WOHNTRÄUME & PRAXISRÄUME | Ordination
Dr. Michaela Haas legte besonders viel Wert auf eine Wohlfühlatmosphäre, die ein Zuhause-Gefühl statt einem Arztpraxen-Gefühl vermitteln sollte.
Vorzeigepraxis
FotoS: Schrattenecker-Fischer Fotografie, Judith Winter-Schermaier, Tischlerei MOSER GMBH - [tp3] architekten
„Zeig mir, wie du baust, und ich sage dir, wer du bist“, sagte Christian Morgenstern. Das gilt wohl gleichermaßen für Wohnungen wie für Arbeitsstätten! Die Praxis ist das Aushängeschild des Arztes. Welche Hürden und Freuden mit Um- und Neubau
verbunden sind, erzählen uns stolze Bauherren.
Derzeit wird viel diskutiert, dass Ärzte – ob Kassenarzt oder Wahlarzt – selbst dafür verantwortlich sind, ihren „Unique Sel- ling Point“ zu finden, also das, was sie für ihre Patienten besonders macht. Komfort, moderne Technik, Barrierefreiheit und Serviceleistungen müssen selbstverständliche Bestandteile sein. Notwendig dafür sind allerdings eine moderne Infrastruk- tur und eine Bausubstanz, die Modernisierungen überhaupt zulässt.
Während sich der eine für einen Neubau „auf der grünen Wiese“ entscheidet und in Zusammenarbeit mit Architekten und Bauleitern nach optimierten und ökologisch machbaren Bedingungen für alle Wunschvorstellungen sucht, entscheidet sich der andere für einen Umbau bestehender Bausubstanzen. Beides erfordert viel Weitblick, Erfahrung und Vorstellungskraft. ÄRZTE EXKLUSIV hat heimische Ärzte und ihre Architekten befragt, wie sie diese entscheidende Phase in ihrem Arbeitsle- ben erlebt haben und wie sie rückblickend darüber urteilen.
Der richtige Partner
Ein Arzt ist ein Arzt und kein Baumeister, kein Designer und kein Architekt. Aus diesem Grund ist der wichtigste Schritt zur neuen Ordination: der richtige Partner. Immerhin will Entscheidendes bewegt werden, das den Alltag vieler kommender Jahre tagtäglich beeinflusst. Die Zusammenarbeit von Bauherr und Architekt oder Planer ist daher weit mehr als ein ge- meinsames Arbeitsprojekt: Neben der Kompetenz muss auch die „Chemie“ stimmen.
Vertrauen brachte offensichtlich Familie Winter dem Wohnteam aus Schärding entgegen, das sowohl Ordination als auch Wohnraum übernahm. Für Manfred Schmidhuber vom Wohnteam war das Besondere am Projekt Winter jedenfalls die „Freiheit in der gesamten Planung. Sowohl die Gestaltung als auch Material- und Farbauswahl lagen komplett in meiner Hand. Dadurch entstand ein stimmiges Gesamtkonzept.“ MMag. Judith Winter-Schermaier, Ehefrau des Kardiologen Dr. Thomas Winter, erzählt, dass es eine persönliche Empfehlung war, die schließlich zur Entscheidung für den Architekten führte.
Für Dr. Monika Resch, Kinderärztin in der Kinderarztpraxis Schumanngasse, lag die Wahl des Architekten DI Johann Lett- ner nahe, denn: „Die Brüder Lettner haben bereits viele Jahre mit meinem Vater gemeinsam gearbeitet. Ihre Expertise ge- paart mit ihrem Verständnis für die Anforderungen für dieses Projekt ließen mich nie infrage stellen, dass auch dieses Pro- jekt von den beiden übernommen werden sollte“, erzählt Resch. „Es ging von Anfang an darum, Barrierefreiheit, Hygiene- auflagen und unseren Wunsch nach kindgerechter, großzügiger, freundlicher Atmosphäre zu erfüllen und unter einen Hut
zu bringen. Das ist den beiden auf großartige Weise gelungen!“
Dr. Michaela Haas, Allgemeinmedizinerin in Straßwalchen, wollte aus ihrer alten Ordination ausziehen und hatte Glück: „Eine neue Apotheke wurde gebaut und ich durfte mich in den Neubau einmieten. Der Architekt wurde mir dann auch von der Apothekerin empfohlen“, erzählt Haas. „Das Architekturbüro [tp3], das zur Tischlerei Mo- ser gehört, bietet alles aus einer Hand an: Planung, Bauaufsicht, Kostenplanung und Ausführung der Einrichtung – ich musste mich um nichts kümmern und konnte ungehindert weiterarbeiten, bis die neue Ordination fertig war.“ Die Übersiedelung konnte mit nur zwei ordinationsfreien Tagen – wegen der EDV-Umstellung und des Tele- fons etc. – durchgeführt werden, was nur einen geringen Verdienstausfall mit sich brachte.
