MEDIZIN | Herzinsuffizienz

(v.l.): Das Forschungsteam: Dr. Christine M. Poch, Univ.-Prof. Dr. Alessandra Moretti, Univ.-Prof. Dr. Karl-Ludwig Laugwitz, Univ.-Prof. Dr. Christian Kupatt

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Foto: Daniel Delang / TUM

Kardiale Vorläuferzellen

bilden gesundes Gewebe

Nach einem Herzinfarkt kann der menschliche Kör- per abgestorbenes Gewebe nicht eigenständig re- parieren. Durch eine Behandlung mit kardialen Vor- läuferzellen könnten sich an den geschädigten Stel- len aber funktionierende Herzzellen bilden.

Wie lässt sich bei Herzversagen die Funktionsfähigkeit dieses Organs wiederherstellen? Mit dieser Frage beschäftigen sich Forschungsgruppen überall auf der Welt, denn nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr fast 18 Millionen Menschen durch Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Eine mögliche Antwort könnte eine Therapie mit angereicherten ventrikularen kardialen Vorläuferzellen aus humanen pluri- potenten Stammzellen (HVPs) sein. Diesen Ansatz hat ein internationales Team der Technischen Universität München (TUM) und ihres Universitäts- klinikums rechts der Isar, des schwedischen Karolinska Institutet, des Biotech-Start-ups Procella Therapeutics und des Biopharma-Unternehmens AstraZeneca in einer Studie untersucht, die im Fachmagazin „Nature Cell Biology“ erschienen ist.

Bei vielen Herzerkrankungen sterben Herzmuskelzellen und Blutgefäße ab. Stattdessen bilden sich Fibrosen, Ansammlungen von Narbengewebe, die das Herz zusätzlich beeinträchtigen. Die Körper von einigen Tieren, insbesondere von Amphibien und Fischen, können solche Schäden repa- rieren. Das Herz eines erwachsenen Menschen ist dazu jedoch fast gar nicht in der Lage. Ein experimenteller Ansatz, um zerstörtes Herzgewebe wiederherzustellen, sind Stammzelltherapien. In früheren Studien wurde unter anderem mit aus Stammzellen entwickelten Herzzellen, genauer Kardiomyozyten, experimentiert. Hierbei kam es aber häufig zu Nebenwirkungen wie unregelmäßigem Herzschlag und tödlichen Herzrhythmusstörungen.


Kardiale Vorläuferzellen statt ausdifferenzierter Herzzellen

Das Team um Dr. Karl-Ludwig Laugwitz, Professor für Kardiologie und Leiter der Klinik und Poliklinik Innere Medizin I des Klinikums rechts der Isar der TUM, setzt hingegen auf kardiale Vorläuferzellen – die HVPs. Diese Zellen sind maßgeblich an der Bildung des Herzens beteiligt. Aus ihnen dif- ferenzieren sich nach und nach die unterschiedlichen Zelltypen des Herzmuskels, darunter auch Kardiomyozyten. Dem Forschungsteam ist es ge- lungen, große Mengen solcher kardialen Vorläuferzellen aus menschlichen embryonalen pluripotenten Stammzellen herzustellen. „Wir sehen hier das Resultat von zwei Jahrzehnten Forschung, in denen wir nach der ‚idealen Zelle‘ gesucht haben, um den Herzmuskel wieder aufzubauen“, sagt Kenneth R. Chien, MD, PhD, Professor für Kardiovaskuläre Forschung am Karolinska Insitutet.


Komplexe molekulare Mechanismen

Mit diesen Zellen untersuchten die Wissenschaftler die komplexen molekularen Pro- zesse, die bei der Reparatur geschädigter Areale des Herzmuskels ablaufen. „Wir konnten in Laborversuchen zeigen, wie kardiale Vorläuferzellen die geschädigten Areale im Herz gewissermaßen aufspüren können, gezielt dorthin wandern und sich in funktionsfähige Herzzellen ausdifferenzieren. Darüber hinaus verhindern sie aktiv die Bildung von Narbengewebe, indem sie Fibroblasten abwehren, also die Zellen, die das Gerüst für das funktionslose Bindegewebe aufbauen“, sagt Laugwitz.


Klinische Studien in absehbarer Zukunft möglich

In einem nächsten Schritt untersuchte das interdisziplinäre Team an Schweinen, wie wirksam eine Therapie von Herzschäden mit HVPs ist. Deren Organe sind denen des Menschen sehr ähnlich. Versuche mit Schweinen stehen daher häufig kurz vor Studi-

en mit menschlichen Patienten. Die Studie zeigte, dass Schäden am Herz zuverlässig und ohne schwerwiegende Nebenwirkungen repariert wer- den können. „Wir haben nach der Behandlung die Bildung von neuem Herzgewebe, eine verbesserte Herzfunktion und Reduktion von Narbenge- webe beobachten können“, sagt Dr. Regina Fritsche-Danielson, Head of Research and Early Development bei AstraZeneca.

In den kommenden Monaten und Jahren wollen die Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse zu einer Therapie für Herzpatienten weiterentwi- ckeln. Ein wichtiger Zwischenschritt ist die Entwicklung von sogenannten hypoimmunogenen Linien von HVPs. Bislang muss das Immunsystem des Empfängers der Zelltherapie außer Kraft gesetzt werden, damit das Immunsystem die Zellen nicht zerstört. Durch hypoimmunogene Zellen könnte dieser Schritt überflüssig werden, da sie vom Körper nicht als fremd angesehen würden. In weiteren Studien sollen diese hypoimmunoge- nen Zellen und mögliche Nebenwirkungen erforscht werden. Ziel ist es, innerhalb der nächsten zwei Jahre mit klinischen Studien zum therapeuti- schen Einsatz von HVPs zu beginnen.


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