MEDIZIN Rehabilitation 

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Technologiegestützte Schlaganfall-Reha

Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) analysierte den klini- schen Nutzen neuer Methoden zur Ergän- zung von Standardtherapien bei Schlaganfällen.

Einige Roboter können bei der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten als Ergänzung einer Standardtherapie einen klinischen Zusatznutzen schaffen. Für eine andere Methode, die funktionelle elektrische Stimulation einzelner Muskeln oder Muskelgruppen, kann ein solcher Zusatznutzen nicht nachgewiesen werden. Das sind die Ergebnisse einer auf wissenschaftlicher Evidenz basierenden Studie, die das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) gemeinsam mit einer deutschen Leitlinienarbeitsgruppe durchgeführt und nun veröffentlicht hat. Nach kritischer Analyse von über 53 Studien empfiehlt das AIHTA daher nun in jedem Fall eine gesundheitsökonomische Evaluation vor dem Einsatz dieser Therapieergänzungen.


Ergänzung durch Roboter

Jährlich erleiden in Österreich etwa 25.000 Personen einen Schlaganfall, und viele von ihnen haben anschließend Lähmungen der unteren oder oberen Extremitäten. Zeitnahe Rehabilitationsmaßnahmen helfen oft, die umfassende Beweglichkeit zurückzuerlangen, wobei Gehen und Alltags- aktivitäten primäre Rehabilitationsziele sind. Doch gute Rehabilitationsprogramme sind ressourcenintensiv. Große Hoffnung wird daher in die Er- gänzung durch Roboter oder durch die funktionelle Elektrostimulationen der Muskeln gesetzt. Inwieweit diese Maßnahmen einen wirklichen klini- schen Zusatznutzen erzielen, hat nun das AIHTA gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe (ReMoS/ Rehabilitation der Mobilität nach Schlaganfall – AG) der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften untersucht.

Basis der umfassenden Analyse waren dabei insgesamt über 55 randomisierte klinische Studien und ein Cochrane Review. Diese Studien unter- suchten den konkreten Einsatz von roboterassistierter Rehabilitation (RAR) sowie funktioneller Elektrostimulation (FES) in verschiedenen Therapiesi- tuationen. „Die Bandbreite der zur Verfügung stehenden Geräte ist sowohl für die RAR als auch die FES ausgesprochen groß“, kommentiert Priv.- Doz. Dr. Claudia Wild, Direktorin des AIHTA. „Entsprechend groß sind auch die Erwartungen, die aber – das zeigt unsere Studie – leider nur teilwei- se erfüllt werden. So konnten wir zwar für manche Interventionen der RAR in Kombination mit einer Standardtherapie einen Zusatznutzen im Ver- gleich zur Standardtherapie ohne RAR feststellen, für die FES aber nicht.“

Tatsächlich können manche Arten der RAR den Therapieverlauf, insbesondere beim Einsatz der RAR bei der Armrehabilitation von Schlaganfallpa- tienten im subakuten Stadium, begünstigen. Der Nachweis eines Zusatznutzens der RAR als Unterstützung zum Gangtraining ist jedoch schwä- cher. Ursächlich für diese Verbesserungen sind, so vermutet man, ein intensiveres und häufigeres Training der Patienten, das dabei ohne zusätzli- chen Aufwand für Physiotherapeuten erreicht wird. „Der Einsatz der RAR kann also durchaus sinnvoll sein, die Therapieergebnisse verbessern und womöglich sogar dazu beitragen, Physiotherapeuten zeitlich und körperlich zu entlasten“, sagt Wild. Doch empfehlt sie, den Einsatz gesundheits- ökonomisch zu evaluieren, weil der Zusatznutzen nicht für alle Roboter nachgewiesen werden konnte und eine gewisse Heterogenität der Produkte zu verzeichnen ist. Bei dieser Analyse sollte zusätzlich der Schweregrad des Schlaganfalls sowie die therapeutischen Rahmenbedingungen mit in die Evaluierung einfließen.


Klinischer Zusatznutzen der FES untersucht

Die FES hingegen enttäuschte die Erwartungen an einen zusätzlichen Nutzen. Diese Erwartungen betreffen vor allem eine Stärkung der von Läh- mungen betroffenen Muskeln mittels externer elektrischer Stimulation sowie eine verbesserte Durchblutung und einen besseren Blutfluss. Für die Untersuchung des Nutzens der FES wurden vom AIHTA und den deutschen Kollegen insgesamt 26 klinische Studien ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Begleitung einer Standardtherapie mit Elektrostimulation kaum zusätzlichen Nutzen ergab. Es gibt jedoch Evidenz, die nahelegt, dass eine Subintervention der FES (FES mit Oberflächenelektroden beim Gehen) einer herkömmlichen Fußgelenksorthese nicht unterlegen ist. Eine gesundheitsökonomische Evaluierung könnte auch in diesem Fall sinnvoll sein. Zusätzlich laufen sechs weitere randomisierte Kontrollstudien, die einen klinischen Zusatznutzen der FES untersuchen. Für Wild eine willkommene Ergänzung der Datengrundlage, die vielleicht auch neue Erkennt- nisse liefern mag. Insgesamt zeigt die nun online verfügbare Studie ein gemischtes Bild über den klinischen Nutzen fortschrittlicher Zusatztherapi- en bei der standardmäßigen Rehabilitation von Schlaganfalls-Patienten. Eine kritische Evaluierung ist daher vor dem Einsatz in der Standardthera- pie in jedem Fall anzuraten.


rh