GVA & Kur | Kommentar

Wann, wenn nicht jetzt?

Kuranstalten sind aktuell ein Hochsicherheitstrakt. Dennoch nimmt die Frequenz der Zuweisungen ab – das geht zulasten der Patienten.

„Schön, dass ich wieder bei euch bin“ – das hört man als Kurarzt häufig bei der Begrüßung von Patienten, die bereits vor Jahren auf Kur waren und nun wieder ein Heilverfahren antreten. Die Untersuchung zeigt dann, dass Status und Befund gleich, wenn nicht schlechter geworden sind als in den Vorjahren. Darauf angesprochen hören wir die bekannte Geschichte: Ja, zunächst war man zu Hause aktiv, dann aber ist die Aktivität wieder eingeschlafen, insbesondere weil man nicht mehr genau gewusst habe, wie man die Übungen oder das Training macht oder die Diäten einhält oder, oder … Es hat an Konsequenz und Nachbetreuung gemangelt, weshalb eine Auffrischung jetzt sehr sinnvoll ist.

In den Kurorten selbst und in den Vertragsanstalten der Sozialversicherungen ist seit der Einführung der GVA die Prävention ein zentrales Thema geworden. Patienten lernen, was sie für sich selbst tun können, jenseits medizinischer Maßnahmen. Das hat sich bewährt, denn die Nachbetreu- ung ist ohnehin in Österreich leider nicht flächendeckend gegeben, das ist nichts Neues.

Neu seit März 2020 ist allerdings, dass physikalische Therapien und eine Nachbetreuung – soweit vorhanden – im Rahmen der noch bestehenden Pandemie nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt möglich waren. Arztbesuche sind zurückgegangen, Impfungen fallen aus, Vorsorge- und Kon- trolluntersuchungen stagnieren, um nur einige Beispiele zu nennen. Das kann nicht guttun.

Die Pandemie hat im März 2020 auch im Bereich der Kuranstalten zu einem abrupten Wechsel des Tagesgeschehens geführt. Die Patienten wur- den nach Hause geschickt, die Anstalten waren gesperrt. Langsam wurde dann wieder mit dem Neubeginn der Kur und GVA begonnen. Alles ist gut vorbereitet, nur die Patienten bleiben aus. Auch das kann nicht guttun.

Das betrifft im Gasteinertal zum Beispiel Patienten mit rheumatischen Erkrankungen. Die Radonthermaltherapie führt bei dieser Personengruppe zu einer nicht unwesentlichen Verbesserung im Befinden und auch im Medikamentenkonsum. Da sich die GVA mit dem natürlichen Heilvorkommen sehr gut kombinieren lässt, haben die Aufenthalte sehr gut geholfen. Patienten mit nicht-rheumatologischen Diagnosen freuen sich, wieder eine Kur/GVA mit dem natürlichen Heilvorkommen, im Gasteiner Fall mit den Radonthermal-Anwendungen, machen zu können, da „die Kur einfacher besser wirkt“. Auch von anderen Kurorten ist Ähnliches zu hören. Bei denen, die jetzt nicht kommen, fallen aber die natürlichen Heilvorkommen in kurmäßiger Anwendung weg. Das wird vermutlich nicht guttun.

Auch die Prävention fällt weg: Im Rahmen einer GVA kommt es zu regelmäßigen Schulungsmaßnahmen zu Ernährung, Rauchstopp, Lebensfüh- rung oder richtigem Heben und rückenschonendem Verhalten bei Indikationen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie psychologischen Tipps. Diese Maßnahmen bedürfen, wie alles, was man lernt, einer regelmäßigen Wiederholung. Patienten, die vor Jahren auf Kur waren und jetzt zur GVA wiederkommen, sind angetan von dem Schulungsprogramm, denn das gab es früher ja so nicht. Man beteuert aber gleichzeitig, dass es schade ist, wenn man die Sachen wieder vergisst, auch wenn man sehr bemüht ist und eventuell durch Reminder unterstützt wird. Die Berufsgrup- pe der Pädagogen bestätigt, dass ein Präsenzunterricht wirkungsvoller als Fernlehre ist. Wenn jemand nicht zur GVA kommt, dann fällt auch diese Auffrischung weg. Das kann auch nicht guttun.

Man beobachtet seit einiger Zeit, dass die Frequenz der Zuweisungen abnimmt, die Ursachen dafür sind wahrscheinlich vielfältig. Zu erwähnen ist, dass Kuranstalten einem hygienischen Hochsicherheitstrakt gleichen – niemand ist woanders sicherer als bei uns! Angst vor Ansteckung muss da- her niemanden davon abhalten, auf Kur/GVA zu gehen.

Die Auswirkungen durch das Ausfallen der präventiven Schulungsmaßnahmen sind nicht abzusehen und nur zu vermuten. Auch das Wegfallen der natürlichen Heilvorkommen wird Folgen hinterlassen. Es ist daher dringend an der Zeit, jetzt die Präventivmaßnahmen der GVA-Anstalten zu nut- zen, jetzt hätten die Personen Zeit, teilweise durch coronabedingte Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Firmenschließungen.

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