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ORDINATIONSMANAGEMENT | Ausstattung
Trend zum „Null-Tagesauf- enthalt“ nimmt zu
Immer öfter werden kleinere und größere chirurgische Eingriffe ambulant durchgeführt. Neben entsprechend ausgerüsteten Eingriffsräumen stellt da- bei die Anästhesie einen wichtigen Faktor da.
Im Rahmen des Europäischen Anästhesiekongresses Euroanaesthesia im Juni dieses Jahres in Wien ließ Univ.-Prof. Dr. Anette- Marie Schultz, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), aufhorchen. In ihrem Statement hielt sie fest: „Tagesklinische und ambulante chirurgische Eingriffe boomen geradezu und somit gewinnt auch das Instrumentarium der ambulanten Anästhesie zunehmend an Bedeutung.“ Zahlen der Statistik Aus- tria bestätigten, wie stark ambulante und tagesklinische Eingriffe im Kommen sind. „Demnach haben sich die chirurgischen Eingriffe mit einem sogenannten Null-Tagesaufenthalt, wie die gesundheitsbürokratische Bezeichnung für einen solchen Eingriff ohne anschließenden Spitalsaufenthalt über Nacht lautet, in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht: Sie stiegen von 93.581 im Jahr 2007 auf 264.200 im Jahr 2017“, so Schultz. „Fast die Hälfte der tagesklinisch durchgeführten Eingriffe entfällt dabei übrigens auf Augen-Operationen, der Rest teilt sich auf viele andere Bereiche und ein äußerst heterogenes Patientenkollektiv auf – vom Säugling bis zu älteren Personen mit Begleiterkrankungen.“
Nicht immer minimalinvasiv
Noch vor wenigen Jahren hätten viele dieser Patienten stationär aufgenommen werden müssen. Dank innovativer Operations- techniken können nunmehr ambulant Interventionen und Operationen durchgeführt werden. Minimalinvasive Eingriffe werden in immer mehr Fällen zum Goldstandard und ersetzen aufwendige chirurgische Eingriffe mit großen Schnitten. Die Vorteile liegen auf der Hand: ein deutlich geringeres Operationsrisiko, kürzere und damit kostengünstigere Krankenhausaufenthalte, kürzere Rehabilitationszeiten, mehr Flexibilität in der Terminplanung, kürzere Abstinenz vom Arbeitsplatz und insgesamt geringere Kosten.
Diagnose, Chirurgie und Anästhesie müssen dafür perfekt interdisziplinär kooperieren, denn die Anästhesie muss ihre Arbeit individuell anpassen und auch die Art des Eingriffs muss zum jeweiligen Patienten passen und seine individuellen Parameter berücksichtigen. Selbst die Zeit nach dem Eingriff bedarf einer professionellen Begutachtung und Einschätzung. Ein Patient und ein Eingriff sind nicht grundsätzlich für eine ambulante Version geeignet. Außerdem plädiert Schultz dafür, an die wichtige Rolle der perioperativen Begleitung in der ambulanten Anästhesie zu denken: „Wir Anästhesisten haben eine wichtige Bera- tungsfunktion für das unmittelbar postoperative und postinterventionelle Verhalten und die anschließende Schmerztherapie. Und damit für entscheidende Faktoren für den Erfolg eines Eingriffs.“
Im Spital und in der Praxis
Die steigende Nachfrage nach ambulanten und tagesklinischen operativen und somit auch anästhesiologischen Leistungen sei sicher steigend, bestätigt auch Prim. Assoc. Prof. Dr. Herbert Koinig, MBA, Leiter der klinischen Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Krems. Dies treffe für bestehende Krankenhäuser sowohl im öffentlichen als auch pri- vaten Sektor zu, da in nahezu allen die tagesklinische Durchführung von Operationen angeboten werde. „Dies geschieht einer- seits aus wirtschaftlichen Überlegungen, ist aber auch anderseits im Sinne des Patientenkomforts bei ausgewählten Operatio- nen mit geringem Risikoprofil, die postoperative Genesung im gewohnten häuslichen Umfeld erleben zu können“, so Koinig. Grundsätzlich kämen hier beinahe alle operativen Fächer nach einer Operation im Krankenhaus infrage.
„Daneben existiert eine wachsende Anzahl von Ordinationen, die Leistungen in Sedoanalgesie, Allgemeinanästhesie oder Re- gionalanästhesie anbieten“, fährt Koinig fort. Einerseits kämen hier Leistungen aus dem Bereich der plastischen und ästheti- schen Chirurgie, Allgemeinchirurgie, Varizenbehandlung, Urologie, Gynäkologie, Endoskopie, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Zahnheilkunde infrage. Ursächlich dafür sei die Tatsache, dass einige dieser Leistungen Wahlarztleistungen darstellen. „Andererseits gibt es Leistungen, wie die Behandlung von Patienten mit ausgeprägter Behandlungsangst, deren Behandlung nur unter Anästhesie möglich ist, die im herkömmlichen Sektor nicht oder nur in sehr eingeschränktem Ausmaß angeboten wer- den“, so der Experte.
Neben dem Trend zur Ökonomisierung ortet Koinig allerdings auch den wachsenden Sektor der Wahlarztmedizin als Ursache für die steigende Zahl an ambulanten Anästhesien. „Unter Einhaltung von Standards der präoperativen Aufklärung, Untersu- chung und Vorbereitung der Patienten und unter Sicherstellung einer fachärztlichen anästhesiologischen Betreuung ist bei ei- ner großen Anzahl kleinerer Eingriffe ein ambulantes oder tagesklinisches Vorgehen bei Gewährleistung einer hohen Patienten- sicherheit möglich“, bestätigt Koinig.
Schwerpunkt Hygiene im Eingriffsraum
Tagesklinische Eingriffe werden in nahezu allen Spitälern längst routinemäßig vor- genommen – modernen Behandlungsmethoden, schonenden Operationstechniken und neuen Narkoseverfahren sei Dank. Patienten werden morgens operiert und nachmittags bereits in häusliche Pflege entlassen. In Ordinationszentren und Grup- penpraxen nimmt die Zahl der ambulanten chirurgischen Eingriffe unter anderem in den Bereichen Augen, Orthopädie, Gynäkologie, Urologie, HNO und Neurologie laufend zu. Dass dabei nur die Einhaltung höchster Hygieneanforderungen für das erforderliche Maß an Sicherheit sorgen kann, versteht sich von selbst und muss laufend kontrolliert werden. Entsprechend wichtig ist die Verordnung der Österrei- chischen Ärztekammer über die hygienischen Anforderungen von Ordinationsstät- ten und Gruppenpraxen inklusive der Informationen für Mitarbeiter, der Leitlinien für bauliche Strukturen im Zusammenhang mit Untersuchungen und Eingriffen, für den Umgang mit infektiösen Patienten, die Risikobewertung und Aufbereitungsverfah- ren für Medizinprodukte und der hygienischen Anforderungen an endoskopische Untersuchungen in Ordinationen und Gruppenpraxen. Zur Selbstkontrolle können sich Einrichtungen außerdem einem geregelten Auditverfahren durch die ÖQMED (Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin) unterziehen, um auf amtliche Überprüfungen bestens vorbereitet zu sein. bw