PRAXEN & IMMOBILIEN | Gründerzeit

Faszination klassischer Wiener Altbau

Klassische Wiener Altbauwohnungen vermitteln eine besondere Atmosphäre, die eine ganz eigene Klientel anzieht. Für außergewöhnliche Objekte müssen Liebhaber tiefer in die Tasche greifen.

Gründerzeithäuser im 1. Bezirk wurden vor allem aus repräsentativen Zwecken gebaut und nicht zur Schaffung von Wohnraum. De- mentsprechend prunkvoll sind sie auch gestaltet wie der Eingangsbere- ich eines Objekts in der Fichtegasse eindrucksvoll vor Augen führt.

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Edle Parkettböden, Alt-Wiener-Flügeltüren und hohe Raumhöhen gehören zu den Eingeschaften von klassischen Altbauwohnungen, die Liebhaber besonders schätzen. Für schön sanierte Objekte, wie dieses im

9. Bezirk, werden daher hohe Preise verlangt.

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FotoS: Winegg, Spiegelfeld Immobilien

Angefangen mit den edlen Parkettböden und hohen Decken mit Stuckaturen über die Alt-Wiener-Flügeltüren und -Kastenfenster bis hin zu den klassischen Raumfluchten – bei der Auflistung der Besonderheiten von klassischen Altbauwohnungen wird so mancher Zeitgenosse regelrecht ins Schwärmen geraten. Solche Objekte ziehen seit jeher auch eine eigene Klientel an, die explizit danach sucht. „Klassische Altbaubauwohnungen sind mehr gefragt als Dachgeschoßwohnungen“, sagt Dr. Andrea Mittermayr, Expertin für Wohnimmobilien & Zinshäuser bei Spiegelfeld Immobilien, im Gespräch mit ÄRZTE EXKLUSIV.


Gefragter als Dachgeschoßwohnungen

Die Liebhaber von Altbauwohnungen berufen sich auf die ganz besondere Atmosphäre, die diesen Objekten eigen ist und sich vor allem völlig von jener von Neubauwohnungen unterscheidet. „Alleine die Häuser haben schon eine völlig andere Geschichte“, bringt es DI Sandra Bauernfeind, geschäftsführende Gesellschafterin EHL Wohnen, auf den Punkt. Je nachdem, in welcher Epoche sie errichtet wurden, weisen sie wiederum besondere Eigenschaften auf. Konkret wird zwischen der Frühgründerzeit (ca. 1840 bis 1870), Hochgründerzeit (1870 bis 1890) und Spätgründerzeit (ca. 1890 bis 1918) unterschieden.

Die Entstehung der klassischen Wiener Zinshäuser geht auf die Zeit der Industrialisierung zurück, als es zu einer umfangreichen Landflucht aus den Kronländern der Habsburgermonarchie kam. Lebten um 1800 noch 250.000 Menschen in der Donaumetropole, so zählte die Stadt um 1910 bereits mehr als zwei Millionen Einwohner – und damit so viel wie noch nie zuvor. Damit ging auch ein steigender Bedarf an Wohnraum einher. Wieso im ersten Bezirk so viele Gründerzeithaus-Perlen zu finden sind, ist schnell erklärt: Hier setzte – anderes als in den anderen Bezirken der Stadt – ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Bevölkerungsrückgang ein. Bei der Bautätigkeit in der Innenstadt ging es eher um repräsentative Zwecke und nicht um die Schaffung von Wohnraum wie anderswo in der Donaumetropole.

Ganz besonders geschätzt werden laut Bauernfeind die hohen Raumhöhen in diesen Objekten. Nicht zu leugnen ist freilich, dass Altbauwohnungen gewisse Eigenheiten haben, die nicht von allen geschätzt werden. Nach der Erfahrung von Bauernfeind gehören dazu die Durchzugszimmer, die in vielen Altbauwohnungen zu finden sind. „Es kann vorkommen, dass man erst durch mehrere Zimmer gehen muss, um in ein schönes Eckzimmer zu gelangen“, so Bauernfeind. Ein weiterer Makel: Oft fehlen bei Altbauwohnungen Außenflächen wie Balkone völlig. Das kann durchaus auch bei neu sanierten Häusern vorkommen, und zwar wenn die Wohneinheiten parifiziert wurden. „In diesem Fall braucht man die Zustimmung aller Eigentümer, um einen Balkon zu bauen“, so Bauernfeind.


Hohe Preise in guten Lagen

Das Besondere hat auch seinen Preis: Bei neu und hochwertig sanierten Wohnungen in schönen Häusern in guter Lage kann der Quadratmeter durchaus auch zwischen 8.000 und 10.000 Euro kosten, berichtet Mittermayr. Klassische Altbaulagen erstrecken sich für sie über die Bezirke zwei bis neun. „Darunter sind manche etwas begehrter als andere, wie etwa die Josefstadt oder der Alsergrund.“

Auch Bauernfeind spricht von „prinzipiell guten Preisen für hochwertige Objekte in guten Lagen“. „Die Preise sind insgesamt aber stark vom Zustand des Hauses abhängig, in dem sich eine Altbauwohnung befindet. Ist es komplett saniert, dann wird der Quadratmeter mehr kosten. Ist das hingegen nicht der Fall und etwa nur die betreffende Wohnung umfassend renoviert, wird es zu Abstrichen beim Preis kommen“, fügt Bauernfeind hinzu.

Mit dem Trend zur Parifizierung von Zinshäusern, der in den letzten Jahren in Wien zu beobachten war, sind auch etliche Altbauwohnungen auf den Markt gekommen. Aktuell ist das Angebot aber eher überschaubar. „Das Angebot an Eigentumswohnungen ist derzeit in Wien generell nicht besonders groß“, sagt Bauernfeind. Mittermayr spricht sogar von einem „Stillstand“, was das Angebot an klassischen Altbauwohnungen betrifft. „Eigentümer, die nicht verkaufen müssen, verkaufen auch nicht“, hält sie fest. Das bedeutet freilich nicht, dass nicht immer wieder attraktive Gelegenheiten auf den Markt kommen. So hat die Spiegelfeld-Expertin derzeit etwa eine klassische Altbauwohnung im 9. Bezirk mit 185 m2 Wohnfläche im Angebot. Der veranschlagte Kaufpreis: 1,79 Millionen Euro.


Käufer aktuell zurückhaltend

Aber nicht nur das Angebot an klassischen Altbauwohnungen war schon einmal größer. Auch viele Käufer üben sich aktuell in Zurückhaltung, wie Mittermayr berichtet. „Viele gehen davon aus, dass die Preise fallen werden“, nennt sie den Hintergrund. Dieser

Ansicht ist sie im Übrigen auch – auch wenn derzeit aus den Medien anderes zu vernehmen sei. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Corona-bedingte wirtschaftliche Einbruch und dessen Folgewirkungen – wie etwa verstärkte Kündigungen oder die Schwierigkeit Kredite zurückzuzahlen – sich nicht auf die Immobilienpreise auswirken werden.“ Davon betroffen wären überwiegend „normale“ Altbauwohnungen, das Luxussegment hingegen weniger. Nachsatz: „Es gibt immer Leute, die über sehr viel Geld verfügen.“


pb