FORTBILDUNG & KLINIK I Medizinrecht

FotoS: zvg, istockphoto/ malerapaso

Juristische Ausbildung für Mediziner

Das Masterprogramm Medizinrecht der Universität für Weiterbil- dung Krems unter der Leitung von Univ.-Prof. DDr. Thomas Rat- ka, LL.M., fokussiert die fortschreitende Verrechtlichung der Me- dizin und die wachsende Komplexität des einschlägigen Rechtsmaterials und reagiert auf aktuelle Entwicklungen in Rechtsfragen.

Professor Ratka schickt einen wertvollen Hinweis voraus: „Ab Studienstart 2024 werden vom Gesetzgeber für die Inskription in ein ‚LL.M.‘-Pro- gramm die Zulassungsvoraussetzungen erschwert, die dann insbesondere von Medizinern in Form juristischer Grundkenntnisse nachgeholt wer- den müssen.“ Der Lehrgang werde dadurch deutlich länger und aufwendiger, warnt der Departmentleiter. Daher: „Wer als Arzt ein LL.M.-Studium als Zusatzqualifikation absolvieren möchte, sollte das nicht aufschieben und schon 2023 beginnen.“


Curriculum für Juristen, Mediziner und Manager

Den Universitätslehrgang Medizinrecht gibt es an der Universität für Weiterbildung Krems seit mehr als zehn Jahren, wobei das Postgraduate-Stu- dium jährlich etwa 20 Personen beginnen. Nicht zuletzt wegen des starken Medizinschwerpunktes, der mehr als 50 % der Angebote der Hoch- schule ausmacht, setzte die damals noch als Donau-Universität Krems bekannte Universität als eine der ersten auf das Thema. Medizinrecht be- schäftigt sich mit der Gesamtheit der rechtlichen Regeln, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Ausübung der Heilkunde beziehen. Der USP des Lehrgangs ist schnell zusammengefasst: Es handelt sich dabei um einen multi- und interdisziplinären Lehrgang, der die üblichen Fächergren- zen im Hinblick auf verfassungsrechtliche, verwaltungsrechtliche, europarechtliche, völkerrechtliche, zivilrechtliche, strafrechtliche, arbeits- und so- zialrechtliche sowie rechtsethische Aspekte der Ausübung der Medizin überschreitet. „Hier bleiben weder Mediziner noch Juristen oder Ökonomen unter sich, sondern sie kooperieren über alle Fakultäten hinweg“, sagt Ratka und ergänzt: „Wir haben jeweils ein Drittel Mediziner, Juristen und Ma- nager und genauso interdisziplinär ist auch das Studium.“


Fruchtbares voneinander Lernen

Gelernt wird nicht nur von den Vortragenden, sondern auch von den Studienkollegen, die ihre Erfahrungen einbringen. Mediziner stehen im Ruf, häufig Berührungsängsten bei juristi- schen Themen ausgesetzt zu sein, ja regelrecht ein Feindbild zu pflegen: „Juristen gelten immer noch als Verhinderer oder gar Bedroher.“ Umgekehrt fehlt Juristen manchmal das Verständnis für medizinische Themen – sie kennen die Praxis der medizinischen Arbeit zu wenig, um Mandate mit entsprechend fundiertem Hintergrundwissen ausüben zu können. Im Lehrgang Medizinrecht sorgen Themen aus der täglichen Praxis dafür, dass sich die Teilnehmer nicht nur respektieren, sondern ein ganzheitliches Verständnis entwickeln. „Im Fokus steht ein fruchtbares voneinander Lernen“, so Ratka. „Nicht nur das Arzthaftungs- recht mit der Frage, was erlaubt ist und was nicht, wird thematisiert, sondern die Berufs- stände werden vernetzt: Juristen erlernen ein medizinisches, Mediziner ein juristisches Grundverständnis, und man lernt die Mechanismen des Gesundheitswesens an sich kennen.“

Wenn Ärzte in Managementpositionen wechseln, ohne jemals in Recht oder Betriebswirt- schaft ausgebildet worden zu sein, passieren Fehler. „Das ist völlig natürlich. Ein Jurist kann

sich auch nicht einfach in den OP stellen und operieren, weil er meint, ein guter Jurist mache einen guten Mediziner, das wäre absurd“, so der Lehrgangsleiter. „Für Ärzte, die die Karriereleiter hochklettern und Schlüsselpositionen im Krankenhausmanagement einnehmen wollen, Aufsichts- ratsmandate in Gesundheits- oder Pharmaunternehmen übernehmen oder eine Primärversorgungseinheit mit vielen Angestellten leiten wollen, empfiehlt sich der Lehrgang.“ Bilanzen lesen, Gesellschafterversammlungen leiten, Vergabeprozesse durchführen, Personalverantwortung tragen zu können, ein Compliance-System aufbauen, die Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers zu kennen – all das sind Kompetenzen, die erlernt wer- den müssen, wenn Ärzte über den ärztlichen Kernberuf hinausgehend Verantwortungsträger sind. Die Themenpalette ist sehr vielfältig und reicht vom Zusammenspiel öffentlichen und privaten Rechts über eine Grundausbildung in Arbeitsrecht bis hin zu Spezialthemen wie Notfallmedizin, Di- gitalisierung, Datenschutz oder die Versorgung psychisch Kranker.


