WOHNTRÄUME & PRAXISRÄUME | Hygiene

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Design & Hygiene

– ein Wider- spruch?

Stylischer Purismus in hippem Design oder heimelige Wohlfühlatmosphäre mit „Wohnzimmereffekt“: Bei der Innenarchitektur von Ordinationen gilt es, schon bei der Planung Design und Hygiene auf einen Nenner zu bringen und Grundsätzliches zu berücksichtigen. Dann ist vieles möglich.

Architektonisch sehenswerte Ordinationen punkten oft mit spannenden Beleuchtungs- und Dekorationsobjekten, innovati- ven Möbeldesigns und hochmodernen Oberflächen. Ob der Hygieneaspekt voll und ganz berücksichtigt wurde, ist aber mit- unter erst auf den zweiten Blick sichtbar. Dabei sollte ganz klar sein, worum es geht: Am Thema Hygiene kommt kein Kran- kenhaus, keine Gruppenpraxis, kein PHC und keine Ordination vorbei. Es ist so zentral, dass es Teil der Planung sein muss, jedenfalls einer der wichtigen Aspekte bei der Ordinationsgründung und -einrichtung. Freilich macht es einen Unter- schied, ob eine Ordination als Gruppenpraxis, Ambulatorium oder Einzelordination geplant ist, ob sie auf der „grünen Wie- se“ oder im Rahmen einer Revitalisierung bzw. eines Umbaus errichtet wird oder ob Eingriffsräume geplant sind. Diese Un- terschiede geben nicht nur den Rahmen des Projektes vor, sondern verlangen die Beachtung unterschiedlicher gesetzlicher Vorgaben und Normen. Die Bedingungen für Hygiene können sehr unterschiedlich sein, entsprechend unabdingbar ist aber ihre Berücksichtigung in der Planungsphase.



Hygiene als Teil der Planung

„Design und Hygiene schließen einander nicht aus, sondern sind elementar miteinander verbunden“, stellt Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH), klar. „Zunächst muss ein klares Behandlungsablaufkonzept vorliegen, sodass mit einer vernünftigen Planung die wesentlichen Anfor- derungen, aber auch Abläufe aneinander angepasst werden können.” Immer wieder sieht der versierte Hygieniker ein- drucksvolle Ordinationen, die den Betreiber zwingen, seine Handlungen an stilistischen Großartigkeiten auszurichten. Wünschenswert wäre es jedoch, das Design bzw. die Planung der Infrastruktur bereits an den Handlungsabläufen zu orientieren und nicht umgekehrt. Als Beispiel nennt Assadian eine Grundregel: „Unreine und reine Arbeiten sind immer zu trennen.“ Wird dieser Grundsatz eingehalten, hat dies bereits einen entscheidenden Einfluss auf das Design. „Das Design kann den Arzt und seine Mitarbeiter im Gegenzug unterstützen, diese Trennung einzuhalten“, begründet Assa- dian die Zweck-Nutzen-Beziehung von Design und Hygiene.


Glatt und leer statt rau und voll

Eine weitere Grundregel: Was nicht benötigt wird, sollte auch nicht vorhanden sein, denn nur Vorhandenes wird konta- miniert. Waschbecken sollen beispielsweise nur dort installiert sein, wo sie auch tatsächlich gebraucht und regelmäßig verwendet werden. Werden sie selten genutzt, können Wasserarmaturen verkeimen und sogar das dahinterliegende Wassersystem bakteriell kontaminieren. Assadian zum Thema Händewaschen: „Wenn Hände sichtbar schmutzig sind oder ein klebriges Gefühl vermitteln, sollten sie gewaschen werden. Ansonsten erfüllt ein alkoholisches Händedesinfek- tionsmittel den Zweck, Mikroorganismen auf Händen zu eliminieren, viel besser.“ In diesem Zusammenhang kritisiert Assadian das permanente Tragen von Untersuchungshandschuhen. „Grundsätzlich vermitteln sie das Gefühl der Sau- berkeit, aber die Abgabe von Bakterien von der behandschuhten Hand erfolgt tausendmal stärker als von der nicht be- handschuhten Hand. Der Handschuh impliziert Sauberkeit, das ist allerdings bei nicht sachgemäßer Verwendung ein Trugschluss.“

Selbstverständlich kann auch ein Dekorationsobjekt einen Nutzen erfüllen, etwa Atmosphäre zu schaffen. Dennoch sei zu überlegen, wo und in welcher Form dies dem Hygieneaspekt möglichst wenig abträglich sein kann. Es kommt nicht von ungefähr, dass nüchternes Ambiente als sauber – und in der Ordination somit als vertrauenswürdig – empfunden wird. „Wir empfinden Unordnung und nicht intakte Oberflächen subjektiv als ,schmutzig‘, obwohl sie das aus mikrobio- logischer Sicht vielleicht gar nicht sind. Ein zerkratzter Boden hat selten Auswirkungen auf die Hygiene, wird aber mit Schmutz assoziiert. Damit würde man dem Image der Ordination, aber auch des Berufsstandes schaden“, so Assadi- an. „Wir können Sterilität gut messen, aber Sauberkeit oder Schmutz nicht. Das unterliegt subjektiven Empfindungen.“ Daher wirke ein Raum umso sauberer, je intakter die Oberflächen sind und je weniger Objekte – möglicherweise unor- dentlich – herumstehen. Das gilt auch für einen „Kabelsalat“ oder Papier, das offensichtlich keinem Zweck dient, son- dern seiner Entsorgung harrt. Beides ist nicht zwingend schmutzig, vermittelt aber das Gefühl.


