Kur & Gesundheitsvorsorge | Radon
RadReg –
das Gasteiner Radon-Register
Um verwertbare Daten über die Wirkung der Radontherapie zu generieren, wurde das Konzept des Gasteiner Radon-Registers (RadReg) erstellt. Bestehende Indikationen sollen so mit bestmöglichem Evidenzgrad abgesichert und neue Zusammenhänge zwischen der Art und dem Erfolg der Radonbehandlungen erkannt werden.
Die traditionelle Niedrigdosis-Radontherapie wird schon seit jeher zur Behandlung von dege- nerativen und inflammatorischen Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems eingesetzt. Besonders in Europa, Asien und Russland ist sie weit verbreitet, vereinzelt wird sie auch in Amerika angewandt. Das Gasteinertal ist weit über die Landesgrenzen hinaus für seine bal- neo- und späleo-therapeutischen Radonanwendungen bekannt, nicht zuletzt deswegen, weil die Radon-Hyperthermie-Anwendung in Form der Stollentherapie weltweit einzigartig ist.
Das natürlich vorkommende radioaktive Edelgas Radon findet Einsatz in der Therapie einer Vielzahl von Erkrankungen. Zu den häufigsten Indikationen zählen entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew oder Psoriasis Arthritis, ebenso wie die degenerativen Erkrankungen Arthrose (Osteoarthritis) und Spondylose. Aber auch schwere Erkrankungen der Atemwege wie die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Asthma bronchiale oder chronische dermatologische Erkrankungen wie die Pso- riasis vulgaris oder Neurodermitis zählen zu den Leiden, welche durch Radonbehandlungen therapiert werden können.
Das Ansprechen der Patienten auf die Radon Balneo- und Späleotherapie variiert dabei in Form und Ausprägung. Der Großteil der Patienten empfindet rasch, insbesondere aber auch in den Monaten nach der Radonbehandlung, eine deutliche und messbare Reduktion der Schmerzen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität. Es ist eben diese Erfahrung, die vie- le der Betroffenen dazu bewegt – oft bereits schon nach wenigen Monaten –, wieder eine Ra- donkur zu absolvieren. Nicht selten werden die Kosten dabei von den Patienten selbst übernommen.
Radontherapie & Forschung
Die Wirkung der Radontherapie bei entzündlichen und nicht-entzündlichen degenerativen Lei- den des muskuloskelettalen Systems auf das jeweilige untersuchte Patientenkollektiv wurde in der Vergangenheit durch wissenschaftliche Studien untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass besonders der Langzeiteffekt der Radontherapie eine Verbesserung der Symptome brachte, denn in den meisten Studien ergab sich der stärkste Effekt des Ansprechens auf die Radonbehandlungen verglichen mit Kontrollgruppen oft erst zwei bis drei Monate nach der ei- gentlichen Intervention (1).
Folglich erscheint eine Langzeitbeobachtung des Therapieerfolges, wenn möglich auch über mehrere Kuraufenthalte hinweg, besonders interessant und vielversprechend, um bessere Aussagen über den Effekt der Therapie für die jeweilige Indikation treffen zu können.
Um verwertbare Daten über die Wirkung der Radontherapie zu generieren, die über einen lan- gen Zeitraum hinweg ein großes Kollektiv an Patienten miteinschließen, wurde das Konzept des Gasteiner Radon-Registers – kurz RadReg – erstellt. Durch dieses soll es ermöglicht wer- den, bestehende Indikationen mit bestmöglichem Evidenzgrad abzusichern und neue, bisher noch nicht bekannte Zusammenhänge zwischen der Art und dem Erfolg der Radonbehand- lungen zu erkennen. Dies soll schließlich zu einer weiteren therapeutischen Optimierung der Radonapplikationen bei den unterschiedlichen Indikationen führen.
Bei der Umsetzung des RadReg arbeiten Ärzte und medizinisches Personal der Gasteiner Gesundheitsbetriebe eng mit den Wissenschaftlern des Forschungsinstituts Gastein (FOI) der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität zusammen. Die wissenschaftliche Studienleitung, Organisation und statistische Auswertung der Daten des RadReg wird dabei vom FOI geleis-
tet, die Rekrutierung und Nachverfolgung der Studienteilnehmer sowie die Studienorganisati- on vor Ort wird von den teilnehmenden Kurärzten und ihren Mitarbeitern durchgeführt.
