MEDIZIN | Psychostimulanzien
Psycho-
stimulanzien:
Dauer und Inten- sität der Wirkung erforscht
Foto: adobe stock/ Pixel-Shot
Psychostimulanzien, die mit dem Dopa- mintransporter interagieren, finden sich in der Therapie von neuropsychiatrischen Störungen wie ADHS oder Depressionen ebenso wie auf dem illegalen Drogenmarkt.
Um deren genaue Wirkweise und unerwünschte Wirkungen besser zu verstehen, beschäftigt sich ein Forschungsteam um Harald Sitte vom Zen- trum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien schon länger mit der Frage, warum verschiedene Stoffe dieser Substanzgruppe unter- schiedlich wirken. In einer Reihe von In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen sowie Computersimulationen untersuchten die Forscher die pharmakolo- gischen Wirkungen verschiedener sowohl medizinisch als auch missbräuchlich verwendeter Psychostimulanzien, die mit dem Dopamintransporter interagieren. Dazu zählen auf der einen Seite Stoffe wie α-Pyrrolidinovalerophenon (auch α-PVP oder „Flakka“ genannt) sowie 3,4-Methylendioxy- pyrovaleron (auch MDPV oder als „Cloud 9“ bekannt) und auf der anderen Seite Kokain sowie Methylphenidat, ein gängiger Wirkstoff zur Behand- lung von ADHS.
„Manche dieser Stoffe zeigten in unseren Zellkulturmodellen einen ausgeprägt anhaltenden Effekt, den wir dann auch in vivo in Mausmodellen wie- derfinden konnten“, berichtet Studienleiter Univ.-Prof. Dr. Harald Sitte vom Institut für Pharmakologie des Zentrums für Physiologie und Pharmakolo- gie der MedUni Wien aus der Analyse der genauen pharmakologischen Zusammenhänge: „Unseren Forschungen zufolge ist es die Dauer der Bin- dung an den Dopamintransporter, die hier den Unterschied macht.“
Zentrale Rolle des Dopamintransporters
Dopamintransporter sind Proteine, die für die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Dopamin verantwortlich sind. Als Botenstoff, der Signale zwi- schen Nervenzellen weiterleitet, steuert Dopamin emotionale, geistige, aber auch motorische Reaktionen im Gehirn. Ist zu viel oder zu wenig Dopa- min im Spiel, sind neuropsychiatrische Probleme die Folge. Die mit Dopamin in Zusammenhang stehenden Zustände können sowohl medikamen- tös als auch missbräuchlich durch die Wirkweise von Psychostimulanzien hervorgerufen werden. Dopamintransporter und Dopaminspiegel spielen bei der Entwicklung von Substanzgebrauchsstörungen eine zentrale Rolle.
„Unsere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die von uns untersuchten Wirkstoffe unterschiedlich stark und unterschiedlich lang mit dem Do- pamintransporter interagieren“, erläutert Erstautor Marco Niello, PhD, vom Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien. „Das wie- derum ist der molekulare Hintergrund für die Unterschiede in Dauer und Intensität der Wirkungen von unterschiedlichen Psychostimulanzien“, er- gänzt Sitte und erklärt die medizinische und gesellschaftliche Relevanz der Studie, die in Kooperation mit dem National Institute of Drug Abuse in Baltimore, der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg sowie der Universität Kopenhagen durchgeführt wurde: „Durch die Erkennt- nisse aus unserer Forschungsarbeit werden wir in Zukunft bessere Voraussagen über die Wirkweise und über die unerwünschten Wirkungen von zum Beispiel neuartigen sowie unerforschten Straßendrogen treffen können und so zu einem nachhaltigeren Schutz der Bevölkerung beitragen. Darüber hinaus können unsere Studienergebnisse die Basis für weitere Forschungen zur Verbesserung der therapeutischen Anwendung von Psy- chostimulanzien darstellen.“
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Publikation:
Marco Niello et al., Persistent binding at dopamine transporters determines sustained psychostimulant effects; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.2114204120