Flächen mit hoher Berührungsfrequenz

Raue Oberflächen sind schwierig zu reinigen und zu desinfizieren und daher ungünstig. „Bei teuren Medizinprodukten rate ich sogar dazu, vom Hersteller des Medizinproduktes eine schriftliche Bestätigung einzuholen, mit welchen Desinfektionsmitteln das Gerät gereinigt und desinfiziert werden kann. Auch bei Böden ist die Frage der Reinigung und Desinfektion wichtig und sollte bei jeder Bauplanung vorab gründlich überlegt werden. Hier kann es vorkommen, dass der in der Anschaffung zunächst billigere Boden im Zuge der laufenden Reinigung und Wartung langfristig der teurere Boden wird und umgekehrt“, rät der Hygieneexperte.

Die höchsten mikrobiologischen Erregerdichten in Ordinationen sind Patienten und Personal, was überraschen mag, da in der Regel eher schmutzige Gegen- stände mit hoher mikrobieller Kontamination assoziiert werden. „Bei den unbe- lebten Gegenständen sind dies all jene, die oft berührt werden. Wir Hygieniker nennen sie ‚Flächen mit hoher Berührungsfrequenz‘. Für Türschnallen emp- fehlen sich beispielsweise Varianten, die auch mit dem Unterarm oder dem El- lenbogen betätigt werden können“, sagt Assadian. Antimikrobielle Oberflächen seien nicht grundsätzlich überflüssig, doch ihr Einsatzgebiet entscheide, ob sie

ein Problem lösen oder nicht. „Für Wandpaneele machen antimikrobielle Oberflächen wenig Sinn, im Eiskasten oder bei Silikonfugen aber sehr wohl, denn sie verlängern die Zeit bis zur nächsten erforderlichen Reinigung oder können das mikrobielle Zersetzen von Materialien und Oberflächen verhin- dern. Dennoch gibt es für diese speziellen Oberflächen nur wenige Beispiele mit durchschlagendem Erfolg bei der Verhinderung von Infektionen. Grund- sätzlich sollte der Einsatz spezieller Materialien immer ein Problem lösen. Tut er das nicht, dann braucht man ihn auch nicht“, liefert der Mediziner handfes- te Ratschläge für die Ordinationseinrichtung.

Gegen Grünpflanzen im Warteraum oder in Büroräumen – nicht im Behand- lungsraum – sei grundsätzlich nichts einzuwenden. „Pflanzen haben keine echte Funktion, sondern wirken psychisch als Wohlfühlelemente. In einer Or- dination mit vielen immunsupprimierten Patienten oder Lungenkranken muss ihr Aufstellen aber überdacht werden, denn sie können durch vermehrtes Wachstum von Pilzen oder Bakterien zur Entstehung einer Hyperallergisie- rung führen. Ich würde mich nicht generell dagegen aussprechen, aber nur mit der richtigen Planung und Umsetzung und gegebenenfalls einer ausrei-

chenden Belüftung“, warnt Assadian. Eine nephrologische Or- dination arbeitet unter anderen Bedingungen als eine Sportor- dination und ein beratender Orthopäde unterliegt anderen Ri- siken als einer in einem Operationssaal – danach richtet sich eben auch, welche potenziellen Hygienemaßnahmen relevant werden können.


Vorschriften vorher einhalten, statt nachher zu reparieren

So mancher Planer mit wenig Erfahrung im medizinischen Be- reich ist anfangs überrascht, wie viele Hygienevorschriften und Regulative von Behördenseite einer Ordination oder Kranken- anstalt auferlegt werden. Neben den unterschiedlichen Rechtsformen von Einrichtungen des Gesundheitswesens kommt, dass die Vorschriften von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein können. „Wenn ein Problem mit der Hy- giene auftritt und es kommt sogar zu behördlichen Schwierig- keiten, lässt sich der Imageschaden nachträglich nur schwer reparieren. Es ist daher klug und sinnvoll, Vorschriften vorher in die Planung einfließen zu lassen und diesbezüglich keine Kompromisse zu suchen. Und: Einer der größten Fehler ist meines Erachtens, sich bezüglich der Handlungsabläufe bei der Planung nicht festzulegen und sich alle Optionen offen las- sen zu wollen“, sagt der Hygieneexperte. Eine Hygieneverord- nung muss also grundsätzlich in die Planung integriert wer-

den, um Probleme zu verhindern, bevor sie entstehen. Die Grundregel der Planung gilt im Übrigen auch für die Barriere- freiheit. Ein Ordinationsbetreiber ist immer selbst dafür verantwortlich, sich ein Risikoprofil für Patienten und Mitarbeiter zu überlegen – „Primum nihil nocere“, erinnert Assadian.