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Digitale Implantate gegen Inkontinenz
Jeder 5. Mensch ist im Laufe seines Lebens von Blasenschwäche betroffen.
Die Hauptrisikofaktoren sind zunehmendes Alter und ist bei Männern häufig die Folge von Operatio- nen, wie etwa nach einer Entfernung eines Prostatakarzinoms.
AUTOR:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Hübner
Koordinator des Fachbeirates im Inkontinenz-
Zentrum an der Privatklinik Confraternität und
wissenschaftlicher Leiter des heurigen
internationalen Inkontinenz-Kongresses der
International Continence Society
Psychisch ist Inkontinenz für Männer nach wie vor ein Tabuthema und eine derart große emotionale Belastung, die zu selbstgewählter sozialer Iso- lation bis hin zu Suizidgedanken führen kann. Inkontinenz ist jedoch gut behandelbar. Nach einer Prostatakrebsbehandlung helfen etwa Implanta- te, bei einer Dranginkontinenz Medikamente und Botox-Injektionen. Über diese und weitere Möglichkeiten im Kampf gegen Inkontinenz tauschten sich kürzlich Urologen, Physiotherapeuten, Pflegekräfte und weitere Experten im Austria Center Vienna aus.
Blasenschwäche betrifft Frauen wie Männer gleichermaßen. Obwohl sich in den letzten Jahren schon einiges getan hat, ist die Endtabuisierung der Inkontinenz, vor allem beim Mann, nach wie vor sehr wichtig. Denn viele leiden stumm vor sich hin. Sie nehmen die psychische Belastung in Kauf. Wir beobachten häufig, dass Betroffene aus Angst einer Folgeinkontinenz onkologische Behandlungen hinauszögern oder verweigern. Das muss aber nicht sein, denn Inkontinenz lässt sich gut behandeln. Zudem sind die Behandlungen, die auf die Patienten zukommen, nicht belastend und die Ergebnisse oft so hervorragend, dass das Feedback der therapierten Patienten durch den Rückgewinn an Lebensqualität oft überwälti- gend positiv ist.
Inkontinenz nach Prostatakarzinom
Das Prostatakarzinom ist die häufigste Krebsart beim Mann. In Österreich geht man derzeit von etwa 4.400 Neudiagnosen pro Jahr aus. Eine Belastungsinkontinenz, die nach einer Operation durch Gewebeverletzungen bei der Entfernung des Prostatakarzinoms entstehen kann, ist gut therapierbar. Häufig kommt die Kontinenz nach dem Ausheilen der Wunde – spätestens ein halbes Jahr nach der Operation – natürlich zurück. Nur bei 5 bis 15 % der Patienten, die eine Prostatakarzinomoperation hinter sich haben, ist der Harnverlust so groß, dass er behandelt werden muss. Anders als bei Frauen, die nach Schwangerschaften und Geburten ihre Belastungsinkontinenz meist gut mit Beckenbodentraining in den Griff bekom- men können, ist die Ursache beim Mann häufig eine Verletzung der glatten Muskulatur, die mit Physiotherapie nicht heilbar ist.
Um das Problem des Verschlusssystems, das durch die fehlende Prostata entstehen kann,
in den Griff zu bekommen, gibt es verschiedene Implantate, die den Widerstand auf die Harnröhre erhöhen und somit auch den Blasenschließmus- kel regulieren. Die Art des Implantates und die entsprechende Auswahl der OP-Methode richten sich hier nach der jeweiligen individuellen Situati- on des Patienten und werden aufgrund der Komplexität häufig in Spezialzentren durchgeführt. Die Zufriedenheitsrate bei den betroffenen Männern nach der Aktivierung des neuen Implantats liegt bei uns bei über 90 %.
Derzeit werden die Implantate, die den Blasenschließmuskel regulieren, manuell durch das Betätigen einer hydraulischen Pumpe im Körper ausge- löst. Die Zukunft der Implantate liegt jedoch in elektronischen Ansätzen. In wenigen Jahren werden die Schließmuskeln auch über kleine Fernbe- dienungen oder übers eigene Handy ausgelöst werden können. Das wird ein weiterer Schritt sein, um den Patienten das Leben zu erleichtern.
Risikofaktor Alter für Dranginkontinenz
Anders als bei der Belastungsinkontinenz, die vor allem nach Operationen auftreten kann, können Männer auch an einer Dranginkontinenz bzw. überaktiven Blase leiden. Dabei kommt es zu einem geradezu überfallsartig auftretenden starkem Harndrang. Betroffene schaffen es dann nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette. Während nur 5 % der Männer zwischen 30 und 40 Jahren davon betroffen sind, steigt das Risiko, daran zu leiden, mit zunehmendem Alter an und liegt bei Männern zwischen 60 und 69 Jahren schon bei 20 bis 25 %. Neuartige Medikamente, die etwa 1,5 Stun- den vor bestimmten Aktivitäten, bei denen nicht sofort eine Toilette in der Nähe ist, wie einem Ausflug, einer Busfahrt, einer Flugreise oder einem Kinobesuch, eingenommen werden, schaffen hier temporär Abhilfe.
Langfristig sind bei älteren Menschen Botox-Behandlungen, bei denen Botox in die Blasenwand gespritzt wird, sehr effizient. Sie haben den Effekt, dass die Blase gedämpft wird und die Symptome einer überaktiven Blase nach zwei bis vier Wochen für sechs Monate verschwinden.