MEDIZIN | Status Epilepticus

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Immer ein Notfall!

Epileptische Anfälle sind selbstlimitierende Ereignisse – außer bei so genanntem Status Epilepticus. Der zu- grunde liegende Mechanismus des spontanen Sistie- rens ist weitgehend unklar. Einblick in Studienergeb- nisse zur Anfallsdauer und Überlebensrate gibt Primar Univ.-Prof. Dr. Mag. Eugen Trinka, Vorstand der Chris- tian-Doppler Universitätsklinik für Neurologie, neuro- logische Intensivmedizin und Neurorehabilitation, Salzburg.

?Was unterscheidet die Epilepsie von einem Status Epilepticus?

Epilepsie ist eine Gruppe neurologischer Erkrankungen, deren Hauptsymptom epileptische Anfälle sind. Der Status Epilepticus (SE) ist die ex- tremste Ausprägung eines persistierenden epileptischen Anfalls oder eine Serie von nicht vollständig reversiblen epileptischen Anfällen. Dazwi- schen kommt es zu keiner Erholung. Etwa die Hälfte der SE-Betroffenen haben auch Epilepsie. Alle anderen sind akut-symptomatische Anfälle, die zum Beispiel durch eine Erkrankung wie Enzephalitis oder einen Schlaganfall provoziert werden.


?Ist ein Status Epilepticus immer als Notfall einzustufen?

Ja. Die ILAE-Klassifikation ist eine Klassifikation zur Einteilung epileptischer Anfälle und Epilepsien, die von der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) entwickelt wurde. Sie definiert die minimale Dauer des generalisierten konvulsiven SE als ≥ 5 Minuten und die anderer Statusformen mit ≥ 10 Minuten. Für den Absencenstatus ist die Minimaldauer frag- lich. Die Leitlinienkommission hält an der pragmatischen Definition einer Minimaldauer von fünf Minuten für alle Statusformen aus der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurolo- gie aus 2012 fest. Ab fünf Minuten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Komplikationen auftreten, daher ist es wichtig, sehr rasch mit der Behandlung zu beginnen. Nach 30 Minu- ten kontinuierlicher Anfallsaktivität besteht ein erhebliches Risiko für Hirnschäden und Tod.


?Welche Formen des Status Epilepticus gibt es?

Nach ICD-10 wird zwischen dem Grand-mal-Status mit tonisch-klinischen Anfällen, dem Absencestatus und dem SE mit nicht bewusst erlebten Anfällen unterschieden. Konvulsive Anfälle gehen mit Krämpfen einher, bei non-konvulsiven Anfällen stehen nicht die Muskel- krämpfe im Vordergrund. Vielmehr sind haben die Patienten mehr oder weniger starke Bewusstseinsstörungen.


?Sie haben eine Reihe von Studien zum SE durchge- führt. Was war das Ziel und was waren die wesentlichen Ergebnisse?

Ein SE ist einer der häufigsten Notfälle in der Notaufnahme. Eine Studie, die wir im Zeitraum von 2011 bis 2015 durchge- führt haben, hat gezeigt, dass die Inzidenz pro 100.000 EW pro Jahr bei 36 liegt. Das geht mit zunehmendem Alter bis zu 70 oder 80. Davon haben ca. 40 % im Vorfeld an Epilep- sieanfällen gelitten. In jüngerem Alter sind Männer eher be- troffen, im höheren Lebensalter sind es Frauen, die beson-

ders anfällig für Status Epilepticus ohne Krämpfe (dem sogenannten nicht-konvulsiven SE) sind. Bei Patienten ohne Epilepsie in der Anamnese können aufgrund von Gehirnblutungen, Infektionen oder Stoffwechselstörungen SE auftreten. Die wesentliche Frage ist daher, welche Anfallsfor- men mit einer höheren Überlebensrate einhergehen. Wenn Betroffene motorische Phänomene aufweisen, die dann in nicht-konvulsive übergehen, sterben rund 60 %. Wenn Betroffene nur motorische Phänomene haben, dann liegt die Sterblichkeit bei 0 %!


?Welche bildgebenden Modalitäten werden für die Diagnose genutzt?

SE erkennt man entweder klinisch oder im EEG. Bei komatösen Patienten können epileptische Aktivitäten vorliegen oder weitergehen, ohne dass man diese klinisch erkennt. Wir haben dazu die Salzburger EEG-Kriterien für nicht-konvulsive SE entwickelt. Diese Klassifikation hat damit eine wichtige Aussagekraft auch für die Überlebensrate. Unsere Analyse hat gezeigt, dass die Ergebnisse aus dem EEG mit den klinischen Anfallsty- pen korrelieren.


?Worum geht es bei ihren aktuellen Forschungen?

Nach den ersten Studien stellte sich die Frage, wie wir erkennen, ob Hirnschäden vorliegen und gleichzeitig ein Overtreatment verhindern. Wir ha- ben jetzt Forschungsgelder erhalten, um das in der frühen Diagnostik durchgeführte MRI besser zu verstehen und vorauszusagen, welche Typen von SE langfristig gefährlicher sind und Konsequenzen für das Gehirn haben und welche harmloser und leichter zu behandeln sind.


?Wird in der Therapie auch Cannabidiol eingesetzt?

Cannabidiol zeigte in verschiedenen Studien bei speziellen Patientengruppen eine gute Wirksamkeit. Knapp die Hälfte der Patienten mit Dravet- Syndrom, einer seltenen Epilepsieform im Kindesalter, und mit Lennox-Gastaut-Syndrom, einer Epilepsieform, die durch ihre Sturzanfälle beson- ders belastend für die Patienten ist, zeigt eine Verminderung der Anfälle um 50 %. Diese seltenen Formen der Epilepsie treten meist auch gemein- sam mit SE auf. Derzeit gibt es nur ein zugelassenes Medikament, wenn die Patienten darauf gut ansprechen, so kann man beobachten, dass auch die SE-Episoden sinken. Für die Akutmedikationen können wir es nicht einsetzen, weil es über den Magen-Darm-Trakt resorbiert wird und das dauert im Notfall zu lange.