MEDIZIN | Sepsis 


Bis zu 50 % der

Sepsisüberlebenden

leiden langfristig an

körperlichen und/oder

psychologischen

Folgen.


Buchman et al,

https://doi.org/10.1097/

Post-Sepsis-Care: Langzeitfolgen

besser behandeln

FotoS: zvg, Fotoservice reither, istockphoto/ Dr_Microbe

Bei steigender Inzidenz der Sepsis-Fälle sinkt die primäre Mortalität. Damit ist das Gesundheitssys- tem mit mehr Sepsis-Überlebenden konfrontiert. Die Folgeerkrankungen sind mit denen einer Covid-Er- krankung vergleichbar.0

AUTOREN:

Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder

Leiter der Abteilung für Anästhesie und operative In- tensivmedizin am Krankenhaus St. Vinzenz in Zams, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anäs- thesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGA- RI), www.oegari.at


Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Eva Schaden

Leiterin einer Intensivstation an der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie, MedUni Wien, Stellvertreterin

für den Bereich Intensivmedizin der ÖGARI, Präsi- dentin der Federation of Austrian Societies of Intensi- ve Care Medicine (FASIM)

Rund 50 Millionen Sepsis-Fälle treten weltweit pro Jahr auf, elf Millionen Menschen sterben daran, darunter sind etwa drei Millionen Kinder und Jugendliche. Allein In Österreich geht man von etwa 28.000 Sepsis-Er- krankten und rund 6.700 Sepsis-bedingten Todesfällen pro Jahr aus. Die zunehmende Zahl an Sepsis-Überlebenden ist eine wachsende Heraus- forderung, die verschiedene und vielfältige Komplikationen mit sich bringt. Etwa ein Drittel der Überlebenden verstirbt innerhalb eines Jahres

an den Folgen der Sepsis und etwa 17 % haben weiterhin starke körperliche und kognitive Einschränkungen. Derzeit wird im österreichischen Bun- desministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz unter Beteiligung von Experten der ÖGARI ein Nationaler Aktionsplan Sepsis erarbeitet. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Empfehlungen für die Post-Sepsis-Care.


Auslöser: Sars-CoV-2

Trotz wachsendem Verständnis für das Krankheitsbild im Akutsetting und einer damit verbesserten unmittelbaren Versorgung sind in Österreich keine exakten Daten zu Sepsis und deren Langzeitfolgen vorhanden. Nach Überwinden der Akutphase können bei den Betroffenen vielfältige Langzeitfolgen auftreten. Häufige Symptome sind kognitive Einschränkungen, psychiatrische Probleme wie Angststörung, posttraumatische Belas- tungsstörung oder Depression. Auch körperliche Einschränkungen wie Neuro- und Myopathien, Versteifung der Gelenke oder Schluckstörungen, aber auch kardiovaskuläre Probleme können auftreten. Die Symptome ähneln dem Post-ICU-Care-Syndrom (PICS) und sind somit auch mit den Folgen einer Covid-Erkrankung vergleichbar.

Studien belegen, dass die Lebensqualität der Sep- sis-Überlebenden leidet. Es kommt häufig zu erneu- tem medizinischen Kontakt wie auch stationärer Be- handlung. Patienten nach septischem Schock, Sep- sis oder schweren Infektionen werden innerhalb ei- nes Jahres nach Entlassung im Durchschnitt mit etwa sieben neuen klinischen Diagnosen konfron- tiert. In Summe führt dies zu einer deutlichen Belas- tung des Gesundheitssystems.1, 2

Um eine entsprechende weitere Versorgung der Post-Sepsis-Patienten analog dem Post-ICU-Care- Syndrom besser zu organisieren, wurde für Sepsis- Überlebende der Begriff des „Post-Sepsis-Syn- droms“ eingeführt, denn auch nach akut überstan- dener Sepsis bleibt der medizinische und pflegeri- sche Aufwand erheblich.3

Nahezu alle akuten Infektionserkrankungen, ein- schließlich Viren wie SARS-CoV-2, können zu einer gefährlichen Sepsis führen. Die Folgen sind septi- scher Schock, Multiorganversagen bis hin zum Tod,

wenn eine Sepsis nicht frühzeitig erkannt und akut behandelt wird.

ÖGARI Empfehlungen zur Weiterversorgung bei Post-Sepsis-Syndrom und Post-ICU-Care-Syndrom

• Typische Folgen einer Sepsis und/oder einer kritischen Erkrankung wie zum

Beispiel kognitive Einschränkungen, psychiatrische Probleme und körperliche Einschränkungen sollten bereits im akutmedizinischen Bereich erfasst werden und durch entsprechende Diagnosen an weiterbehandelnde Einheiten kommuniziert werden.4

• Ein Ausbau von Intermediate-Care-Betten bzw. spezialisierten Einrichtungen zur Weiterversor- gung nach Intensivaufenthalt bei überstandener Sepsis und/oder kritischer Erkrankung ist erforderlich.

• Einrichtung spezialisierter Rehabilitationseinheiten vergleichbar zu den Post-Covid-Einrichtungen

• Patienten, die bei Entlassung aus der stationären Behandlung/Pflege bereits dokumentierte Ein- schränkungen haben, sollten zur weiteren Betreuung an entsprechende Spezialisten verwiesen werden.5

• Für Patienten und Angehörige müssen Informationen hinsichtlich Erkrankung und des weiteren Prozedere zugänglich gemacht werden.



80 %

der Sepsisfälle

treten außerhalb des

Krankenhauses auf.


Rudd et al, https://doi.org/10.1016/

S0140-6736(19)32989-7.

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QUELLEN:

0) Comparison of 6-Month Outcomes of Survivors of COVID-19 versus Non-COVID-19 Critical Illness. Hodgson CL, Higgins AM, Bailey MJ, et al; COVID-Recovery Study Investigators and the ANZICS Clinical Trials Group. Am J Respir Crit Care Med. 2022; 205(10): 1159-1168. doi: 10.1164/rccm.202110-2335OC.

1) Lone NI, Gillies MA, Haddow C, et al. Five-Year Mortality and Hospital Costs Associated with Surviving Intensive Care. Am J Respir Crit Care Med. 2016;194(2):198-208. doi:10.1164/rccm.201511-2234OC

2) Fleischmann-Struzek C, Rose N, Freytag A, et al. Epidemiology and Costs of Postsepsis Morbidity, Nursing Care Dependency, and Mortality in Germany, 2013 to 2017. JAMA Netw Open. 2021; 4(11): e2134290. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.34290

3) Mostel Z, Perl A, Marck M, et al. Post-sepsis syndrome – an evolving entity that afflicts survivors

of sepsis. Mol Med. 2020;26(1):6. doi:10.1186/s10020-019-0132-z

4) Deutsche Sepsis Gesellschaft e. V. S3-Leitlinie Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge – Langversion 3.1. Published online 2018.

5) Evans L, Rhodes A, Alhazzani W, et al. Surviving sepsis campaign: international guidelines for management of sepsis and septic shock 2021. Intensive Care Med. 2021;47(11):1181-1247. doi:10.1007/s00134-021-06506-y