KUR & GESUNDHEITSVORSORGE | Radonbalneotherapie
Foto: fotolia/ JEGAS RA, zvg
Wie Radon in den Körper kommt
Bereits vor Jahrhunderten badeten die Menschen zur Linderung von verschiedenen Leiden und Krankheiten in den Thermalquellen des Gasteinertals. Doch erst seit der genaueren Analyse des Thermal- wassers Anfang des 20. Jahrhunderts weiß man, dass das enthalte- ne Edelgas Radon ein wesentlicher Bestandteil der Gasteiner Ther- malquellen ist.
Die Radontherapie wird nicht nur in Österreich, sondern auch in vielen andern Ländern Europas, wie beispielsweise Deutschland, Italien, Frank- reich oder Ungarn, sowie auch in mehreren asiatischen Ländern, Russ- land und vereinzelt in Amerika angewendet. Rund 490 radonhaltige Quellen sind weltweit beschrieben, von denen über 200 für die Radon- balneotherapie verwendet wurden oder noch immer aktiv genutzt werden.
Radon wird als Heilmittel auch heute noch bei einer Vielzahl von Krank- heiten angewendet. Von der Radonkur können Patienten mit chronisch- entzündlichen und degenerativen Erkrankungen des Bewegungsappara- tes profitieren. Aber auch Erkrankungen der Haut, der Atemwege oder auch chronische Schmerzzustände können positiv beeinflusst werden. Eine Indikationsliste kann unter www.euradon.de abgerufen werden.
Die Radontherapie wird in Bad Gastein und Bad Hofgastein im Zuge ei- ner ganzheitlichen Kurtherapie in Form der Balneo- und Späleotherapie eingesetzt. Bei der Radon-Späleotherapie fahren die Patienten mehrmals über den gesamten Kuraufenthalt verteilt in den Gasteiner Heilstollen ein und entspannen dort jeweils eine Stunde bei 37 bis 41,5 °C und einer Luftfeuchtigkeit von 70 – 100 %. Der Radongehalt der Luft im Gasteiner Heilstollen liegt bei 44 kBq/m³. Diese Form der Low-Dose-Radon-Hyper- thermie – also einer Radonstollentherapie mit kombinierter „Überwär- mungstherapie“ des Körpers bei hoher Luftfeuchtigkeit – ist im Heilstol- len in Bad Gastein weltweit einzigartig.
Die Patienten nehmen dabei das Radon und dessen Zerfallsprodukte
über die Lunge und die Haut auf, gleichzeitig wird das Immunsystem durch das, über die Hyperthermie erzeugte „künstliche Fieber“, stimuliert. In anderen Radon-Heilstollen wie Boulder und Basin in Montana (USA) oder im deutschen Bad Kreuznach geschieht die Aufnahme von Radon hauptsächlich über die Lunge und nur zu einem geringen Teil über die Haut. Aufgrund der geringeren Temperatur müssen sie ohne Hyperthermie auskommen und die Patienten sind auch vollständig bekleidet. Im Gas- teiner Dunstbad sitzen die Kurgäste in speziellen Kastenbädern, die über ein Schachtsystem mit der Elisabethquelle verbunden sind. Das Dunstbad ist eine besonders kreislaufschonende Alternative für die Aufnahme des Kurmittels Radon und speziell bei Klaustrophobie ein möglicher Ersatz für eine Stollentherapie. Bei einer Temperatur von 32,5 bis 41,5 °C wird über einen Zeit- raum von 20 bis 30 Minuten im Radonthermaldunst verweilt. Die Anwendungsbedingungen können an die körperliche Belast- barkeit der Patienten adaptiert werden.
Bei der Radonbalneotherapie baden die Patienten über eine Zeitspanne von 15 bis 20 Minuten in einer auf 36 – 38 °C tempe- rierten Radonthermalwanne. Der Radongehalt des Thermalwassers muss bei einer Radonkonzentration von mindesten 370 Bq/l liegen. (Salzburger Heilvorkommen- und Kurortegesetz 1997, Fassung vom 08.01.2019)
Forschungsfeld Radontherapie
Mehrere Forschungseinrichtungen beschäftigen sich aktuell mit unterschiedlichen Fragestellungen zur Radontherapie. Dabei ist der gegenseitige Austausch besonders wichtig, um aus den einzelnen Ergebnissen einen Überblick zu bekommen und so Rückschlüsse auf komplexe Zusammenhänge zu erzielen.
