MEDIZIN | Allergie

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Frühlingszeit

ist Pollenzeit

Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist Jahr für Jahr ab Frühlingsbeginn von den glei- chen Symptomen betroffen: Die Nase rinnt, die Augen jucken, oder es kommt zu anfallsartig auftretender Atemnot. Die Pol- lensaison hat begonnen!

AUTORIN:

Dr. Ulli Enzenberg

Gesund in Schönbrunn

enzenberg@gesundinschoenbrunn.at

www.gesundinschoenbrunn.at


Schon 30–50 Pollen pro Kubikmeter (abhängig von der jeweiligen Pflanze) rei- chen aus, um allergische Reaktionen auszulösen, wenn sie über die Atemluft an die Schleimhäute gelangen. Das Immunsystem reagiert mit der Bildung spezifi- scher IgE-Antikörper, die sich an den Mastzellen festsetzen und in der Folge zur Freisetzung von Mediatoren wie Histamin, Leukotrienen, Prostaglandinen, zyto- toxischen Proteasen oder Zytokinen führen. Das klinische Bild entspricht einer allergischen Soforttyp-Reaktion, wobei innerhalb weniger Minuten Schleimhaut-

schwellung und Sekretproduktion an Augen, Nase oder Lunge auftreten.


Verlängerung der Blühperiode

In den letzten 30 Jahren hat die allergene Potenz vieler Pflanzen zugenommen, eine Veränderung, die unter anderem auf Klimaveränderungen mit zunehmender Erwärmung zurückzuführen ist. Der Beginn der Blütezeit ist starken Schwankungen unterworfen. Belastungen durch Erlen- und Ha- selpollen treten oft schon im Jänner auf, sobald die Temperaturen deutlich über 5 °C liegen. Durch die Erderwärmung oder die zusätzliche Pflan- zung winterharter Bäume (z. B. Purpurerle) ist eine Verschiebung der Pollensaison zu bemerken: Sie startet früher, oft noch im kalendarischen Win- ter. Ab Anfang April beginnt die Birkenblüte in Mitteleuropa, wobei eine intensive Belastung bereits bei Temperaturen über 15 °C auftritt. Ist das Wetter anhaltend warm und trocken, ist die Blütezeit kürzer. Messungen des Pollenwarndienstes zeigen, dass es zu einem Wechsel von starken und schwachen Blühjahren kommt. Gleichzeitig mit der Birke treten die Pollen von Hainbuche und Esche auf, gefolgt von Eiche und Platane. Im Mai und Juni blühen im Gebiet der Zentralalpen Grün-Erlen vor allem an der Waldgrenze. Die Blüte der Edelkastanie beendet die Baumpollensai- son im Südosten.

In Mitteleuropa führen Gräserpollen, die den Höhepunkt ihrer Blütezeit Anfang Juni haben, am häufigsten zu einer Pollenallergie. Pollenbelastun- gen treten von Mitte Mai bis August auf. Besonders die Pollen der hohen Futtergräser wie Lieschgras, Knäuelgras oder Glatthafer finden sich in ho- her Konzentration in der Atemluft, während die Pollen der niedrig wachsenden Gräser in geringerer Konzentration vorkommen.

Ragweedpollen stellen eine relativ neue Herausforderung dar, da sie zu den starken Allergieauslösern zählen, die rasch die unteren Atemwege be- treffen und Asthmaanfälle auslösen. Mittlerweile sind etwa 35 % der Patienten in Ostösterreich mit diesem inhalativen Allergen sensibilisiert, wobei häufig zugleich eine Allergie auf Beifußpollen besteht. Regulatorische Maßnahmen, um die Ausbreitung des Unkrautes zu verhindern, sind zielfüh- rend und erforderlich.


Pollenassoziierte Kreuzreaktionen beachten

Kreuzreaktionen bestehen zwischen verwandten Baum- oder Gräserpollen oder als pollenassoziierte Nahrungsmittelintoleranzen. Wegen einer ho- hen Ähnlichkeit im Hauptallergen besteht diese vor allem zwischen Birke und Erle, Hasel, Buche sowie Eiche oder zwischen Beifuß und Ragweed. Zusätzlich leiden Birkenallergiker häufig unter Fließschnupfen und Schleimhautreizungen im Rachen durch Kern- und Steinobst sowie durch (Ha- sel-)Nüsse, gelegentlich durch exotische Früchte wie Litschi, Kiwi und Avocado. Mehlstaub kann bei Gräserallergikern vermehrt Asthmaanfälle auslösen. Reaktionen auf Sellerie, Karotte, Fenchel, Gewürze und Kräuter können bei allen Pollenallergikern als Kreuzreaktionen auftreten.


Unvermeidliche Allergikerkarriere?