Warum eine Registerstudie?
Das Besondere an einer Registerstudie ist, dass mit verhältnismäßig geringem Aufwand um- fangreiche Datensätze aus dem regulären medizinischen Betrieb erhoben werden können, wobei ein besonders großes und breitgefächertes Patientenkollektiv erfasst wird. Beschrieben wird die Registerstudie als retro-spektive Untersuchung, welche praxisbezogene Daten und Therapien in Form eines Registers sammelt. Vorhandene Daten werden in anonymisierter oder pseudonymisierter Form, bezogen auf eine Population mit definiertem Indikationsgebiet, ge- sammelt und in einer Datenbank erfasst. Registerstudien gehören zu den nicht-interventionel- len Studien, es werden keinerlei Interventionen aus Studiengründen vorgenommen oder unter- lassen und weder Therapien noch Anwendungen oder verschriebene Arzneimittel abgeändert.
Durch die freiwillige Teilnahme an der RadReg-Studie, die auch von der zuständigen Ethik- kommission des Landes Salzburg behandelt wurde, entsteht dem Patienten zwar kein direkter Nutzen, aber auch keinerlei Nachteil. Durch die anonyme Analyse und Interpretation der erho- benen Daten kann jedoch ein wertvoller Beitrag für die Erforschung der angewandten Thera- pien und Heilmittel auf die einzelnen Indikationen erzielt werden.
RadReg in der Praxis
Mit Anfang des Jahres 2016 wurde das RadReg in den ersten Gasteiner Kurbetrieben einge- führt. Es soll als fortlaufende Studie über einen unbegrenzten Zeitraum hinweg Informationen über den langfristigen Therapieerfolg sowie die Radon-Dosis-Wirkungsbeziehung generieren und darüber hinaus eine Anpassung der Radontherapie möglich machen. Gleichzeitig liefert es wertvolle Daten zur allgemeinen Qualität der Kur und dem Kurerfolg. Gegenwärtig werden in vier Betrieben – dem Kurzentrum Bad Hofgastein, der Stiftung Kurtherme Badehospiz, dem Gasteiner Heilstollen und dem Gesundheitszentrum Bärenhof – Patienten in die Studie einge- schlossen. Bei der Erstuntersuchung entscheidet der Arzt, ob der Patient entsprechend den Ein- und Ausschlusskriterien, wie Alter, Body Mass Index, Indikation und allfällige Begleiter- krankungen, in die Studie aufgenommen werden kann. Primär werden Patienten an der Studie teilnehmen, die eine Radontherapie verordnet bekommen haben, jedoch auch Patienten, die einen Kuraufenthalt ohne Radontherapie absolvieren, sollen aufgenommen werden, um so er- gänzend eine Kontrollgruppe zu stellen. Das Indikationsfeld für die Studie wurde vorerst auf vier Indikationen – Morbus Bechterew, Rückenschmerz, Rheumatoide Arthritis, Osteoarthrose der Hüfte oder des Knies – eingegrenzt. Eine Erweiterung der Aufnahmeindikationen ist für den weiteren Verlauf der Studie vorgesehen.
Der Ablauf der Registerstudie erstreckt sich für den einzelnen Patienten über knapp zehn Mo- nate und startet mit der Voruntersuchung zu Kurbeginn (Abbildung 1). Entscheidet sich der Patient, an der Registerstudie teilzunehmen, so erhält er zu fünf definierten Zeitpunkten (T0 bis T4) einen für seine Erkrankung relevanten Fragebogensatz. Noch vor der ersten Therapie- anwendung (T0) wird der aktuelle Gesundheitszustand des Patienten durch den Fragebogen erhoben, am Ende der Kur (T1) werden die Veränderungen mit dem gleichen Fragebogensatz erfasst. Um die Langzeiteffekte im Follow-up zu dokumentieren, erhält der Studienteilnehmer den Fragebogensatz zu den Nachverfolgungszeitpunkten drei Monate (T2), sechs Monate (T3) und neun Monate (T4) nach Kurende per Brief zugesandt. Die verwendeten Fragebogen- sets bestehen aus einem Lebensqualitätsfragebogen, einer Schmerzskala, welche den aktuel- len Schmerz in Ruhe und in Bewegung erfasst, und einem indikationsspezifischen Fragebo- gen, welcher die Funktionsbeeinträchtigung und das Ausmaß der Erkrankung erfasst.
