Die Covid-19-Pandemie konnte dem Boom am Grazer Immobilienmarkt bislang kein Ende setzen. Laut dem RE/MAX-Immospiegel 2020 wurden in der Mur-Metrople im Vorjahr rund 7.900 Immobilien verbüchert (Verkaufswert zwei Milliarden Euro). Das entspricht einem satten Plus von 10 % gegenüber 2019. Damit belegt Graz den ersten Platz unter den heimischen Landeshauptstädten. Damit nicht genug: Mit 3.200 Verbücherungen war Graz-Umgebung im Vorjahr der zweitstärkste Landbezirk Österreichs. Auf Basis der Verkaufswerte rangiert der steirische Landbezirk mit 741 Millionen Euro immerhin auf dem vierten Platz nach Kitzbühel, Innsbruck-Land und Salzburg-Umgebung.
Vor allem im Spätsommer und Frühherbst des vergangenen Jahres war die Nachfrage nach Eigentumswohnungen, Einfamilienhäusern und Grundstücken in Graz sehr hoch, hält Alois Marchel, Geschäftsführer RE/MAX Classic, fest. Die Preise für Eigentumswohnungen legten im Vergleich zum Vorjahrshalbjahr um 8 % zu. Neue Objekte werden im Durchschnitt mit 3.800 bis 4.000 Euro/m2 gehandelt. Moderat sind die Wohnungspreise im Westen von Graz, wo gerade etliche große Bauprojekte entstehen. Nach wie vor sehr stark nachgefragt werden gebrauchte Zwei-Zimmer-Wohnungen, ebenso wie Objekte mit mehr als 80 m2. Der Trend zu größeren Mietwohnungen soll sich laut Marchel in Zukunft weiter verstärken. Der Hintergrund: die restriktive Kreditvergabe.
Eigentumswohnungen: Preisanstieg von 3 %
In Graz-Umgebung kosten Eigentumswohnungen aktuell im Durchschnitt 2.700 bis 3.300 Euro/m2, was einem Anstieg von 3 % gegenüber 2019 entspricht. Einfamilienhäuser kosten im Durchschnitt 295.000 Euro.
Angesichts des erwarteten Anstiegs des Angebots sollten sich die Preise weniger stark entwickeln. Zurückgegangen – und zwar um 5 bis 10 % – sind wiederum die Mieten von Neuvermietungen in Graz und Graz-Umgebung. Dahinter steht das Überangebot, unter dem vor allem gebrauchte Mietwohnungen leiden. Gleichbleibend bis leicht zurückgehen sollen die Preise von neuen Mietwohnungen. Vor allem gute Qualität und Lage sollten sich in diesem Zusammenhang als stabilisierende Faktoren erweisen.
Stichwort: großes Angebot. In Graz, der Stadt mit dem prozentuell stärksten Bevölkerungszuwachs Österreichs – allein seit 2015 sind mehr als 20.000 Menschen in diese Stadt gezogen –, werden heuer mehr als 3.000 neue Wohneinheiten fertiggestellt. Rund 4.000 sollen 2022 folgen. Mehr noch als in den Vorjahren dominieren große Neubauprojekte in den Stadtentwicklungsgebieten westlich der Mur. Die Mehrheit der Großprojekte wird aktuell in den Bezirken Eggenberg, Gries, Lend, Straßgang und Puntigam realisiert.
In Straßgang, unweit des Einkaufszentrums Shopping Center West und des Landeskrankenhauses Graz-Südwest und nur wenige Minuten von den Naherholungsgebieten Florianiberg oder St. Martin entfernt, befindet sich etwa das Quartier 4 der C&P Immobilien AG. Zu dem Großprojekt gehören insgesamt 700 Wohnungen. Ebenfalls in Straßgang entsteht bis 2022 das Wohnensemble Graz-Süd der IFA. Dazu gehören 160 Wohneinheiten und 173 Tiefgaragenplätze. Neben der Fülle an nahen Erholungsgebieten punktet der Grazer Stadtbezirk mit einem reichhaltigen Bildungs- und Kulturangebot ebenso wie dem idyllischen Ortszentrum inmitten einer Großstadt.
Konkurrenz durch institutionelle Anleger
Doch Privatanleger bekommen zunehmend Konkurrenz von großen institutionellen Investoren – immer öfter von deutschen –, die nach den starken Preisanstiegen in Wien Graz für sich entdeckt haben. Sie kaufen ganze Wohnprojekte für die Vermietung auf. „Für diese Investoren ist das Verhältnis von Anschaffungskosten zu den erzielbaren Mietpreisen und Nachfrage an Mietwohnungen in Graz ein guter Boden. Im Vorjahr hat sich Union Investment beispielsweise für den offenen Immobilienfonds „immofonds 1“ das Wohnprojekt „Home Lend“ mit einer Gesamtnutzfläche von 17.000 m2 unweit der Grazer Innenstadt gesichert. Weitere spektakuläre Deals, die 2020 auf das Konto von institutionellen Investoren gingen, waren der Ankauf des AIRA Tower mit mehr als 100 Wohnungen. Bereits 2019 hat Hamburg Trust – für zwei Fonds – zwei der vier Bauteile des Quartier4 gekauft.
Das starke Interesse von institutionellen Investoren und Privatanlegern ist freilich nicht spurlos an den Renditen vorbeigegangen. Lagen die Spitzenrenditen im Vorjahr noch bei 3,75 %, so geht die Tendenz mittlerweile in Richtung 3,60 % – in Ausnahmefällen ist sogar noch weniger drinnen.
Ein guter Boden ist Graz freilich auch für vergleichsweise weniger liquide Anleger. „In Graz sind viele neue Bauvorhaben im Entstehen, was das Angebot steigen lässt“, bringt es Marchel auf den Punkt. Gerade wegen des steigenden Angebots und des zu erwartenden Drucks auf die Preise ist es besonders wichtig, bei der Anlageentscheidung sorgfältig vorzugehen. Die Experten von EHL Immobilien legen Käufern Objekte in gut erschlossenen Wohnprojekten mit guter Infrastruktur und dementsprechend geringeren Vermietungsrisiko ans Herz. Solche Wohnungen erfreuen sich nämlich einer deutlich höheren Nachfrage und können üblicherweise in nicht allzu langer Zeit vermietet werden. Und zwar – nachfragebedingt – zu höheren Preisen. Deutlich geringere Mieteinnahmen werden hingegen mit Objekten in schlichten Wohnanlagen mit unzureichender Qualität lukriert werden. Laut EHL Immobilien liegen die Grazer Mietpreise aktuell bei 8 bis 13,50 Euro/m2 Nutzfläche. Darüber hinaus werden die üblichen Nebenkosten – sprich Betriebskosten, Heizungskosten und Umsatzsteuer – verrechnet, ebenso wie die monatlichen Kosten von Stellplätzen von 45 bis 90 Euro.
pb