Eine Bestandsfrage
In den allermeisten Fällen ergibt sich die Beantwortung der Frage Neubau oder Umbau aus den lokalen Gege- benheiten. Für den Architekten und Planer sorgen Umbauten oft für besondere Herausforderungen, da der Be- stand nicht jede Lösung zulässt. Das bestätigt auch Manfred Schmidhuber vom Wohnteam, der für die Planung für den Kardiologen Winter verantwortlich zeichnet: „Bei einem Umbau muss man mehr auf die gegebenen Räumlichkeiten eingehen – hier individuelle Lösungen zu finden, ist für mich immer eine spannende Herausfor- derung. Mit einem gut geplanten Konzept und den richtigen Professionisten, die Hand in Hand arbeiten, laufen beim Wohnteam sowohl Neubau als auch Umbau unkompliziert ab.“ Die erste Immobilie war für die steigende Patientenzahl zu klein und wenig funktionell, ergänzt Judith Winter-Schermaier. Letztlich kam die Entscheidung für einen Neubau also nicht überraschend. Darüber hinaus ging es darum, auch eine Lösung für das Wohnen zu finden. „Unser Konzept sieht Wohnen und Ordination in einer Immobilie vor. Dies erleichtert die Kinderbetreuung und spart Zeit“, sagt die Arztgattin. Kurze Wege, keine Fahrten zwischen Ordination und Wohnung bringen viel Effizienz und da der Kardiologe zusätzlich die Abteilung für Innere Medizin II im Krankenhaus Ried leitet, lag ein Neubau vor Ort nahe.
Für Monika Resch war es immer ihr „Lebenstraum, ein Haus für Kinder zu schaffen, in dem ein Kind – egal ob krank oder gesund – alles geboten bekommt, was es im Laufe seines Lebens brauchen könnte.“ Wichtig sei da- bei neben der Kompetenz der einzelnen Ärzte und Therapeuten gewesen, eine Umgebung zu schaffen, in der sich ein Kind und seine Eltern wohlfühlen. Es sollte keine Angst haben, sondern gerne kommen. „Außerdem war uns die Nähe zum AKH/St. Anna wichtig, damit im Ernstfall der Weg ins Spital nicht weit ist“, fügt Resch hinzu. Reschs Vater begab sich auf die Suche nach einem Haus, das all diese Kriterien erfüllen sollte und wurde vor sechs Jahren in der Schumanngasse 84 fündig. „Gemeinsam mit Andreas Hanslik und Lila Mlczoch habe ich das ‚geträumte‘ Konzept in die Realität umgesetzt und mit meinem Vater gemeinsam nach unseren Wünschen umgebaut – sprich den Altbau in seiner Hülle stehen lassen und komplett ausgehöhlt, um ein helles, großzügi- ges und kindgerechtes Ambiente schaffen zu können“, ist Resch hörbar stolz auf ihre neue Ordination. Gewohnt wird übrigens mit Mann und Kindern in einem ausgebauten Dachboden. Es gibt ein kleines Schlafzimmer, ein kleines Kinderzimmer, „sonst ist die Wohnung offen und wir leben quasi zu viert in einem loftartigen Raum. Durch die Größe kann man sich trotzdem gut zurückziehen und auch für sich sein“, sagt Resch.
(re.) Klare Formen und neutrale Farben dominieren den Charakter der Ordination von Dr. Winter.
(li.) Das Wohnteam zeichnet für die moderne, ästhetische Küche der Fami- lie Winter verantwortlich.