Sämtliche verwendeten Fragebogeninstrumente sind wissenschaftlich validiert, in der Praxis erprobt und werden häufig in Studien und im Klinikalltag eingesetzt. Zusätzlich zu den Befra- gungen der Patienten werden ergänzend alle durchgeführten Therapien aufgezeichnet und
aus der definitiv erhaltenen Anzahl, Dauer und Art der Radonanwendungen die kumulierte Ra- dondosis ermittelt.
In der Datenauswertung wird die Veränderung des Schmerzes, der Lebensqualität und der körperlichen Funktionalität im Vergleich mit dem Zeitpunkt T0 vor der Radonkur zu den vier Zeitpunkten nach der Kur analysiert. Mithilfe dieser Werte soll ermittelt werden, ob und wie lan- ge der Kureffekt durchschnittlich anhält und ob gewisse Patientengruppen oder Indikationen unterschiedlich auf eine Radontherapie ansprechen.
Gleichfalls hat die Erstellung einer Dosis-Wirkungsbeziehung größten Stellenwert. Bei jedem Patienten wird die Anzahl der erhaltenen Radontherapien mit den Ergebnissen der Befragung korreliert. Dadurch soll der Zusammenhang zwischen der effektiv aufgenommenen Radondo- sis und den Veränderungen der mittels der Fragebögen erfassten Werte getroffen werden können.
Erster Einblick in die Daten des RadReg
Aktuell wurden circa 400 Patienten in die Radon-Registerstudie eingeschlossen und gesamt etwa 1.000 ausgefüllte Fragebögen an das Forschungsinstitut Gastein zur Auswertung über- geben. Die in den Grafiken der Abbildungen 2 bis 4 ersichtlichen Daten zeigen die bis dato aktuellen vollständig ausgewerteten Ergebnisse für die Zeitpunkte T0, T1 und T2 (Anzahl der Studienteilnehmer = 75) und beinhalten nur Werte von Patienten, die auch Radonanwendun- gen erhalten haben. Der tatsächlich erfasste Datensatz vergrößert sich täglich in Abhängigkeit von der Anzahl neu eingeschlossener Patienten und dem Rücklauf der Fragebögen, die in den Nachverfolgungsmonaten an die Patienten versandt wurden. Alle erhaltenen Fragebögen wer- den mittels Open-Source-Umfrageprogrammes „LimeSurvey“ erfasst, in eine Datenbank über- führt und anschließend statistisch ausgewertet.
Im Lebensqualitätsfragebogen zeigt sich eine deutliche Steigerung der Lebensqualität (Quali- ty of Life – QoL) während des Kuraufenthaltes sowohl im QoL-Index (Abbildung 2) als auch in der QoL Numerischen Rating-Skala (NRS; Abbildung 3). Es zeigt sich eine hochsignifikante Verbesserung der Lebensqualität und auch zum Dreimonatszeitpunkt nach der Kur bleibt die- se auf dem Level direkt nach der Kur oder verbessert sich sogar noch etwas.
Der Schmerz der Patienten in Ruhe und in Bewegung verringert sich ebenfalls hochsignifikant im Laufe der Kur, im Mittel um einen Score-Punkt auf einer Skala von null (kein Schmerz) bis zehn (schlimmster vorstellbarer Schmerz). Auch drei Monate nach dem Ende des Kuraufent- haltes bleibt das Schmerzniveau noch deutlich unter dem Ausgangswert (Abbildung 4).