Die Forschungsgruppe der Abteilung Biophysik des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt beschäf- tigt sich im Zuge des GREWIS-Projektes mit den genetischen Risiken und der entzündungshemmenden Wirkung ionisierender Strahlen. Ebenso unterstützt das GSI Darmstadt das Forschungsinstitut Gastein (FOI) bei der Probenaufarbeitung in klinischen Studien. Das FOI arbeitet in mehreren Bereichen an der Entschlüsselung der Wirkungsweise von Radon. So läuft aktuell (2017 – 2020) eine klinische Studie zur Wirkung von Radon auf atopische Dermatitis sowie eine Registerstudie (RadReg), die seit dem Jahr 2016 fortlaufend den Kureffekt auf unterschiedliche Krankheitsbilder wie Morbus Bechterew, Rückenschmerz, Rheumato- ide Arthritis, Osteoarthrose, Fibromyalgie & Psoriasis Arthritis erhebt. Diese Registerstudie gibt Auskunft über den langfristigen Therapieerfolg sowie die Radon-Dosis-Wirkungsbeziehung.
Gleichzeitig liefert das RadReg wertvolle Daten zur allgemeinen Qualität der Kur und dem Kurerfolg. Weitere Projekte des FOIs beschäftigen sich auf Ebene der Grundlagenforschung mit der Wirkungsweise von Radon auf zellulärer und molekularer Ebene.
Die Thematik, wie das Edelgas Radon in den Körper gelangt und wie es sich darauffolgend im Organismus verteilt, ist eine der Fragestellungen, mit der sich der Fachbereich Chemie und Physik der Materialien der Universität Salzburg seit geraumer Zeit detaillierter befasst.
Aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse
Die Aufnahme des Radons aus dem Thermalwasser über die Haut in den Körper kann experimentell nur indirekt über die Mes- sung der Radonkonzentration in der Ausatmungsluft bestimmt werden. In dieser Studie wurden die ausgeatmeten Radonkon- zentrationen von sechs gesunden Personen (vier weibliche und zwei männliche) im Alter von 26 bis 40 Jahren in insgesamt elf Messungen unter verschiedenen Expositionsbedingungen während der Badezeit von 20 Minuten und der anschließenden Ru-
hezeit von 20 Minuten untersucht. Um den Einfluss des Radons in der Raumluft auf die Exhalationsluft auszuschließen, trugen die Probanden eine Atemmaske (Abb.1.), die das Ein- und Ausatmen durch den Mund ermög- lichte. Dadurch atmete der Proband in jedem Atemzug praktisch radonfreie Umgebungsluft ein, während die ausgeatmeten Radonkonzentration in ca. Vier-Minuten-Intervallen in Plastikcontainern gesammelt und anschließend im Labor in Salzburg gemessen wurde.
Für die Durchführung der Studie wurden von Herrn Dr. Wolfgang Foisner, dem ärztlichen Leiter des Kur- und Rehabilitationszentrum Bad Hofgastein und der Alpentherme Bad Hofgastein die Radontherapiewannen des Kur- zentrums Bad Hofgastein zur Verfügung gestellt.
Der zeitliche Verlauf der Radonkonzentration in der Ausatmungsluft ist in Abb. 2 grafisch dargestellt. Da die Radonkonzentration des Thermalwas- sers zwischen den einzelnen Messungen an verschiedenen Tagen etwas schwankte, wurde die gemessene Radonkonzentration auf die gleiche Ra- donkonzentration des Wassers normiert. Nach dem Einsteigen in die Bade- wanne steigt die Radonkonzentration in der Ausatemluft steil an, erreicht dann ein Maximum am Ende der Badezeit und nimmt anschließend rasch exponentiell während der Ruhezeit wieder ab. Während alle Exhalationskur- ven im Wesentlichen dasselbe Verhalten zeigen, gibt es doch deutliche Un- terschiede zwischen den einzelnen Probanden, die auf individuelle Unter-
schiede zurückgeführt werden können.
So sind die ausgeatmeten Radonkonzentrationen der beiden männlichen Probanden fast um das Doppelte höher als die der weiblichen Probandinnen, was auf deren größere Körperoberfläche zurückgeführt werden kann. Tatsächlich werden diese Un- terschiede viel kleiner, wenn die Exhalationskurven auf die gleiche Körperoberfläche normiert werden.
Weiters sieht man, dass etwa die Hälfte der Exhalationskurven gegen Ende der Badezeit einen Sättigungswert, d.h. ein Gleich- gewicht zwischen Aufnahme und Ausatmung, erreichen, während die andere Hälfte kein Gleichgewicht ausbildet. Bei Erweite- rung der Badezeit auf 30 min kommt es aber auch hier zur Sättigung.