Klarheit kombiniert mit Charme und Kinderfreundlichkeit in der Kinderarztpraxis Schumanngasse – so geht Wohlfühlen. Fotos: Georg Spandl, PRIVAT
Einen gänzlich anderen Weg ging die Gemeinde Thaya. Hier stand ein ehemaliges Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1903 zur Verfügung, das die Gemeinde als Arztpraxis zur Verfügung stellen wollte. DI Dietrich Waldmann nahm die Mustersanierung in die Hände, Amtsleiter Alois Semper und Bürgermeister Ing. Eduard Köck standen helfend zur Seite. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Gemeindearztpraxis von Dr. Ute Waldmann ist heute ein Schmuckstück, das sich hervorragend ins Ortsbild einfügt und dennoch den Patien- ten modernen Komfort bietet.
Barrierefreiheit und andere Herausforderungen
Dass Barrierefreiheit einen der zentralen Faktoren für eine Ordination darstellt, betont Dr. Michaela Haas. Sie entschied sich für einen Umzug, da die alte Ordination im ersten Stock eines Hauses ohne Lift gelegen und daher nicht behindertengerecht, nicht zeitgemäß oder patientenfreundlich war. Das Architekturbüro [tp3] der Tischlerei Moser stellte sich der Herausforderung, auf kleinem Grundriss die nötigen Räumlichkeiten zu inte- grieren und gleichzeitig perfekt aufeinander abgestimmte Wegebeziehungen und Arbeitsabläufe zu schaffen. So entstand eine Lösung mit optimaler Raumnutzung und höchster Funktionalität. „Die Praxis wurde bewusst nicht mit einer für Arztpraxen typischen ‚cleanen‘ Oberfläche, sondern mit einer harmonischen Farbgebung gestaltet, die eine Wohlfühlatmosphäre vermitteln soll. Ein warmer Creme-Ton und Akzente in Ahornholz ka- men hierbei zum Einsatz“, erzählt DI Cornelia Hummer vom Team der [tp3] architekten. Die Herausforderun- gen bei der Planung der Ordination von Dr. Haas waren schnell identifiziert: „Die Arbeitsbereiche Bespre- chung, Behandlung, Büro/Arbeiten finden alle im gleichen Raum statt und müssen reibungslos funktionieren. Die Empfangstheke mit der Anmeldung soll einerseits abgetrennt vom Wartebereich sein, andererseits muss der Austausch zwischen Patienten und Angestellten funktionieren. Weiters gibt es natürlich spezielle Anfor- derungen an Materialien und Ausstattung – besonders bei Armaturen und Handwaschbecken. Generell müs- sen die Oberflächen leicht zu reinigen und zu desinfizieren sein“, sagt Hummer. Die Tischlerei Moser GmbH setzte die von den Architekten geplanten Features wie gewünscht um. Dr. Haas legte besonders viel Wert auf eine Wohlfühlatmosphäre, die ein Zuhause-Gefühl statt einem Arztpraxen-Gefühl vermitteln sollte. Die freund- liche Atmosphäre gibt ihr gleich auf den ersten Blick recht.
Bau-Sonderfall Ordination
Im Fall von Ordinationen stehen Architekten und Planer vor besonderen Herausforderungen, die vom ersten Moment an in die Planung einfließen müssen. „Das richtige Verständnis bei der Ordinationseinrichtung ist die Basis für eine funktionelle und stilsichere Lösung“, erklärt Manfred Schmidhuber vom Wohnteam. „In einer angenehmen Atmosphäre fühlen sich Patienten schneller wohl, haben Vertrauen und kommen gerne wieder. Auf der anderen Seite müssen durch eine logische Raumaufteilung alle notwendigen Organisationsabläufe sinnvoll und effektiv garantiert sein. Besonders wichtig waren hier große Laden für die Hängeregister und of- fene Regale für Ordner.“ Die Bauherren – der Kardiologe Dr. Thomas Winter und seine Frau – wünschten sich, dass Optik und Design modern und zeitlos sein sollten. Speziell für die Ordinationseinrichtung stand die Verwendung pflegeleichter, glatter Materialien im Vordergrund.
