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Die PVA hat bereits nach der ersten Welle der Pandemie als erster Sozialversicherungsträger eine Post-Covid-Rehabilitation in den Rehabilita- tionszentren Hochegg und Weyer begonnen und diese sukzessive weiterentwickelt.
Sind durch eine Covid-Infektion gesundheitliche Beeinträchtigungen eingetreten, die intensivere Maßnahmen zur Abwendung drohender dauern- der Berufsunfähigkeit oder Invalidität erfordern, so tragen medizinische, berufliche und soziale Rehabilitationsmaßnahmen dazu bei, dass Patien- ten wieder – möglichst ohne fremde Hilfe – ein eigenständiges Leben führen, einen Beruf ausüben oder eine berufliche Umschulung absolvieren können.
Ziele vereinbaren
Um optimal rehabilitieren zu können, werden gemeinsam von Patienten und Rehabilitationsteam individuelle Ziele definiert. Die Zielesetzung führt zu Veränderungen im Verhalten der Patienten und zu einer Verbesserung des Lernergebnisses. Bezüglich der Aktivitätsstörungen ist das Ziel, die Selbständigkeit der Patienten zu verbessern, weniger auf Hilfsmittel und fremde Hilfe angewiesen zu sein, die Mobilität zu verbessern, ferner die Geschicklichkeit zu trainieren und insgesamt mehr Ausdauer zu erlangen. Ein wichtiger Bestandteil ist die optimale Krankheitsbewältigung mit in- tensiver psychologischer Betreuung zur Schmerzbewältigung und dem Umgang mit einer chronischen Erkrankung. Hauptaugenmerk wird auf die Teilhabe gelegt, wobei hier die physische und psychische Unabhängigkeit im Vordergrund stehen.
Durch Abklären des sozialen Umfeldes und der beruflichen Tätigkeit sollen die Patienten in ihrer Umgebung weiter integriert bleiben, die Beschäfti- gung erhalten können und somit wirtschaftlich eigenständig bleiben. Unter Umständen sind auch berufliche Wiedereingliederungsmaßnahmen und Umschulungen notwendig, die im Rahmen der Rehabilitation besprochen und zum Teil auch in die Wege geleitet werden können. Für Berufstätige ist die rasche Wiedereingliederung in das Erwerbsleben sowie die Reduzierung von Krankenstandstage und Krankenhausaufenthalten eine we- sentliche Zielsetzung.
Individuelle Verläufe
Die Krankheitsverläufe nach einer Covid-Infektion sind sehr heterogen sowie vielfältig und reichen von einer sehr großen Zahl an asymptomati- schen oder oligosymptomatischen Fällen bis hin zu sehr schweren Verläufen mit akutem Lungenversagen (ARDS). Durch deutlich verbesserte Be- handlungsmöglichkeiten in der Akutphase der Erkrankung (lungenprotektive Beatmung, Bauchlagerung, Remdesivir, Cortison, ausreichende Anti- koagulation) konnte die Letalität der Erkrankung positiv beeinflusst werden. Unabhängig davon ist mittlerweile eine Reihe an Folgeerscheinungen der Erkrankung manifest geworden, die eine deutliche Beeinträchtigung der Patienten mit sich bringen und eine professionelle Weiterbetreuung im Setting der stationären oder ambulanten Rehabilitation sehr sinnvoll erscheinen lassen.
Festzuhalten ist, dass der Schweregrad der akuten Erkrankungsphase nicht direkt proportional zum Ausmaß der Folgeerscheinungen verlaufen muss. Aus den Erfahrungen der bisherigen Post-Covid-Rehabilitationen im stationären Setting der Rehabilitationszentren Hochegg und Weyer der PVA zeigt sich ein sehr buntes Bild. Patienten mit sogenannten milden Verläufen sind oft schwer kompromittiert und haben mit körperlichen oder psychischen Folgen zu kämpfen, Patienten nach schwerem Verlauf und mehrwöchigem Aufenthalt auf der Intensivstation regenerieren oft sehr rasch und verlassen das Rehabilitationszentrum nahezu mit einer Restitutio ad Integrum.
