MEDIZINPRODUKTE | Screening 

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Für einen guten Start

Seltene Erkrankungen werden bei rund 100 Babys jährlich diagnostiziert. Das Österreichische Neugeborenen-Scree- ning (ÖNGS) eröffnet betroffenen Kindern die Chance auf frühzeitige Diagnose und Therapie.

Vom adrenogenitalen Syndrom bis zur zystischen Fibrose reicht die Liste der seltenen Erkrankungen, die im Rahmen des ÖNGS erfasst werden. „Es handelt sich überwiegend um angeborene Stoffwechsel- und Hormonstörungen, die unerkannt und unbehandelt zu schweren Fehlfunktionen der Organe, metabolischen bzw. hormonellen Entgleisungen und frühem Ableben führen würden“, erklärt Prof. Dr. Susanne Greber-Platzer, Leite- rin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde von MedUni Wien und AKH Wien sowie Verantwortliche des Screening-Programms.

Das ÖNGS ist eines der umfassendsten Vorsorgeprogramme in Europa und wird seit 1966 an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkun- de durchgeführt. Im Rahmen dieses Programms werden jährlich fast 90.000 Babys auf seltene angeborene Erkrankungen untersucht. Die Liste der gescreenten Erkrankungen wird kontinuierlich erweitert: Erst im Juni 2021 wurden aufgrund aktueller Therapie-Entwicklungen schwere ange- borene Immundefekte und die spinale Muskelatrophie in das Programm aufgenommen. Spinale Muskelatrophie ist eine seltene Krankheit des Ner- vensystems, die unbehandelt zu fortschreitenden Lähmungen mit Muskelschwund und in schweren Fällen rasch zum Tod führt. Bisher wurde im

Rahmen des ÖNGS bei zehn Kindern der Verdacht auf diese Erkrankung gestellt. „Die Hälfte von ihnen wurde nach positiver Bestätigungsdiagnostik mittels Genersatztherapie erfolgreich behandelt“, sagt Greber-Platzer.


Wenige Blutstropfen genügen

Auch wenn bei seltenen Erkrankungen keine Heilung erzielt werden kann, so werden durch eine frühzeitige Be- handlung in den meisten Fällen Spätfolgen verhindert oder zumindest gemildert. Für die kostenlose Teilnahme am Neugeborenen-Screening genügen wenige Blutstropfen, die dem Kind 36 bis 72 Stunden nach der Geburt durch einen kleinen Stich in die Ferse entnommen werden. Nach der Blutanalyse und einem positiven Ergebnis wird un- mittelbar mit den Eltern zum vorliegenden Verdacht einer Erkrankung Kontakt aufgenommen, um weitere Schritte zur Bestätigung der Diagnose und adäquaten Betreuung des Kindes einzuleiten. „Zur Bündelung der Expertise für seltene Erkrankungen dienen fächerübergreifende Abstimmungen von Spezialisten zu weiterführenden Untersu- chungen und Therapien, um eine bestmögliche Betreuung der betroffenen Kinder zu erzielen. Insgesamt konnten wir seit Bestehen des Österreichischen Neugeborenen-Screenings bereits mehr als 4.000 Kindern zu einem besse- ren Start ins Leben verhelfen“, fasst Greber-Platzer die Erfolgsgeschichte des Programms zusammen.


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Forschung für seltene Erkrankungen

Seltene Erkrankungen, deren Diagnose und personalisierte Therapiemöglichkeiten spielen an der MedUni Wien auch in der Forschung eine wichtige Rolle. Seit Beginn des ÖNGS werden angeborene Erkrankungen als Folge des technischen Fortschrittes und aktueller Therapie-Entwicklungen anhand geltender Kriterien evaluiert und in das Programm implementiert. Die Forschung auf dem Gebiet der seltenen Erkrankungen wurde hinsichtlich Kompetenzen und Ressourcen verschiedener Fachbereiche schwerpunktmäßig im Center of Rare and Undiagnosed Diseases (CeRUD) der MedUni Wien und des Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Österrei- chischen Akademie der Wissenschaften gebündelt. Die Forschung in den Spezialbereichen der Universitätskliniken von MedUni Wien und AKH Wien ist international im Rahmen der „European Reference Networks for Rare Diseases“ vernetzt.

neugeborenenscreening.at