Beeinflussen Stressreduktionsprogramme den Stoff- wechsel? Diese Frage kann bis dato nicht zweifelsfrei beantwortet werden. Stress ist jedoch nicht nur ein manifestationsfördernder Faktor von Stoffwechseler- krankungen, er kann auch zu Problemen bei der Thera- pie führen.
Um den Zusammenhang zwischen Stress und Stoffwechsel bei Frauen weiter zu erforschen und unterschiedliche Interventionen auf ihre Wirksam- keit zu prüfen, wurde eine Studie durchgeführt, an der insgesamt 43 Probandinnen, die sich im „la pura women’s health resort“ der VAMED für Fas- ten- und Stressreduktionsprogramme interessierten, teilnahmen.
Komplexes Zusammenspiel
Frauen haben „anders“ Stress als Männer. Sie sie sind generell vulnerabler für psychosozialen Stress – häufig kommt auch eine Vielfachbelastung hinzu. Aus chronischem Stress resultierende neuroendokrine Veränderungen haben wiederum über die Hypothalamus-Hypophyse-Nebenniere- nachse und das sympathische Nervensystem Auswirkungen auf Übergewicht, Diabetes, koronare Herzerkrankung, Depression und eventuell so- gar manche Krebserkrankungen. Das sympathische Nervensystem, die Sympathikus-Nebennierenmark-Achse, schüttet vor allem die Katecholami- ne Adrenalin und Noradrenalin aus, welche wiederum die Produktion von Glukokortikoiden fördern und in geringerem Ausmaß die Sexualhormone im Blut stimulieren. Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse steuert die Freisetzung des Stresshormons Cortisol. Das komplexe Zusammenspiel von metabolischen, entzündlich-immunologischen und anthropometrischen Parametern ist aber nach wie vor unklar.
Adipositas ist eine enorme globale Belastung mit kontinuierlich steigenden Prävalenzraten, die Frauen auf mehrfache Weise besonders belastet. Der sozioökonomische Status und das Bildungsniveau sind nur zwei von zahlreichen geschlechtssensitiven Einflussfaktoren. Der Einfluss von Übergewicht auf Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und die Sexualfunktion sowie die Unterschiede im Erleben von und Umgang mit dieser Erkrankung machen geschlechtsspezifische Gewichtsreduktionsprogramme notwendig.
Gender-sensitive Programme
Stressreduktion und Entspannung gehören generell zur psychosomatischen Grundversorgung und können daher bei einer Vielzahl von mentalen und physischen chronischen Krankheiten zu einer Verbesserung und mehr Lebensqualität beitragen. So konnte gezeigt werden, dass Stressreduk- tionsprogramme das Überleben von Frauen mit einer koronaren Herzerkrankung, die wegen eines akuten Myokardinfarkts, eines Koronararterien- Bypasses oder für eine perkutane Koronarintervention in ein Krankenhaus kommen, unabhängig von anderen Einflussfaktoren verlängern.
Insbesondere durch die Covid-19-Pandemie sind Stress und überschüssige Kilos ein brennendes Thema für viele Frauen. Vielfach sind Bewe- gungsmangel und zusätzliche Belastungen wie Homeoffice, Homeschooling etc. die Auslöser. Dauerhafte Überlastung und Übergewicht schwä- chen das Immunsystem zusätzlich.
Gewichtsreduktionsprogramme führen bei Frauen oft zu weniger Erfolg und mehr Frustration, als das bei Männern der Fall ist. Umso wichtiger ist es, effektive gender-sensitive Programme unter Berücksichtigung sowohl biologischer als auch psychosozialer Besonderheiten von Frauen und Männern und ihrer individuellen Lebenswirklichkeiten zu entwickeln und zu validieren. Das war auch das Ziel der gegenständlichen Pilotstudie. Zu- nächst wurde die Ausgangssituation in Bezug auf die mentale Gesundheit, Verhaltensmuster, Stoffwechsel- und Entzündungsparameter sowie de- ren mögliche Zusammenhänge querschnittsmäßig analysiert. Sowohl biologische Parameter des Glukose- Fett- und Leberstoffwechsels und des Mikrobioms als auch psychosoziale Faktoren wurden erhoben, „Gender“ auch anhand der Geschlechtsrollen-orientierung ermittelt.
Mehr Resilienz, besserer Stoffwechsel
Erste Studienergebnisse zeigen Zusammenhänge zwischen Unterschieden in der Geschlechtsrollenorientierung (Gender-Stereotyp nach dem Bem-Sex-Role-Inventory, bei dem ein Test ermittelt, ob sich das biologische Geschlecht im psychologischen Selbstbild widerspiegelt und damit Rollenstereotype erfüllt werden) und metabolischen und Stress-Parametern der Frauen auf. So haben Frauen, die eher eine weibliche Geschlechts- rolle übernehmen, oft mit höherem Gewicht und mehr Körperfett sowie mit mehr Entzündungszeichen zu kämpfen. Deshalb sollten Frauen mit Übergewicht oder Adipositas und eher weiblicher Selbstidentifikation besonders auf ihre metabolische und mentale Gesundheit achten. Frauen mit metabolischem Syndrom (starkes Übergewicht kombiniert mit verminderter Insulinempfindlichkeit oder Insulinresistenz) wiesen laut Studie insge- samt ein höheres Risiko für psychische Störungen auf. Dagegen zeichneten sich Frauen, die sich eher mit einer männlichen Geschlechtsrolle iden-
tifizierten, eine besonders ungünstige, bauchbe- tonte Fettverteilung auf und waren Stress- und damit Burn-out-gefährdeter. Eine klare Typisie- rung ist jedoch nicht möglich. Jede Frau muss individuell betrachtet werden, zumal die meisten Frauen Mischtypen mit sowohl weiblich als auch männlich konnotierten Eigenschaften sind.
Personalisiertes Therapieangebot im „la pura“
Im „la pura women’s health resort“ in Gars am Kamp, einer Gesundheitseinrichtung der VA- MED, fließen die Ergebnisse dieser genderme- dizinischen Studie in ein Produktangebot ein, das ab Beginn des Jahres 2021 zur Verfügung steht. Es wird eine frauenspezifische Präventi- onsmedizin angeboten, die personalisierte Stra- tegien zu Gewichtsmanagement und Gesunder- haltung liefert. Im Zentrum stehen die Vorbeu- gung von Stoffwechselproblemen, Herz-Kreis- lauf- und Krebserkrankungen. Mit einer neuen Kombination aus Fasten und der Stärkung der psychischen Gesundheit können Frauen – gera- de in den fordernden Zeiten von Covid-19 – auf Basis ihrer individuellen Bedürfnisse eine maß- geschneiderte Therapie in Anspruch nehmen.