufig vor- handenen Komorbiditäten tragen zum erhöhten Infektionsrisiko bei: Das Vorliegen einer diabetischen Neuropathie kann zum Bei- spiel das Auftreten von Haut- und Fußinfektionen begünstigen.


Relevanz im klinischen Alltag

Akute Infektionen führen aufgrund einer Stressreaktion zu einer verminderten Insulinsensitivität und erhöhen damit das Risiko für eine Hyperglykämie. Üblicherweise kommt es bei Insulin-behandelten Patienten zu einem Anstieg des Insulinbedarfs, bei Patien- ten unter oraler antidiabetischer Therapie zeigen sich deutlich erhöhte Blutzuckerwerte. Für Insulin-therapierte Patienten bedeu- tet dies, dass die Insulindosis in der Regel gesteigert werden muss. Für Menschen mit Typ-1-Diabetes und Insulinpumpenthera- pie besteht die Möglichkeit, die Insulinabgabe durch eine temporäre Steigerung der Basalrate zu erhöhen. Bei Patienten mit Ba- sis-Bolus-Therapie oder Basal-unterstützter Therapie kann eine Steigerung der Basalinsulindosis notwendig sein. Bei längeren Nüchternphasen sollte das prandiale Insulin pausiert werden, die Basalinsulintherapie sollte aber fortgeführt werden. Dies gilt auch für Patienten mit Mischinsulintherapie, bei denen eine Umstellung auf ein NPH-Insulin oder Basalinsulinanalogon erforder- lich sein kann. Für alle Therapieformen gilt jedenfalls, dass der Blutzucker vermehrt kontrolliert werden sollte. Nicht nur die In- sulintherapie, sondern auch die orale antidiabetische Therapie sollte bei akuten Infektionen evaluiert werden.

Metformin und SGLT-2-Inhibitoren sind sogenannte Sick Day Pills, das heißt, sie sollten bei schwereren Infektionen pausiert wer- den. Bei Nahrungskarenz sollten auch Sulfonylharnstoffe aufgrund des Hypoglykämierisikos abgesetzt werden.


Prävention von Infektionen

Studien belegen, dass eine gute glykämische Kontrolle mit einem verminderten Risiko für Infektionen verbunden ist, sodass eine gute Blutzuckerkontrolle auch zur Vermeidung von Infektionen angestrebt werden sollte. Zusätzlich gelten spezielle Impfempfeh- lungen für Menschen mit Diabetes, da sie besonders gefährdet sind für respiratorische Infektionen. Dies betrifft einerseits die Pneumokokkenschutzimpfung (sequentielle Impfung PNC13 und nach acht Wochen PPV23, Wiederholung der Impfserie alle sechs Jahre), andererseits auch die jährliche Influenzaimpfung.