Leitsymptom: Atemnot
Im Vordergrund der Spätsymptome stehen morphologische und funktionelle Veränderungen der Lunge. Morphologisch zeigen sich oft noch Wo- chen nach der überstandenen Infektion infiltrative, fibroindurative Residuen der akuten Pneumonie, teilweise mit Milchglastrübungen als Ausdruck der rezenten massiven entzündlichen Reaktion des Lungengewebes. Das klinische Korrelat ist eine ausgeprägte Oxygenierungsstörung im Sinne einer Diffussionsstörung. Begleitend dazu beobachtet man in vielen Fällen eine reduzierte Aktivität des Diaphragmas oder eine ausgeprägte Atem- muskelschwäche, die vor allem bei Patienten nach invasiver Beatmung auftritt. Das Leitsymptom dieser Patienten ist Atemnot in Ruhe und bei Belastung.
Ein weiteres Problem stellen der Abbau von Muskelmasse und eine Dekonditionierung in Abhängigkeit vom Schweregrad der akuten Erkrankungs- dauer und der Verweildauer auf einer Intensivstation dar. Hier ist auch aufgrund der Lungenproblematik vorerst nur ein vorsichtig begonnenes Auf- bau- und Belastungstraining sowie Krafttraining möglich. Koordination und Gangsicherheitstraining stellen weitere Schwerpunkte der Trainingsein- heiten dar.
Fatigue-Syndrom unterschätzt
Ein weiterer häufig zu beobachtender Symptomenkomplex der Long-Covid-Patienten, der zu Beginn der Erkrankungswelle unterschätzt wurde, ist das Fatigue-Syndrom. Bekannt aus der Onkologie und auch von einigen anderen Viruserkrankungen wie zum Beispiel der Epstein-Barr-Virusinfekti- on finden sich Hinweise auf Fatigue in unserem Patientenkollektiv bei etwa 30 %. Die Patienten klagen über Müdigkeit, Kraftlosigkeit, eingeschränk- te Belastbarkeit und chronische Erschöpfungszustände oft auch in Kombination mit Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Angst und Depres- sion. Es fällt keine Korrelation zum Schweregrad der Akuterkrankung auf, auch Patienten nach leichtem Verlauf leiden oft massiv unter diesem Symptomenkomplex. Davon oft schwer abzugrenzen ist das Post-Intensive-Care-Syndrom. Nach Intensivaufenthalten werden Gedächtnisstörun- gen, Aufmerksamkeitsdefizite, teilweise auch Koordinationsstörungen und rasche Ermüdbarkeit beobachtet. Die Patienten haben manchmal Schwierigkeiten, einfache Problemstellungen des Alltags zu planen und zu bewerkstelligen.
Individuelle psychologische Einheiten
Eine Posttraumatic Stress Disorder führt bei einer großen Zahl von Patienten nach schweren Krankheitsverläufen zu mentalen Einschränkungen und zu Depression und Angststörungen. Auch die sehr traumatisierend erlebte Isolation während des gesamten Krankenhausaufenthaltes trägt hier einen wesentlichen Anteil zur pathologischen Verarbeitung des Erlebten bei. Aufgrund der angeführten psychischen Begleiterscheinungen sind während der Rehabilitation mehr psychologische Einheiten notwendig, als im herkömmlichen Lungenleistungsprofil vorgesehen sind. Hier kommen in Zukunft die individuellen ICF-(Internationalen Classification of Functioning, Disability and Health)-basierten Verplanungsmöglichkeiten der Leistungen der aktuell in den eigenen Einrichtungen der PVA in Erprobung befindlichen Leistungsprofile zugute. Gerade psychische Störungen führen nicht ausreichend längerfristig behandelt zu längeren Arbeitsunfähigkeiten bis hin zum Jobverlust und zur Berufsunfähigkeit. Deswegen ist besonders auf diese Folgezustände nach Covid-Infektionen Augenmerk zu legen.
Ferner sind in der Rehabilitation die Folgezustände nach Gerinnungsstörungen mit erhöhter Thromboembolieneigung in der akuten Erkrankungs- phase zu beachten. Ausreichende Daten haben zu einer Anpassung der Dosis und Dauer der Antikoagulantientherapie im akuten Setting geführt, Unklarheit herrscht derzeit noch über die notwendige Dauer der Therapie über die vollständige Mobilisierung hinaus sowie die entsprechende Do- sierung. Derzeit noch laufende Studien werden hier hoffentlich bald Klarheit bringen.
Weitere Folgeerscheinungen sind Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie Rhythmusstörungen, Peri-/Myokarditis, orthostatische Dysregulati- on sowie Komplikationen eines langen Intensivaufenthalts wie Critical-Illness-Polyneuropathie, Gelenksschmerzen oder Plexusläsionen durch die Bauchlagerung. Weichteilossifikationen runden das Bild der beobachteten Folgeschäden ab und bedingen zu Beginn des Aufenthaltes eine ge- naue Anamnese und Untersuchung, um individuell nach dem bio-psycho-sozialen ICF-Modell und der notwendigen Teilhabe in definierten Lebens- bereichen persönliche Rehabilitationsziele vereinbaren zu können.
