MEDIZIN | Leber-OP
Mikrobiom entscheidend
für Leber- reparatur
Foto: istockphoto/ Dr_Microbe
Werden Teile der Leber entfernt, kann der Körper fehlendes Gewebe ersetzen. Das Gelingen dieses Prozesses hängt maßgeb- lich von den Bakterien im Darm ab. Aktuel- le Studienergebnisse könnten dazu beitra- gen, die Prognosen bei Leber-OPs bei Krebs und anderen Erkrankungen zu verbessern.
Anders als etwa das Herz hat die menschliche Leber eine erstaunliche Fähigkeit zur Regeneration. Die biologischen Mechanismen dahinter sind ein Beispiel dafür, welche Rolle die Bakterien im Darm für Vorgänge in anderen Organen spielen. Das zeigen neue Forschungsergebnisse eines interdisziplinären Teams aus dem TUM-Universitätsklinikum rechts der Isar und der TUM School of Life Sciences.
Antibiotika stoppen Leberregeneration
Das Mikrobiom eines gesunden Darms besteht aus einer Vielzahl von Bakterientypen. Diese spielen eine aktive Rolle für die Verdauung. Unter an- derem zerlegen einige von ihnen Kohlenhydrate in sogenannte kurzkettige Fettsäuren. Die Zellen der Leber benötigen diese Fettsäuren, um wach- sen und sich teilen zu können. Wir konnten jetzt erstmals zeigen, dass Darmbakterien den Fettstoffwechsel in Leberzellen und damit deren Fähig- keit zur Regeneration beeinflussen“, sagt Studienleiter Univ.-Prof. Dr. Klaus-Peter Janssen aus der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des Klinikums rechts der Isar.
Janssen und sein Team erprobten an Mäusen, wie sich ein gestörtes Mikrobiom auf die Regeneration der Leber auswirkt. Bei Tieren, deren „Darm- flora“ durch Antibiotika aus dem Gleichgewicht gebracht wurde, bildeten sich nahezu keine neuen Leberzellen. Ein Zusammenhang zwischen Anti- biotika und gestörter Leberregeneration war bereits bekannt.
Als Gründe wurden Janssen zufolge aber bislang eher Immunreaktionen des Körpers oder schädliche Nebenwirkungen der Antibiotika auf Leberzellen angenommen. Dass stattdessen ein Zusammenhang mit den Darmbakterien besteht, wurde erst durch die ak- tuelle Studie deutlich. Genau wie die Mäuse, die mit Antibiotika behandelt wurden, konn- ten auch Mäuse, denen schon bei der Geburt das Mikrobiom fehlte, keine neuen Leber- zellen bilden.
Wachstum mit „Mikrobiom-Starter-Set“ aktiviert
Durch Antibiotika ergibt sich aber eine neue Zusammensetzung des Mikrobioms: Die ver- bleibenden Bakterienarten produzieren deutlich weniger kurzkettige Fettsäuren. Einige Wochen nach einer Antibiotika-Behandlung regeneriert sich das Mikrobiom in der Regel. Die aktuelle Studie ergab, dass sich auch die Leber der mit Antibiotika behandelten Tiere schließlich erneuerte, allerdings mit deutlicher Verzögerung. Bei den Mäusen ohne Darm-
bakterien gab es keine selbstständige Regeneration. Allerdings konnten die Forschenden die Leberregeneration anregen, indem sie den Tieren ein genau definiertes „Mikrobiom-Starter-Set“ verabreichten.
Das Team konnte anhand von Organoiden aus Mäusezellen zeigen, dass die kurzkettigen Fettsäuren ein entscheidendes Baumaterial für die Zell- membran der Leberzellen liefern. Waren diese nicht ausreichend vorhanden, weigerten sich die Zellen, zu wachsen und sich zu teilen. Vermehrten sich die Zellen dagegen, weil ausreichend Fettsäuren zur Verfügung standen, stellte das Team fest, dass ein Enzym mit der Bezeichnung SCD1 besonders aktiv war. „Wir haben die Prozesse danach auch mit menschlichen Leberzellen und an Gewebeproben untersucht. Auch bei Menschen ist SCD1 aktiv, wenn sich die Leber regeneriert“, sagt Janssen.
Mögliche Anwendungen vor und nach Operationen
„Es ist wichtig, im Blick zu behalten, dass die Rolle, die unsere Darmbakterien für den Körper spielen, sehr komplex und noch lange nicht vollstän- dig verstanden ist“, sagt Janssen. Dementsprechend könne man aus den Forschungsergebnissen keine direkten Handlungsempfehlungen ablei- ten oder Medikamente entwickeln. Allerdings könnte man anhand der Ergebnisse erforschen, welche Zusammensetzungen des Mikrobioms gute Voraussetzungen für eine Regeneration von Leberzellen bieten. Dann könne man anhand der Darmbakterien von Tumorpatienten überprüfen, ob der Zeitpunkt für eine OP geeignet sei oder ob es besser sein könne, zu warten, bis das Mikrobiom sich erholt habe. Unter Umständen könne man die Erholung auch durch eine bestimmte Ernährung positiv beeinflussen. „Umgekehrt ist es vielleicht auch möglich, nach der Operation anhand des Mikrobioms, also anhand von Stuhlproben, darauf zu schließen, wie gut eine Leber regeneriert“, so Janssen.
rh
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QUELLE:
Y. Yin, A et all., Gut microbiota promote liver regeneration through hepatic membrane phospholipid biosynthesis, Journal of Hepatology (2023). DOI: https://doi.org/10.1016/j.jhep.2022.12.028