Populäre Haftungsfragen

„Ärzte und Rechtsanwälte gehören zu den besonders häufig zivilrechtlich geklagten oder gar strafrechtlich angeklagten Berufsgruppen“, sagt Rat- ka. Haftungsfragen stellen zivil- wie auch strafrechtlich eine zentrale Thematik dar. „Eigenmächtige Heilbehandlung ist ein Straftatbestand. Hier wird rasch geklagt, denn die Bestimmungen sind sehr streng“, erzählt der Jurist. Aktuelle Fälle werden herausgegriffen und diskutiert, denn die Vermeidung und Abwehr von Haftungsklagen und beispielsweise die Frage, wie richtig aufgeklärt wird, sind juristischer Alltag und betreffen daher alle Ärzte. Darüber hinaus nennt Ratka als häufige Themen die Rechtsverhältnisse zu Partnern in einer GmbH oder einer Primärversorgungseinheit, die Grenzen von Behandlungsverträgen und Organisationsrecht oder datenschutzrechtliche Streitfälle, die durch die Umwälzungen im Daten- schutz – Stichwort DSGVO – vermehrt entstanden sind.

Thema des Lehrgangs Medizinrecht sind natürlich auch eine Einführung in die juristische Methodenlehre, in das Privatrecht, das europäische Ge- sundheitsrecht und das Produktsicherheitsrecht. „Viele Medizinproduktzulassungen passieren auf EU-Ebene“, so Ratka. „Fragen der grenzüber- schreitenden Ausübung des Arztberufes oder des internationalen Handels der Online-Apotheken sind vom EU-Recht determiniert.“ Auch grenz- überschreitende Dienstleistungen sind rechtlich schwer zu beurteilen. Stellen Sie sich zum Beispiel den Fall vor, dass bei einer kontinentübergrei- fenden Krebs-OP mit einem Da-Vinci-Roboter etwas schiefläuft. Welches Recht ist anwendbar, wenn der Operateur in New York sitzt? Aus digitalen Plattformen oder Gesundheitsapps ergeben sich mitunter juristische Fragen, die bisher noch nicht bekannt waren.


Gutachten und KI

Rege diskutiert werden medizinische Gutachten, die häufig vom Obersten Gerichtshof aufgehoben werden, da sie den Formalkriterien nicht entspre- chen. Zukunftsrelevante Fragen, die sich durch die neuesten Entwicklungen in Medizin, Recht und Wirtschaft ergeben, fließen in das Curriculum mit ein. „Künstliche Intelligenz wirft spannende ethi- sche Fragen Diagnosen und Behandlung betref- fend auf. Wie weit dürfen sich Ärzte auf Daten ver- lassen, besteht Nachprüfungspflicht, wie sieht die Sachlage rechtsethisch aus?“, nennt Ratka Beispiel für aktuelle medizinrechtliche Themen, die sich oft erst durch neueste Entwicklungen ergeben. „Tria- gen und ihre rechtlichen Aspekte gehörten eher der Vergangenheit an, wurden aber durch Covid-19 wieder brandaktuell und sorgen für neue ethische Herausforderungen.“ Beraten wird die Universität für Weiterbildung Krems von der Österreichischen Ärztekammer, die als Partner an der Entwicklung von Themen mitwirkt.


bw

Absolventen des Universitätslehrgangs können …

• die Rechtsbegriffe und Grundlagen des Privatrechts, des Verfassungs- und Verwaltungsrechts so- wie des Medizinrechts darlegen;

• das österreichische Gesundheitswesen und dessen Abläufe erklären;

• die rechtlichen Regelungen im Rahmen der Leistungserbringung sowie die Berufsrechte der Heil- berufe und die damit in Verbindung stehenden Bestimmungen des Arbeits- und Sozialrechts benennen;

• datenschutzrechtliche Fragestellungen und rechtliche Herausforderungen im Bereich der Digitali- sierung und Telemedizin beurteilen;

• die einschlägigen Rechtsvorschriften im Bereich der Haftung der Gesundheitsberufe benennen;

• im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit die Rechte von Patienten sowie von psychisch Kranken und Menschen mit Behinderung wiedergeben;

• die Grundlagen im Bereich des Produktrechts und Anti-Doping-Rechts darlegen und auf konkrete Sachverhalte anwenden;

• Grenzfragen der Bioethik und die damit verbundenen medizinrechtlichen und ethischen Herausfor- derungen und Problemstellungen identifizieren;

• ihr medizinrechtliches Know-how im Rahmen von Fallstudien anwenden;

• Zukunftstrends und Zukunftsherausforderungen im Gesundheitswesen erklären.

__________________________________________________________________________________________

Master of Laws LL.M. – Medizinrecht

Dauer: 4 Semester, 60 ECTS-Punkte, berufsbegleitend, Kosten: € 9.900,–

www.donau-uni.ac.at