Zielvereinbarung im Fokus
Das Rehabilitationszentrum Hochegg als Zentrum für cardiale und pulmologische Rehabilitation in Österreich betreut schon seit der ersten Erkran- kungswelle im Frühling Patienten nach Covid-Erkrankungen. Auch das Rehabilitationszentrum Weyer hat sich aufgrund der strukturellen Gegeben- heiten auf die Rehabilitation schwerer betroffener Patienten im stationären Setting spezialisiert. Ein üblicher Reha-Aufenthalt bei dieser Indikation dauert vier Wochen, kann jedoch bei Bedarf und entsprehender positiver Prognose verlängert werden. Aufgrund des sehr heterogenen Bildes der Erkrankung gibt es kein einheitliches Rehabilitationsprogramm, das für alle Patienten zur Anwendung kommt. Es geht vielmehr darum, zu Beginn des Aufenthaltes mit den Patienten gemeinsam die Ziele der Rehabilitation zu definieren und einen möglichen Weg in ein wieder selbstbestimmtes Leben vorzuzeichnen. Dabei werden einerseits die notwendigen Schritte der beruflichen Wiedereingliederung, andererseits – aber genauso wich- tig – auch die Ziele und Etappen für die vollständige Teilhabe im gesellschaftlichen und privaten Leben definiert.
Aktive Trainingseinheiten
Vor Beginn der intensiven Trainingsphase erfolgt die notwendige Basis- und Leistungsdiagnostik, um die Patienten richtig in Leistungskategorien einzuordnen, um individuell das Belastungsniveau definieren zu können. Dafür stehen Lungenröntgen, Bodyplethysmografie inklusive Diffusions- messung und Atemmuskelkraftmessung, Labor, Blutgasanalyse in Ruhe und Belastung, Herzultraschall, diagnostische Ergometrie und ein Sechs- Minuten-Gehtest als wichtigste routinemäßig eingesetzte Abklärungshilfen zur Verfügung. Danach wird im Reha-Team ein individuelles interdiszipli-
näres Programm mit den Patienten zusammengestellt. Im Zentrum stehen aktive Trainings- einheiten, wobei vor allem dem Atemmuskeltraining mit Hilfsgeräten besondere Bedeutung zukommt. Allgemeines Krafttraining mit und ohne Geräten, Ausdauertraining (in erster Linie am Fahrradergometer), allgemeine Trainingsgruppen mit koordinativen und gleichgewichts- schulenden Elementen sowie viel Bewegung im Freien komplettieren das aktive Trainingsprogramm.
Physiotherapie im Einzelsetting erweist sich nach Covid-Erkrankungen als besonders effizi- ent und hilfreich. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf gerätegestütztem inspiratorischem Atemmuskeltraining, Mobilisation von Thorax, Pleura und Zwerchfell, Sekretmobilisation und Ventilationsverbesserung durch Optimierung der Atemtechnik. Gleichzeitig werden beson-
dere berufliche Anforderungen evaluiert, um mög- lichst rasch wieder den Einstieg in ein unkompliziertes Berufsleben zu erreichen.
Ausbau der Vorreiterrolle
Die Coronapandemie und vor allem die sehr häufig zu beobachtenden Folge- und Langzeitschäden der Er- krankung stellen eine besondere Herausforderung an die pneumologische Rehabilitation dar. Soweit aus bisherigen Erfahrungen geschlossen werden kann, profitiert der Großteil der Patienten außerordentlich gut von den angebotenen Maßnahmen und der Er- krankungsverlauf lässt sich durch gezieltes und indivi- duell angepasstes Training positiv beeinflussen und verkürzen. Die PVA hat mit den Rehabilitationszen- tren Hochegg und Weyer eine Vorreiterrolle einge- nommen. Mittlerweile erfolgt eine pneumologische Rehabilitation auch bei anderen Sozialversicherungs- trägern und privaten Einrichtungen, um seitens der PVA für ihre Versicherten ausreichende Rehabilitati- onskapazitäten zur Verfügung zu stellen. Aber auch für Post-Covid-Beteiligungen im Stütz- und Bewe- gungsapparat und bei neurologischen Komplikatio- nen stehen die Einrichtungen der PVA mit spezifi- schen, individuell abgestimmten Rehabilitationsmaß-