MEDIZIN | Lipide

Charakterisierung von Lipidtröpfchen im Darm

Lipidtröpfchen sind temporäre Speicher für überschüssiges Fett im Fettgewebe, aber auch in den Darmzellen. Die Charakterisierung verschiedener Lipidspeicher im Darm kann nun neue pharmazeutische Angriffspunkte liefern.

AUTORIN:

Melanie Korbelius, MSc, PhD

Gottfried Schatz Forschungszentrum:

Molekularbiologie und Biochemie,

Medizinische Universität Graz,

m.korbelius@medunigraz.at,

mbbc.medunigraz.at

Die steigende Inzidenz von Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Diabetes und Atherosklerose in den letzten Jahrzehnten ist hauptsächlich auf eine erhöhte Aufnahme von Nahrungsfetten zurückzuführen. Neben fal- scher Ernährung und zu wenig Bewegung können aber auch Fettstoffwech- selstörungen, hervorgerufen durch Veränderungen verschiedener am Fett- stoffwechsel beteiligter Proteine, die Ursache eines gestörten Energiehaus- halts sein. Die Identifizierung und Erforschung solcher Proteine bietet immer wieder neue pharmazeutische Angriffspunkte, beispielsweise zur Behandlung erhöhter Blutfettwerte durch Hemmung der körpereigenen Fettsynthese.


Temporäre Lipidspeicher in Darmzellen

Unser metabolisches Gleichgewicht wird besonders durch die Zellen des Dünndarms (Enterozyten) kontrol- liert, die die Barriere zwischen körpereigenen und mit der Nahrung aufgenommenen Fetten bilden. Diese Zel- len spielen eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhal- tung systemischer Lipidspiegel, indem sie die Li- pidabsorption aus der Nahrung und die Lipoproteinse- kretion im postprandialen Zustand regulieren. Wie Adi- pozyten im Fettgewebe sind auch Enterozyten in der Lage, überschüssige diätetische Triglyceride und Cho- lesterinester in Form von zytosolischen Lipidtröpfchen vorübergehend zu speichern, die bei Bedarf mobilisiert werden können. Im Gegensatz zu cLDs im Fettgewebe, die als langfristiges Speicherdepot dienen, erneuern sich Enterozyten alle drei bis vier Tage. Daher dienen diese Lipidtröpfchen in Enterozyten eher als temporärer Speicher für überschüssige Lipide nach einer fettrei- chen Mahlzeit, um eine erhöhte fäkale Ausscheidung

von Nahrungslipiden zu vermeiden und Durchfall vorzubeugen. Diese intestinalen Lipidspeicher sind hochdynamische Organellen und nehmen relativ zum Ernährungszustand zu und ab, wodurch die Lipidaufnahme während der Nahrungsaufnahme optimiert und die periphere Lipidversor- gung in interprandialen Perioden gewährleistet werden kann.

Temporär gespeicherte Nahrungsfette werden nach ihrer Mobilisierung hauptsächlich zur Lipoproteinsekretion verwendet, wobei es im Darm noch zwei weitere Lipidspeicher gibt, die entweder aus der Reabsorption von Lipoproteinen oder unveresterten Fettsäuren aus dem Blutkreislauf oder der de novo Lipidsynthese stammen: Frühere Studien konnten bereits zeigen, dass aus der Zirkulation reabsorbierte Lipide bevorzugt zur intesti- nalen Phospholipidsynthese oder Energieerzeugung durch Fettsäureoxidation verwendet werden, nicht aber für eine erneute Lipoproteinsynthese. Trotz der Aufnahme von Lipiden aus dem Darmlumen sowie auch aus der Blutbahn stammt auch eine beträchtliche Menge (mehr als 50 %) der in- testinalen Triglyzeride während der Lipidabsorption aus der endogenen Lipidsynthese. Diese Triglyzeride tragen hauptsächlich zur Sekretion von Chylomikronen und VLDL-Lipoproteinen bei. Wie all diese temporären Lipidspeicher im Darm für die weitere Verwendung wieder mobilisiert wer- den und ob die de novo Lipidsynthese auch zu den temporären Lipidspeichern beiträgt, wurde bisher nicht untersucht.


Mobilisierung von Lipidspeichern im Darm

Der Abbau temporärer Lipidspeicher, die physiologisch in den Adipozyten des Fettgewebes zu finden sind, wurde in anderen Zelltypen bereits in- tensiv erforscht. Der Durchbruch gelang mit der Entdeckung des fettspaltenden Enzyms Adipose Triglyzerid Lipase (ATGL), das zusammen mit seinem Co-Aktivator CGI-58 hauptverantwortlich für den ersten Schritt des Fettabbaus ist. Mutationen dieser Proteine manifestieren sich in einer systemischen Fettansammlung in verschiedensten Organen, die nicht nur Funktionsstörungen des betroffenen Organs selbst nach sich ziehen, sondern unseren gesamten Körper aus dem Gleichgewicht bringen. Dies zeigt sich besonders in ATGL- oder CGI-58-defizienten Versuchsmäu- sen, die entweder verfrüht an Herzverfettung sterben oder aufgrund einer defekten Hautbarriere überhaupt nicht lebensfähig sind.

Im Rahmen unserer Forschung konnten wir erstmals zeigen, dass ATGL und CGI-58 auch eine essenzielle Rolle im Fettabbau in Enterozyten spie- len: So waren Darmzellen, denen ATGL und CGI-58 fehlte, schon bei normaler Nahrungszufuhr vollgefüllt mit Triglyzeriden, was sich jedoch nicht auf die Blutfettwerte auswirkte. Durch die orale und intravenöse Verabreichung von fluoreszenzmarkierten Lipiden war es uns möglich, die „Reise“ von Fetten aus der Nahrung und aus der Blutbahn in die verschiedenen Lipidspeicher im Darm zu visualisieren. Dabei konnten wir ATGL und CGI- 58 erstmals als Proteine identifizieren, die spezifisch nur jenen Lipidspeicher mobilisieren, der aus dem Blutkreislauf resorbierte Lipide enthält, ohne temporär gespeicherte Nahrungsfette zu beeinflussen.


Lipidspeicher als neue pharmazeutische Angriffspunkte

In dem vorliegenden Projekt wollen wir nun die Oberflächenproteine dieser verschiedenen Lipidspeicher genau untersuchen. Bis dato war es nicht möglich, diese Lipidtröpfchen voneinander zu unterscheiden, was es wiederum unmöglich macht, spezifische pharmazeutische Angriffspunkte zu finden. Durch die Identifizierung von ATGL und CGI-58 als spezifische Proteine im Abbau von ausschließlich einem dieser Lipidspeicher, ermög- licht unser Versuchsaufbau nun die gezielte Isolierung der zwei verschiedenen Lipidtröpfchen.

FOTOS: ATELIER1060.AT, ZVG

Trotz der Aufnahme von Lipiden aus dem Darmlumen sowie auch aus der Blutbahn, stammt

auch eine beträchtliche Menge der intestinalen Triglyzeride während der Lipidabsorption aus

der endogenen Lipidsynthese.

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