In Abbildung 5 sind zwei Beispiele der bisherigen Auswertung indikationsspezifischer Frage- bögen, nämlich des Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI) und Bath Ankylosing Spondylitis Functional Index (BASFI), dargestellt. Sie dienen als Maß für die Krank- heitsaktivität und die Funktions einschränkung bei Patienten, die an Spondylitis ankylosans, also dem Morbus Bechterew, leiden. Sowohl der BASDAI als auch der BASFI zeigen dabei eine deutliche Verbesserung direkt nach der Kur. In den ersten drei Monaten nach der Kur
kommt es bei einigen Patienten wieder zu einem leichten Rückgang der Verbesserung, jedoch liegt dieser noch unter dem Ausgangswert.
Zusätzlich zu den Fragebögen werden die Patienten direkt nach der Kur gefragt, wie sie den Effekt der Kur auf ihre Erkrankung empfinden und ob ihnen die Therapien eine Verbesserung ihrer Leiden gebracht haben. Auf diese Frage antworteten bislang 97 Prozent aller Patienten, dass die Kur für sie einen positiven Effekt hatte (Abbildung 6).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Kuraufenthalt im Gasteinertal für Patienten der untersuchten Indikationen fast immer eine entscheidende Verbesserung mit sich bringt, welche sich bei manchen Parametern noch drei Monate nach der Kur messen lässt. Mit der stetig anwachsenden Anzahl an Studienteilnehmern wird sich eine weitere Schärfung dieser bislang sehr positiven Resultate ergeben.
Bereits innerhalb der kurzen Laufzeit konnten schon mehr Patienten als ursprünglich kalkuliert in die RadReg-Studie eingeschlossen werden und auch der Rücklauf an Fragbögen in der Nachverfolgungsphase entspricht den Erwartungen. Für den weiteren Verlauf der Registerstu- die wird es besonders interessant sein, herauszufinden, ob die effektiv erhaltene Radondosis in Korrelation mit dem erzielten Behandlungserfolg steht und somit eine idealerweise individua- lisierte Dosisoptimierung ermöglicht, oder ob eventuell sogar weitere als die bisher klassischen Indikationen für eine Niedrigdosis-Radontherapie in Betracht gezogen werden können.
■ Literatur beim Verfasser
Autoren:
Univ.-Prof. Dr. Markus Ritter
Julia Landrichinger, MSc
Dr. Martina Winklmayr
Dr. Martin Gaisberger
Institut für Physiologie und Pathophysiologie & Forschungsinstitut Gastein, Paracelsus Medizinische Privatuniversität und Department for Radon Therapy Research,
Ludwig Boltzmann Cluster for Arthritis and Rehabilitation, markus.ritter@pmu.ac.at
www.pmu.ac.at, www.lbg.ac.at
Baden, DAS KURHAUS Bad Gleichenberg
www.klinikum-baden.at, www.daskurhaus.at
Foto: Kurzentrum Bad Hofgastein
Abbildung 2: Eine Erhöhung des Indexwertes zeigt eine Verbesserung der Lebensqualität an. Die Sterne oberhalb des Graphen verdeutlichen, dass das statistische Ergebnis über den gesam- ten Zeitraum (T0-T1-T2) hochsignifikant ist. Die Sterne unterhalb des Graphen zeigen die jeweili- gen Signifikanzniveaus im Vergleich zwischen den Zeitpunkten T0-T1 und T0-T2 an. Je kleiner der statistische p-Wert ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis der Mes- sung durch Zufall bedingt ist. Ist er kleiner als 0,05, so bedeutet dies ein statistisch signifikantes Ergebnis (* p < 0,05; ** p<0,01; *** p<0,001;
**** p<0,0001).
Abbildung 3: Eine Erhöhung der Numerischen Rat- ing-Skala zeigt eine Verbesserung der Lebensqual- ität an.
Abbildung 5: Eine Abnahme des BASDAI Score- Wertes zeigt eine Verringerung der Krankheitsak- tivität bei Patienten mit Morbus Bechterew, eine Abnahme des BASFI-Wertes eine Verringerung der Funktionseinschränkung.
Abbildung 4: Eine Abnahme des Wertes auf der Schmerzskala zeigt eine Verringerung der Schmerzen in Ruhe oder in Bewegung an.
Foto: gasteiner heilstollen