Viele Details und Besonderheiten machen heute auch den sympathischen Charakter der Kinderarztpraxis Schumanngasse aus. „Wichtig war immer, dass das Haus eines Tages als ‚DIE Schumanngasse‘ bekannt wird, die auch deswegen gefällt, weil sie auf das Kind zugeschnitten ist“, erzählt Monika Resch. „Die Warte- räume, von felilu, Augenstern und den Raumelfen ausgestattet – unseren Kooperationspartnern – erinnern an unsere Kinderzimmer zu Hause, es gibt Stillecken und zahlreiche Wickeltische, Details wie Fläschchenwär- mer, Spielzeug in den Ordinationen etc. Die einzelnen Behandlungsräume und Ordinationen sind unserem Motto getreu mit maritimen Symbolen von Georg Bergner von bergnerdesign und Doris Zichtl versehen, so- dass es eine Delphinordi, eine Seepferdchenordi, das Ankerzimmer, das Segelbootzimmer etc. gibt.“ Ein op- tisches Leitsystem, Klarheit und Wärme sprechen aus den gefühlvoll gestalteten Räumen, in denen sich Kin- der sichtlich wohlfühlen. Der Neubau von Wohnung und Ordination der Familie Winter hat freilich den Vorteil, dass von Grund auf neu geplant und konzeptioniert werden konnte. In die Ordinationsplanung flossen den-
noch jede Menge Überlegungen ein, die den Tagesablauf leichter machen sollen. „Besonders wichtig waren ausreichend Platz und eine Raumaufteilung, die unseren Arbeitsabläufen und unserem Arbeitsstil gerecht wird“, erzählt Judith Winter-Schermaier. „Da ich von der Blutabnahme über Herzultraschall bis zur Schritt- macherkontrolle alle Untersuchungen persönlich durchführe, ist ein guter ‚Workflow‘ ganz entscheidend.“ Es sind nicht nur die vielen ärztlichen Wege und Handgriffe, sondern auch jene von Personal und Patienten, die berücksichtigt werden wollen.
Wertvolle Tipps
Auf die Frage, ob sie bei einem neuerlichen Neubau oder Umbau etwas anders lösen würden, bekommen wir den Eindruck, dass unsere Ärzte äußerst zufrieden mit den Ergebnissen sind. Ein altes Sprichwort be- sagt: „Baue das erste Haus für deinen Feind, das zweite Haus für deinen Freund, das dritte Haus für dich selbst.“ Ganz so dramatisch dürfte ein Neubau oder Umbau bei guter Planung wohl nicht ausfallen. Voraus- setzung dafür ist aber jedenfalls Zeit. „Wenn auch Sie Ihre Ordination von der besten Seite präsentieren wol- len, sollten Sie unbedingt genügend Zeit für das Gesamtkonzept einplanen“, rät Manfred Schmidhuber. „So können, wenn nötig, Wände, Fenster oder Türen noch versetzt werden, um zur perfekten Raum- und Design- lösung zu kommen.“
Auf Profis setzen alle unsere Ärzte. Dr. Haas hält gute professionelle Planung für wichtig – „mit Kostenkontrol- le im Vorfeld und Profis bei der Baustellenüberwachung“. Auch das Team von [tp3] architekten, das ihre Or- dination plante, schlägt in diese Kerbe: „Unsere Erfahrung ist, dass oftmals die Gesamtkosten aus den Au- gen verloren werden. Deshalb würde ich auf jeden Fall die Betreuung durch ein Architekturbüro empfehlen, das üblicherweise nicht nur die Planung übernimmt, sondern auch eine Kostenschätzung und Kostenkontrol- le macht“, sagt Cornelia Hummer.
Auch Judith Winter-Schermaier ist sicher, dass sie und ihr Mann den Neubau genauso wieder lösen würden, wenn sie heute vor der Entscheidung stünden. Einen Tipp für bauwillige Ärzte hat sie aber dennoch: „Die Raumaufteilung an die individuellen Arbeitsabläufe anzupassen, erhöht die Zufriedenheit von Patienten, Arzt und Mitarbeitern.“
Kinderärztin Monika Resch hat echte Experten befragt, ob an ihrer Kinderarztpraxis Schumanngasse etwas nicht so ist, wie es sein sollte: ihre Kinder. „Meine Kinder lieben das Haus und bestätigen mir, dass wir drei Gründer gemeinsam mit meinem Vater alles richtig gemacht haben“, bestätigt die Kinderärztin. Bis es dazu kam, gingen mehrere Jahre ins Land, es gab unzählige Besprechungen, Aspekte wurden immer wieder durchdacht, Konzepte über Bord geworfen und völlig neu gestaltet. Schließlich spricht Reschs Conclusio aber gänzlich für sich: „Ich glaube, dass diese gut überlegte und präzise Vorbereitung der Schlüssel für den erfolgreichen Umbau war.“ bw ■
Die Ordination von Gemeindeärztin Dr. Ute Waldmann in Thaya war
früher ein Bahnhof. Fotos: Georg Spandl, PRIVAT