Die erste Manifestation der Pollenallergie tritt noch immer am häufigsten zwischen dem 10. und dem 25. Lebensjahr auf, kann aber bereits im Vor- schulalter oder auch in späten Lebensjahren erstmalig einsetzen. Bei einer Vielzahl der Allergiker kommt es im Laufe der Zeit zu einer Ausweitung des Sensibilisierungsspektrums und zum Auftreten von Polyallergien.

Genetische Disposition und Umweltfaktoren werden ebenso als Auslöser diskutiert. Studien belegen, dass die Reduktion frühkindlicher Infekte durch Hygienemaßnahmen einerseits, das Aufwachsen in Kleinfamilien und durch bauliche Maßnahmen wie luftdichte Innenräumen andererseits sowie eine Zunahme von Umweltgiften, Duft- und Feinstaubbelastung sowie Nikotin das Entstehen von Allergien begünstigen.


Alarmsignale – Prävention

Die Diagnose einer Pollenallergie kann häufig bereits aufgrund der Anamnese gestellt werden, wenn sich die typischen Anzeichen einer saisona- len Rhinokonjunktivitis oder Atemnot bzw. Asthma zeigen. Bei Aufenthalten in blühenden Wiesen kann vor allem an heißen Sommertagen zusätzlich eine sogenannte Photodermatitis entstehen. Aber auch bei rezidivierenden Infekten zur gleichen Jahreszeit, bei wiederholt auftretender Mittelohr- entzündung oder bei anhaltender Behinderung der Nasenatmung kann es sich um Anzeichen einer Allergie handeln.

Die Vermeidung oder Verringerung des Kontaktes mit den Allergieauslösern ist immer das primäre therapeutische Ziel, aber gerade bei Pollenaller- gien nicht immer einfach. Die Planung von Aktivitäten im Freien gehört ebenso dazu wie die Urlaubsplanung nach dem Pollenflugkalender. Richti- ges Lüften sowie Kleiderwechsel, Duschen und Haarwäsche vor dem Zubettgehen sind empfehlenswert.


Symptome behandeln und Immuntherapie

Um den Übergang von einer Rhinokonjunktivitis zu Asthma bronchiale zu verhindern, sind adäquate und frühzeitige therapeutische Maßnahmen sinnvoll. Dabei ist es wichtig, in der Aufklärung darauf hinzuweisen, dass oftmals mehrere Medikamente symptomorientiert kombiniert werden müs- sen. H1-Blocker der neuen Generation (Desloratadin, Levocetirizin, Terfenadin, Azelastin) zeichnen sich durch eine gute Wirksamkeit und geringe Nebenwirkungsrate aus, können langfristig verabreicht werden und zeigen meist eine 24-Stunden-Wirkung. Fallweise verbessert eine zweimal täg- liche Einnahme die Wirksamkeit.

Für die Lokaltherapie an Augen und Nase kommen ebenfalls H1-Rezeptorblocker oder – je nach Intensität der Symptome – topische Steroide zur Anwendung. Fluticason oder Budesonid werden als Inhalatoren zur Behandlung bronchialer Reizungen bzw. Asthma verabreicht. Wichtig ist die konsequente Anwendung bereits zu Beginn der Blühphase, da die Wirksamkeit auf der gering bis mäßig irritierten Schleimhaut rascher einsetzt und das Freisetzen der Mediatoren aus den Mastzellen frühzeitig blockiert wird. Daraus resultiert zusätzlich ein protektiver Effekt auf den Etagen- wechsel, der bei unbehandelten Pollinosen häufig zur Folgeerkrankung allergisches Asthma bronchiale führt.

Mit SIT (spezifische Immuntherapie) und SLIT (sublinguale Immuntherapie) stehen zwei Anwendungen für die Praxis zur Verfügung. Im Gespräch

mit Allergikern muss individuell geklärt werden, welche Therapieform ge- wählt wird. Die SIT wird in Form von subkutanen Injektion verabreicht, wobei sowohl präsaisonale als auch ganzjährige Allergieimpfungen möglich sind. Eine SLIT in Tropfenform oder mit löslichen Tabletten für die sublinguale Einnahme ist besonders für Kinder oder Menschen mit Zeitnot bzw. Spritzenangst geeignet, eine durchgehende Behandlung über drei Jahre ist anzustreben. Hohe Wirksamkeit und gute Verträglich- keit sowie geringe Nebenwirkungen kennzeichnen alle zugelassenen Allergieimpfstoffe.

Tipps für die Praxis

• Auslöser meiden – Symptome behandeln – Immuntherapie

• Frühzeitige Diagnose und rascher Behandlungsbeginn

• Konsequente Anwendung der Allergiemedikamente, um anhaltende Be- schwerden bzw. den Etagenwechsel von den oberen in die unteren Atem- wege zu verhindern