Leberversagen nach Sars-CoV-2-Infektion
Patienten mit chronischen Lebererkrankungen kön- nen infolge einer schwer verlaufenden Sars-CoV-2- Infektion Komplikationen der Leber erleiden.
In einer Studie wies ein Forschungsteam um Dr. Lukas Hartl, Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Reiberger und Dr. Michael Trauner von der Klini- schen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie von MedUni Wien und AKH Wien nach, dass es bei Vorerkrankungen der Leber auffallend häufig zu einer Erhöhung der Gallestauparameter und in weiterer Folge zu einer Gallengangschädigung, einer sekundär sklerosierenden Cholangi- tis (SSC), gekommen ist. Diese SSC tritt nach Covid-19 deutlich häufiger als nach anderen schweren Erkrankungen auf.
Cholestatisches Leberversagen
Im Rahmen einer Querschnittsstudie analysierte das Forschungsteam die Leberwerte von 496 aufgrund einer Sars-CoV-2-Infektion hospitalisierten Patienten. 65 von diesen hatten bereits zuvor eine chronische Lebererkrankung, wie etwa eine Fettleber, Leberzirrhose oder Leberkrebs. Im Fokus der Studie stand die genaue Beschreibung des Verlaufes der nach der Infektion entwickelten Leberwerte dieser Patienten.
Es zeigte sich, dass es zu Beginn von Covid-19 häufig zu einem Anstieg der Transaminasen gekommen war. Diese Enzyme, AST (Aspartat-Amino- transferase) und ALT (Alanin-Aminotransferase), gelten als Marker für einen Schaden an Leberzellen. Später gingen diese Werte wieder zurück, ein Phänomen, das in früheren Studien bereits beschrieben wurde. Dagegen stiegen die Parameter für einen Gallenstau (Cholestase), alkalische Phosphatase (AP) und GGT (Gamma-Glutamyltransferase) im Verlauf der Infektion bei vielen Patienten stark an und sanken auch nicht wieder ab. Bei 23,1 % kam es sogar zu einem cholestatischen Leberversagen.
Mittels bildgebender (MRCP) und endoskopischer (ERCP) Verfahren konnte gezeigt werden, dass es auch zu irreversiblen Schädigungen der Gal- lengänge, einer sogenannten sekundär sklerosierenden Cholangitis (SSC) gekommen war. Dieses Krankheitsbild tritt auch nach anderen kriti- schen Krankheitszuständen auf, etwa bei Sauerstoffmangel oder nach schweren Infektionen. Der Verlauf ist tendenziell fortschreitend und kann bis zu einer Lebertransplantation führen und sogar letal enden. 15 % der analysierten Patienten mit schwerem Verlauf von Covid-19 hatten eine SSC entwickelt. Bei vielen dieser Patienten bestanden Vorerkrankungen wie Fettleber, Diabetes, Adipositas oder Bluthochdruck und sie mussten teilwei- se monatelang aufgrund der Covid-19-Erkrankung intensivmedizinisch betreut werden.
„Wir konnten anhand von Daten unserer Vergleichsgruppe aus Patienten mit Intensivaufenthalt ohne Covid-19-Erkrankung zeigen, dass es bei den Covid-19-Patienten signifikant häufiger zu einer SSC kommt. Auch die nicht mit Sars-CoV-2 infizierten Patienten hatten schwere intensivmedizini- sche Verläufe und waren oft lange intubiert. Trotzdem haben nur wenige der nicht von Covid-19 Betroffenen eine SSC entwickelt“, sagt Hartl.
Engmaschige Kontrollen
Die Ursachen dafür sind noch nicht geklärt, jedoch gibt es Hinweise, dass das Coronavirus selbst Leber und Gallengänge schädigen könnte. „Es ist auf alle Fälle sinnvoll, die Leberwerte von Intensivpatienten mit bzw. nach Covid-19 engmaschig zu kontrollieren. Therapeutisch können mittels Endoskopie (ERCP) der Gallenwege gegebenenfalls Engstellen aufgedehnt und andere Abflusshindernisse behoben werden. Die rechtzeitige Gabe entsprechend wirksamer Medikamente und das Vermeiden von Sauerstoffmangel im Rahmen der intensivmedizinischen Betreuung spielen eine entscheidende Rolle“, ergänzt Reiberger. Derzeit existiert noch keine effektive medikamentöse Therapie der sklerosierenden Cholangitis, je- doch stellt die Erforschung solcher neuen Therapieansätze einen wichtigen wissenschaftlichen Schwerpunkt der Abteilung dar. „Weitere Studien über den Langzeitverlauf der Cholestaseparameter bei Long-Covid-Patienten und die Spätfolgen für die Leber nach Covid-19 bei Patienten ohne Lebervorerkrankung sind geplant“, sagt Hartl.
rh