Long-Covid & Psyche Ängste und Depressionen 

FotoS: andi Bruckner, OBVP, ZVG, istockphoto/ alexandragl1

Covid: Ist vollständige

Erholung möglich?

Wir sind bisher davon ausgegan- gen, dass sich ein hoher Anteil der Patienten nach einer Covid-Erkran- kung ohne oder mit nicht sehr schwerwiegenden psychischen

Problemen wieder erholen kann.

Eine Recherche von Jonathan Rogers vom University College London ließ allerdings aufhorchen. Nach der Entlassung kam es bei 10,5 % der Sars-/Mers-Patienten zu de- pressiven Verstimmungen, bei 12,1% zu Schlaflosigkeit und bei 12,3 % zu Angstzu- ständen. 12,8 % klagten über eine ver- mehrte Reizbarkeit, 18,9 % über Gedächt-

nisstörungen und 19,3 % über Abgeschlagenheit. Bei 30,4 % der Betroffenen wird laut Rogers eine posttraumatische Belastungsstörung und bei allen Schlafstörungen diagnostiziert. Drei von vier Patienten kehrten nach der Erkrankung wieder an ihren Arbeitsplatz zurück.


Zustände nicht kleinreden

Die angeführten psychischen Störungsbilder können auch schnell wieder vergehen. Es kann aber auch sein, dass sich die Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, innere Leere, Verlust von Inter- essen, der fehlende Antrieb und damit Schwierigkeiten, am Morgen in die Gänge zu kommen, über einen längeren Zeitraum dahinziehen. Ob bereits eine ernsthafte, die gesamte Lebensfüh- rung beeinflussende psychische Erkrankung vorliegt, können Betroffene meist selbst schwer ein- schätzen. Wie bei vielen „Seelenzuständen“ neigen die meisten Menschen dazu, psychische Probleme fürs Erste einmal kleinzureden. Umso wichtiger ist es, bei den beschriebenen Sympto- men, vor allem wenn sie anhaltend sind, den Hausarzt, einen Psychotherapeuten oder einen Facharzt zurate zu ziehen. Es gilt vor allem, psychische Erkrankungen vom beruflichen Stress, der oft entsteht, wenn man nach einer Erkrankung deutlich geschwächt wieder an den Arbeits- platz zurückkehrt, zu unterscheiden.

Aber auch andere Stressfaktoren, die in Familie und Partnerschaft unter den rigiden Lebensbe- dingungen von Quarantäne und damit eingeschränkter Lebensführung entstehen können, haben oft deutliche negative Auswirkungen auf die seelische Befindlichkeit. Auch schon bestehende körperliche Erkrankungen können sich in belastenden Situationen verschlechtern und werden oft auch noch dramatischer wahrgenommen, als sie ohnedies schon sind. Mit der Covid-Erkrankung und auch mit der körperlichen Gesundung können auch Angst- und Panikstörungen einherge- hen. Kommt es zu Erschöpfungszuständen, ist es wichtig, nicht zu schnell und vor allem nicht zu intensiv wieder in den Arbeitsprozess einzusteigen. Hier kann eine offene Aussprache mit dem Arbeitgeber sehr hilfreich sein. Ärzte haben auch die Möglichkeit, für Betroffene einen Antrag für eine ambulante oder stationäre Rehabilitation nach einer Covid-Erkrankung zu stellen. Die Kos- ten werden von der Sozialversicherung getragen. Multiprofessionelle Behandlungsteams erstel- len in diesen Einrichtungen ein spezifisches Rehabilitationskonzept. Dieses Behandlungspro- gramm wird auf die psychische Problemstellung der Patienten genau abgestimmt. Die Bewälti- gung von Ängsten und der Umgang mit Depressionen sowie mit Stress stehen dabei im Mittel- punkt. Dazu gehört auch eine Psychoedukation für das Verstehen psychischer Störungsbilder. Die Reha-Teilnehmer erlernen auch Entspannungstechniken. Sollten Probleme am Arbeitsplatz oder im Zusammenhang mit Sozialleistungen anstehen, kann auch eine fundierte Unterstützung durch Sozialarbeiter in Anspruch genommen werden. Im Anschluss an die Reha ist häufig eine ambulante Psychotherapie vorgesehen, mit der Post-Covid-Patienten wieder zur angstfreien Be- wältigung ihres Alltages und ihrer Berufstätigkeit gelangen sollen.

Rogers verweist auch auf den relativ hohen Anteil an posttraumatischen Belastungsstörungen nach Covid-Erkrankungen. Auch dafür hat die Psychotherapie umfassende und sehr wirkungs- volle Behandlungskonzepte entwickelt. Beispielhaft sei hier die wissenschaftlich fundierte Be- handlung nach der deutschen Fachärztin und Psychotherapeutin Luise Reddemann angeführt. Dabei kommt ein imaginatives und körpertherapeutisches Verfahren zur Anwendung. Psychothe- rapie kann bei allen krankheitswerten psychischen Störungen bei der Sozialversicherung als Kassenleistung oder mit einem Zuschuss in Anspruch genommen werden.