Immer mehr Sparten im Bereich der Gesundheitsversorgung mussten gezwun- genermaßen auf telemedizinische Patientenbetreuung umstellen. Auch die In- dustrie hat diese Marktentwicklung erkannt, so sind inzwischen diverse Web- Portale für Videosprechstunden, psychologische Betreuung oder virtuelle Re- habilitation online gegangen. Das Interesse an telemedizinischer Betreuung ist sowohl von Patienten- als auch von Arztseite deutlich gestiegen.
Die Verwendung von Telemedizin ist schon seit Jahren in kardiologischen Leitli- nien verankert. In mehreren klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass etwa bei Patienten mit Herzinsuffizienz und rezenter Hospitalisierung die Ver- wendung von telemedizinischer Nachsorge im Vergleich zu Routinekontrollen die Mortalität und Hospitalisierungsrate reduziert sowie die Lebensqualität erhöht.
Pilotprojekt erfolgreich ausgerollt
In Graz wurde der erste Patient mit implantiertem Kardioverter-Defibrillator 2004 in die telemedizinische Nachsorge eingeschlossen. Im Jahr 2013 wurde
in Tirol das Projekt „HerzMobil“ gestartet, in dem Patienten nach Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz mittels Heimmessung von Parametern wie Blutdruck, Gewicht oder Medikamenteneinnahme nachgesorgt werden. Inzwischen sind österreichweit meh- rere Tausend Patienten mit implantiertem kardiologischem Device in die telemedizinische Nachsorge eingeschlossen und das Projekt „HerzMobil“ wurde aufgrund des großen Erfolgs auf andere Bundesländer erweitert.
Neben diesen telemedizinischen Applikationen, die durch das Gesundheitssystem initiiert werden, hat der Markt mit telemedizi- nisch verwendbaren Devices zum Rhythmusmonitoring für den Privatgebrauch massiv zugenommen. Hier kommen vor allem zwei Technologien zum Einsatz:
•Elektroden-basierte Systeme: zeichnen 1- bis 6-Kanal-EKGs auf, nutzen eine spezielle Hardware in Form von Elektroden und ermöglichen die Bestimmung von Herzfrequenz und Rhythmus (Beispiele: Apple Watch, Kardia AliveCor, FitBit u.v.m.)
•Kamera-basierte Systeme: nutzen eine Lichtquelle (z.B. Blitz und Kamera eines Smartphones) zur Photoplethysmografie-Auf- zeichnung und ermöglichen die Bestimmung von Herzfrequenz und Regularität, eine zusätzliche Hardware ist im Regelfall nicht notwendig (Beispiele: FibriCheck, Cardio Rhythm, Apple Watch u.v.m.)
Diese Technologien ermöglichen getriggerte Rhythmusaufzeichnungen und beinhalten meist Funktionen, um Daten für betreuen- de Ärzte aufzubereiten, zu exportieren oder sogar elektronisch zu übermitteln. Medizinische Anwendungen sind zum Beispiel seltene symptomatische Arrhythmie-Episoden mit kurzer Dauer, Monitoring nach rhythmuskontrollierenden Maßnahmen (Ablati- on, Kardioversion, Antiarrhythmikaeinstellung) oder Vorhofflimmer-Screening bei Risikopopulationen.
In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass das Vorhofflimmer-Screening mittels 1-Kanal-EKG-Selbstmessungen Routine- kontrollen einschließlich seriellen 12-Kanal-EKGs deutlich überlegen ist. Im Rahmen der „Digital-AF“-Studie konnte erstmals das Potenzial von Smartphone-basierten Rhythmusaufzeichnungen gezeigt werden. In einer lokalen Zeitung mit circa 100.000 Abon- nenten wurde ein QR-Code mit Einladung zur Rhythmusmessung abgedruckt. Rund 20 % der Leser installierten die App „Fibri- Check“ und führten für eine Woche Heimselbstmessungen durch. Dabei wurde bei 1.1 % der Teilnehmer Vorhofflimmern erstdia- gnostiziert. In der „Apple Heart“-Studie wurde das Potenzial von Smartphone-basierten Studien aufgezeigt. So wurden rund 420.000 Teilnehmer mit Apple Watch rein elektronisch in diese Studie eingeschlossen, die Rate an Erstdiagnosen von Vorhofflim- mern war aber deutlich geringer, da vor allem junge Menschen mit niedrigem Risikoprofil an dieser Studie teilgenommen haben.
Telemonitoring: von Ärzten initiiert
Während der Covid-19-Pandemie wurde in Maastricht die Initiative „TeleCheck-AF“ gestartet. Ziel war es, Patienten mit Vorhof- flimmern so gut wie möglich telemedizinisch zu betreuen, um ihnen zu Zeiten der Pandemie unnötige Ambulanzbesuche zu er- sparen. Europaweit wurden inzwischen mehr als 1.500 Patienten eingeschlossen. Anstelle eines Ambulanzbesuchs erhielten Pa- tienten Zugang zur App „FibriCheck“, mit der sie für eine Woche Rhythmusaufzeichnungen zu Hause durchführten. Auf Basis der gesammelten Daten wurde dann eine Telekonsultation durchgeführt, um weitere diagnostische oder therapeutische Schritte zu planen. Die Resonanz auf diese Möglichkeit der Telekonsultation war durchwegs positiv, aufgrund der hohen Smartphone- Dichte und der selbsterklärenden Benutzeroberfläche konnten Patienten aller Altersgruppen auf diese Weise versorgt werden.
Sicher ist, dass durch die Entwicklungen in der Industrie und das damit verbundene Industrie-getriggerte Telemonitoring eine große Arbeitsbelastung auf Ärzte zukommen wird. Wichtig für die Zukunft wird sein, dass Telemonitoring von Ärzten initiiert wird, damit nur die Patienten damit versorgt werden, die davon profitieren oder für die Arrhythmie-Aufzeichnungen klinische Konse- quenzen nach sich ziehen würden. Wir müssen in Zukunft auf Basis von klinischen Studien erheben, welche klinischen Interven- tionen wir auf Basis dieser neuen Technologien tätigen dürfen beziehungsweise müssen. In einer europaweiten Umfrage, an der über 400 Kardiologen und Elektrophysiologen teilgenommen haben, konnten wir zeigen, dass für die meisten vor allem die aktu- ell vorhandenen 1-Kanal-EKG-Technologien für die Einleitung einer oralen Antikoagulation oder Antiarrhythmiatherapie ausrei- chend wäre, wohingegen Ärzte in Bezug auf Photoplethysmographie-Aufzeichnungen zurückhaltender wären.
Rechtlicher Rahmen noch offen
Positiv an diesen neuen Technologien wird vor allem die Möglichkeit der schnelleren Diagnosefindung, die Einbeziehung der Pa- tienten und die Möglichkeiten für kontinuierliches Selbstmonitoring gesehen. Mehr als zwei Drittel fürchten jedoch eine Datenflut für uns als versorgende Ärzte. Ein Drittel der Teilnehmer war um den Datenschutz und die fehlende Vergütung besorgt.
Die beiden großen Herausforderungen, vor denen Ärzte sowohl in Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich ste- hen, ist der aktuell fehlende rechtliche Rahmen zur telemedizinischen Versorgung von Patienten sowie viele Unklarheiten in Be- zug auf die Leistungsverrechnung. Es bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Situation dazu beigetragen hat, dass diese Technologi- en in Zukunft noch besser im klinischen Alltag zum Wohle der Patienten genützt werden können.