Otitis und Rhinosinusitis sind häufige An- lässe von Patienten für das Aufsuchen der Hausarztpraxis. Die Mehrheit dieser Er- krankungen ist viral bedingt und klingt nach einiger Zeit von selbst wieder ab. In gewissen Fällen kann eine Antibiotikathe- rapie dennoch hilfreich sein.
Das Vorgehen bei erkrankten Personen ohne Red Flags richtet sich vor allem nach dem klinischen Erfahrungswissen des behandelnden Arztes bei der Einschätzung der Ausprägung des Krankheitsbildes. Auch evidenzbasierte Entscheidungsstrategien aus Leitlinien und die Einschätzung nach Scores kommen gegebenenfalls zum Einsatz.
Akute Otitis media im Kleinkindalter
Besonders in der Landarztpraxis ist auch die akute Otitis media (AOM) bei Kleinkindern ein häufiger Besuchsanlass. Diese entzündliche Erkran- kung des Säuglings- und/oder Kleinkindes ist laut einer Studie der dritthäufigste Grund für Antibiotikaverordnungen in dieser Altersgruppe. Der akuten Otitis media geht fast immer eine virale Infektion der oberen Atemwege durch RS-, Influenza-, Parainfluenzaviren sowie Rhino-, Adeno- und Enteroviren voraus. Zu den häufigsten bakteriellen Erregern zählen Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae, gefolgt von Moraxella catarrhalis. Durch Routineimpfungen gegen Pneumokokken, Haempohilis influenzae und Influenza lässt sich die OAM-Inzidenz bei Kindern sen- ken. Die Therapie umfasst die Gabe von abschwellenden Nasentropfen, Analgetika (Paracetamol, Naproxen oder Ibuprofen) und gegebenenfalls Antibiotika. Indikationen für eine Antibiotikatherapie sind Otitis media beidseits, Otorrhoe, schweres Krankheitsbild, Risikofaktoren und Alter jünger als sechs Monate. Therapie der ersten Wahl ist Amoxicillin, bei bestehender Penicillinallergie stellen zum Beispiel Cefuroxim oder Trimethoprim eine Alternative dar.
„Dauerbrenner“ (Rhino)Sinusitis
Bei einer (Rhino)Sinusitis kann es sich um eine virale, bakterielle oder Pilzinfektion oder auch um eine allergische Reaktion handeln. Symptome wie beispielsweise Nasenschleimhautschwellung und -obstruktion, eitrige Rhinorrhö und Gesichtsschmerzen oder Druckgefühl treten auf. Ein allgemei- nes Krankheitsgefühl und/oder Fieber sind typisch. Die rationale Behandlung im Falle der viralen akuten Rhinitis umfasst Kochsalzlösung als Na- senspülung oder Meerwassersprays, Wirkstoffe zur Schleimlösung, Dampfinhalationen, topische oder systemische Vasokonstriktoren und Analgeti- kagabe. Zusätzlich sind abschwellende Mittel und feuchtwarme Kompressen ein Gebot der Stunde, um eine Symptomlinderung und einen besse- ren Sekretabfluss aus der Nebenhöhle herbeizuführen.
Die Behandlung bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion besteht in der Gabe von Antibiotika wie Penicillin (Amoxicillin) oder Cephalosporine (Ce- furoxim). Bei Penicillinallergie bzw. als Mittel der zweiten Wahl können Makrolide (Azithromycin, Clarithromycin) oder Doxycylin eingesetzt werden, verabreicht für fünf bis sieben Tage bei akuter Sinusitis und für bis zu sechs Wochen bei chronischer Sinusitis. Beim chronischen Krankheitsbild profitieren die meisten Patienten von einer Langzeittherapie mit kortisonhältigen Nasensprays. Sie erleichtern die Nasenatmung, reduzieren die Se- kretion und verbessern den Geruchssinn.
Alter und Krankheitsausprägung entscheidend
Ein Großteil der Patienten bei den angeführten Erkrankungen kann zunächst rein symptomatisch bei begleitender Verlaufskontrolle behandelt wer- den. Das Alter und Ausprägung der Symptome spielen eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, ob eine antibiotische Therapie gewählt wird. Die Versagerrate bei zunächst beobachtendem Vorgehen bei Kindern unter zwei Jahren ist fast doppelt so hoch wie bei Patienten über zwei Jah- ren. Patienten mit schwerer Ausprägung der Symptome haben mit 14 % ebenfalls eine signifikant höhere Versagensquote als Patienten mit nur leichten Beschwerden (4 %).
Bei einem simplen viralen Atemwegsinfekt ist somit eine Antibiotikatherapie nicht indiziert – manchmal ist die Erwartungshaltung der Erkrankten dennoch eine andere. Verschiedene Compliance-Strategien können Abhilfe schaffen, um Antibiotika rational zu verordnen, ohne dass die Patien- tenzufriedenheit darunter leidet. Gegebenenfalls sollten zur Unterstützung des Darmmikrobioms Probiotika eingenommen werden.
Die Therapietreue bestimmt ganz wesentlich den Behandlungserfolg. In Einzelfällen greifen Patienten zu Antibiotika ohne Verordnung und vorheri- ge Konsultation eines Arztes, weil sie diese noch daheim von anderen Erkrankungenen vorrätig hatten. Leider muss hier auch erwähnt werden, dass es aufgrund des (Hausärzte-)-Mangels vermehrt zur Selbstmedikation kommt. Hier ist vor allem umfassende Patientenaufklärung und -bera- tung gefragt, da Compliance von den Faktoren Vertrauen und Verstehen getragen wird. Die Pandemie hat die Bedeutung des sozialen Umfeldes im Falle einer Erkranung verstärkt in den Vordergrund gerückt. Insbesondere bei älteren und minderjährigen Patienten geht es im Falle der Kom- munikation mit den Angehörigen zunächst einmal primär um die Übermittlung sachlicher Informationen durch den Arzt. Ist die erkrankte Person in ihrem Umfeld gut aufgehoben, können stressbedingte Emotionen, welche durch Ungeduld, Verärgerung, Zorn oder auch Hilflosigkeit enstehen, gut abgefedert werden. Der wichtigste Compliance-Faktor ist der Erfolg der Therapie. Erhalten die Patienten die passenden Medikamente, werden auch im Internetzeitalter kaum Zweifel an der Richtigkeit der Behandlung entstehen.
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QUELLEN:
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