Die Aufnahme des Radons aus dem Thermalwasser über die Haut in das Blut, der anschließende Transport durch das Blut in die verschiedenen Organe und Gewebe des menschlichen Körpers sowie letztlich die Ausatmung aus der Lunge können nur mit Hilfe eines biokinetischen Modells berechnet werden. Die allgemeine Struktur des biokinetischen Modells zur Simulation der Radonaufnahme über die Haut im Thermalwasser (Abb. 3) beruht im Wesentlichen auf dem Kompartmentmodell von Leggett et al. (2013) (Leggett R, Marsh J, Gregoratto D, Blanchardon E, J Radiol Prot 33:413-432, 2013) zur Verteilung des inhalierten Ra- dons im menschlichen Körper. Der Transport des Radons zwischen den einzelnen Kompartments wird durch Transferkoeffizien- ten beschrieben, die von der Löslichkeit des Radons, der Durchflussrate des Blutes und dem Volumen der Kompartments ab- hängen. Da dieses Modell nur die Inhalation und Exhalation des Radons über die Lunge berücksichtigt, nicht aber den Trans- port über die Haut, wurde es durch zwei Hautkompartments, der Dermis und der subkutanenen Fettschicht erweitert, wobei das subkutane Hautkompartment das Kompartment Fett 2 des Leggett-Modells ersetzt.
Durch den Vergleich der berechneten mit den gemessenen Radonkonzentrationen in der Exhalationsluft können dann die Transferraten des Radons durch die Haut bestimmt werden. Dieser Vergleich zeigte, dass sich die Transferrate des Thermal- wassers in die Haut mit der Temperatur des Thermalwassers und dem Feuchtigkeitsgehalt der Haut während der Badephase änderte. Durch den Temperaturanstieg beim Einsteigen in das heiße Wasser erhöht sich sowohl die Permeabilität der Haut als auch die Durchflussrate des Blutes, was auch durch einen Versuch mit Vorwärmung in radonfreiem Wasser bestätigt wurde. Gleichzeitig nimmt aber die Permeabilität der Haut durch die Schwellung der oberen Hautschicht ab und verringert dadurch
den Radontransport.
Weiters ermöglicht das biokinetische Modell die Berechnung des zeitlichen Verlaufs der Radonkonzentrationen in einzel- nen Organen und Geweben. Zur Illustration der erhaltenen Ergebnisse ist der zeitliche Verlauf der Radonkonzentrationen in verschiedenen Organen und Geweben einer ausgewählten weiblichen Probandin im Verlauf einer Badezeit von 20 Minu- ten und einer anschließenden Ruhezeit von 20 Minuten dar- gestellt (Abb. 4).
Nach einem raschen Anstieg der Radonkonzentrationen in allen dargestellten Kompartments fallen sie in der Luft der Lunge, dem arteriellen Blut und den Nieren innerhalb der Ru- hephase ebenso rasch wieder ab.
Im Gegensatz dazu verbleibt das Radon noch längere Zeit nach dem Bad im subkutanen Fett, dem Körperfett und dem roten Knochenmark gespeichert, da die Löslichkeit des Ra- dons und damit seine Verweilzeit im Fett sehr groß ist. Vor al- lem im subkutanen Fett erreicht die Radonkonzentration erst nach etwa 24 Stunden den ursprünglichen Wert vor der Ba- dephase, was die Bedeutung der Haut für den therapeuti- schen Effekt unterstreicht.
Ein wichtiges Ergebnis dieser Studie ist die große individuelle Variabilität der Aufnahme des Radons aus dem Thermalwas- ser über die Haut unter den untersuchten Versuchspersonen, wie zum Beispiel der Unterschied zwischen weiblichen Pro- bandinnen und männlichen Probanden oder das nur teilweise Erreichen eines Gleichgewichtszustandes zwischen Aufnah- me und Ausatmung. Mögliche Gründe dafür sind Unterschie- de in der Körperoberfläche, der Permeabilität der Haut, der Masse des subkutanen Fetts, sowie der Durchblutung der Haut.
Eine ausführliche Beschreibung dieser Untersuchungen findet sich in W. Hofmann, R. Winkler-Heil, H. Lettner, M. Gaisberger: Radon trans- fer from thermal water to human organs in radon therapy: Exhalation measurements and model simulations (eingereicht bei der Zeitschrift Radiation and Environmental Biophysics).
Abb. 1: Um den Einfluss des Radons in der Raumluft auf die Exhalationsluft auszuschließen, trugen die Probanden eine Atemmaske, die das Ein- und Ausatmen durch den Mund ermöglichte.
Foto: zvg
Abb. 2 Diese Grafik zeigt die normierte Radonkonzentration in der Ausatmungs- luft über die Zeit. Es wurden die Mess- werte von vier weiblichen Probandinnen (schwarz) und von zwei männlichen Pro- banden (weiß) dargestellt (eine Messung wurde wiederholt).
Abb. 3 Biokinetisches Modell zur Simulation der Radonaufnahme über die Haut im Thermalwasser
Abb. 4. Zeitlicher Verlauf der normierten Radonkonzentrati- on in verschiedenen Organen und Geweben einer weibli- chen Probandin während Bade- und Ruhezeit.