Architekt Dr. Martin Düchs vom Lehrstuhl für Philosophie II der Otto-Friedrich- Universität Bamberg, Autor des Buches „Architektur für ein gutes Leben: Über Verantwortung, Ethik und Moral des Architekten“ (Verlag Waxmann), im Wordrap.
Meine Schwerpunktkombination aus Architektur und Philosophie entstand, … als ich mich während der ersten Semester des Architekturstudiums furchtbar langweilte, weil man nächtelang Modelle bauen und Pläne zeichnen musste. Da habe ich gemerkt, dass ich etwas Nahrung für den Kopf brauchte, um nicht wahnsinnig zu werden. Später habe ich dann festgestellt, dass die Kombination aus Architektur und Philosophie ganz wunderbar passt und für beide Seiten bereichernd ist.
Für mich bedeutet „Architektur für ein gutes Leben“ … eine gebaute Umwelt, in der der Mensch sich wohlfühlen und entfalten kann und im vollen Sinn „als Mensch“ sein kann. Martin Heidegger hat davon ge- sprochen, dass gute Architektur „den Mensch als Mensch wohnen“ lässt.
Für Architekten sind Moral und Ethik sehr wichtig, … weil Architekten eine enorme Verantwortung tragen. Und diese basiert auf bestimmten moralischen Überzeugungen, die sich mit den Mitteln der Ethik besser ver- stehen lassen. Moral ist dabei salopp gesagt „das, was sich gehört“ und Ethik das wissenschaftliche Nach- denken und die Suche nach Begründungen für „das, was sich gehört“.
Als Architekt ist meine Verantwortung … häufig ganz konkret, weil ich mit meinen Entscheidungen die Le- benswelt von Menschen beeinflusse. Ich ermögliche bestimmte Dinge und mache andere unmöglich, und das sollte gut überlegt sein.
Als Philosoph ist meine Verantwortung … eher theoretischer Natur. Ich sitze sozusagen im Elfenbeinturm und kann nicht direkt ins Geschehen eingreifen. Dafür habe ich stärker den Blick von oben und kann so im Idealfall Strukturen erkennen und vielleicht sogar den richtigen Weg erkennen.
Philosophie kann in der Architektur und in der Medizin … eine wunderbare Hilfe sein, um Dinge systema- tisch fundiert zu hinterfragen, Strukturen zu erkennen und den Zusammenhang mit dem Leben der Menschen nicht aus den Augen zu verlieren.
Die Architektur medizinischer Einrichtungen muss … zwar auch funktional und ökonomisch vernünftig sein, aber sie sollte in erster Linie dazu dienen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Menschen sich wohl füh- len.
Für eine Arztordination erachte ich es als unerlässlich, … dass die Architektur hilft, Ängste ab- und Ver- trauen aufzubauen.
Ästhetik kann in einer Ordination … ein sehr wichtiges Element für das Wohlbefinden der Patienten und der Mitarbeiter sein. Sie wirkt dabei nicht so sehr im Vordergrund und unmittelbar, aber sie schafft gleichsam die Grundierung der Atmosphäre. Jeder kennt die Erfahrung, dass man sich in manchen Räumen wohler fühlt als in anderen, ohne dass man genau sagen könnte, warum das so ist. Das hat viel mit einer ansprechenden Gestaltung zu tun.
Was Architektur und Medizin gemeinsam haben … ist, dass beide für das gute Leben der Menschen ex- trem wichtig sind – Medizin eher im Vordergrund, Architektur eher im Hintergrund. Architektur ist sozusagen eher die Bühne, Medizin eher das Handeln der Akteure.
Mein wichtigster Architektur-Tipp für die Neugründung einer Ordination … ist dreistufig: a) sich der Be- deutung der gebauten Umgebung für unser Wohlbefinden bewusst zu sein, b) sich intensiv damit zu beschäf- tigen, was man selbst ästhetisch möchte und c) sich Unterstützung bei einem Profi in Gestaltungsfragen ho- len.
Dr. Martin Düchs
studierte Architektur und Philosophie in München, Paris und Göteborg. Seit dem Diplom 2004 an der TU-München arbeitet er als Architekt, zunächst in verschiede- nen Architekturbüros und seit 2007 im eigenen Büro (Blockrandbebauung – Archi- tektur + Philosophie) vor allem im Bereich „Bauen im Bestand“/Denkmalschutz. Im Jahr 2008 wurde ein Projekt in München-Bogenhausen mit dem Fassadenpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet. Zudem arbeitet und publiziert er seit dem M. A. in Philosophie im Jahr 2006 im Bereich Architektur-Philosophie und Umweltethik. Er war Stipendiat der Deutschen Bundesumweltstiftung im Sti- pendienschwerpunkt Umweltethik und promovierte 2011 an der LMU-München mit einer Arbeit zur Ethik des Architekten. Seit 2014 ist er wissenschaftlicher Mitarbei- ter am Lehrstuhl für Philosophie II der Universität Bamberg und habilitiert sich dort mit einer Arbeit zur Frage der Menschenbilder in der Architektur.