MEDIZIN | Osteoporose 

Interdisziplinäre

Herausforderung


Bei Bedarf wird eine Skelettszintigrafie mit dem SPECT-CT eingesetzt, um bereits bestehende

osteoporotische Frakturen nachzuweisen.

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FotoS: zvg, adobe stock/ CreVis2

Die Volkskrankheit Osteoporose stellt eine in- terdisziplinäre Herausforderung in Diagnose und Therapie dar. Mit der Knochendichtemes- sung leistet die Nuklearmedizin einen ent- scheidenden Beitrag zur Früherkennung, der Verlaufskontrolle und der Osteoporosebehandlung.

AUTOR:

Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Gabriel

Vorstand des Instituts für Nuklearmedizin und Endokrinologie

Kepleruniversitätsklinikum

www.kepleruniklinikum.at

Neben einem erheblichen persönlichen Leid durch Schmerzen, Immobilität und soziale Isolation hat Osteoporose auch eine bedeutende volkswirtschaftliche Komponente, da diese Erkrankung aufgrund der Folgeerscheinungen, wie Kno- chenbrüchen und deren Residuen, hohe Kosten verursacht.

Neuesten Untersuchungen zufolge erleiden jährlich in Österreich 93.000 bis 94.000 Menschen über 50 Jahre eine osteoporotische Fraktur, diese kann zur dauerhaften Immobilität vor allem bei geriatrischen Patienten führen. Man nimmt an, dass circa 750.000 Menschen über 50 Jahre von ei- ner Osteoporose betroffen sind. Diese Erkrankung trifft in rund zwei Drittel der Fälle Frauen und tritt meistens nach der Menopause auf, während- dessen bei Männern hauptsächlich sekundäre Ursachen, wie zum Beispiel chronischer Alkoholismus oder langjährige Cortisonbehandlung, eine Rolle spielen. Die Osteoporose stellt eine systemische Erkrankung des Knochens dar, wobei es einerseits zu einer Abnahme des Mineralgehaltes kommt, aber auch zu einer krankhaften Veränderung der Mikroarchitektur des Knochens, wodurch der Knochen instabil wird und das Risiko für Knochenbrüche steigt. Nur durch frühzeitige Entdeckung und Behandlung der Osteoporose können die Folgeerscheinungen dieser Erkrankung, vor allem Wirbelkörper- und Oberschenkelhalsfrakturen, verhindert werden.


Früherkennung und Prävention

Osteoporose stellt eine interdisziplinäre Herausforderung in Diagnose und Therapie dar. Neben der klinischen Diagnostik spielen dabei auch eine breite Palette an Labormethoden sowie der Einsatz technischer Geräte eine wichtige Rolle. Ziel sollte es sein, Vorstufen dieser Erkrankung mög- lichst frühzeitig zu entdecken, präventive Maßnahmen zu initiieren und betroffene Patienten zielgerichtet und individualisiert zu behandeln und das Ansprechen der Behandlung zu evaluieren. In diesem Setting spielt die Nuklearmedizin eine wichtige Rolle.

Im Rahmen einer Osteoporoseabklärung erfolgt primär eine ausführliche Befragung der Patienten mit einer entsprechenden Risikoabschätzung, eine Knochendichtemessung und die Bestimmung von für den Knochenstoffwechsel relevanten Laborparametern. Bei Bedarf wird auch eine Ske- lettszintigrafie mit dem SPECT-CT (nuklearmedizinische Untersuchungstechnik zum Nachweis von bereits bestehenden osteoporotischen Frakturen – zum Beispiel in der Lendenwirbelsäule) eingesetzt.

Goldstandard zur Feststellung, ob eine Osteoporose vorliegt, ist die Knochendichtemessung, auch Osteodensitometrie oder DEXA bezeichnet. Diese Untersuchung ist eine Art Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule und der Hüftregion, wobei hier die quantitative Messung der Knochen- dichte im Vordergrund steht. Die Methodik spielt sowohl für die Erstabklärung wie auch für die Verlaufsbeurteilung unter Therapie eine wichtige Rolle, ist nicht belastend und weist nur eine sehr geringe Strahlenbelastung auf.


Nuklearmedizin: Zentraler Player

Bei der Knochendichtemessung wird der Mineralgehalt des Knochens gemessen. Die ermittelten Werte werden mit Standardwerten einer 30-jähri- gen gesunden Frau verglichen. Die Angabe erfolgt mit dem T-Score. Somit sind die Knochendichtewerte unterschiedlicher Messgeräte miteinan- der vergleichbar. Liegt der T-Score höher als -1, entspricht dies einem Normalbefund. Werte zwischen -1 und -2,5 bezeichnen eine „Vorstufe“ der Osteoporose, die Osteopenie. Bei T-Werten unter -2,5 spricht man von Osteoporose. Darüber hinaus werden für die Diagnose und Therapieent- scheidung auch klinische Faktoren, wie Alter, Geschlecht und Begleiterkrankungen sowie bestimmte Blutwerte herangezogen. Eine Knochendich- temessung wird in Krankenhäusern mit nuklearmedizinischer oder radiologischer Abteilung oder in speziellen Diagnoseinstituten durchgeführt. Auch die Befundbesprechung erfolgt durch den Facharzt für Nuklearmedizin. Gerade was den technischen Support zur Feststellung der Knochen- dichte anlangt, besteht an vielen nuklearmedizinischen Abteilungen eine hohe fachliche Expertise, die es ermöglicht, den Schweregrad dieser sys- temischen Skeletterkrankung und das Ansprechen auf therapeutische Maßnahmen festzustellen. An diesen einzelnen Abteilungen, wie etwa der Nuklearmedizin am Kepler Universitätsklinikum (KUK) Linz, am Klinikum Klagenfurt oder PMU Salzburg, ist die Nuklearmedizin der zentrale Player im Management der Patienten, an welchen neben der klinischen Expertise auch das gesamte Spektrum an labormedizinischen inkl. apparativer Verfahren angeboten wird.


Innovative Verfahren in der apparativen Diagnose

In den letzten Jahren kommt es in der Behandlung der Osteoporose zu einer zunehmenden Personalisierung. Damit einhergehend spielt die diffe- renzierte diagnostische Abklärung eine zunehmend wichtige Rolle. Neben der eigentlichen Knochendichte fokussiert sich das medizinische Inter- esse auf ultrastrukturelle Veränderungen in der Knochenarchitektur. Der Trabecular Bone Score (TBS) ist ein quantitativer Textur-Index, der im Rah- men der DEXA-Messung bestimmt wird und auf einer räumlichen Inhomogenitätsanalyse von Aufnahmen der Lendenwirbelsäule basiert. Dabei ist der TBS kein direkter Parameter der Knochenmikroarchitektur, korreliert aber in In-vitro-Studien gut mit der Anzahl der Knochenbälkchen (Trabekel) sowie mit dem Trabekelabstand, die die dreidimensionale Trabekelarchitektur des Knochens widerspiegelt.

Im Gegensatz zur alleinigen Bestimmung der Knochenmasse, wie bei herkömmlichen Knochendichtemessungen, erlaubt die Untersuchung mittels peripheren, quantitativen Hochauflösungs-CTs (HRpQCT) eine exakte Darstellung des Aufbaus und der geometrischen Verhältnisse innerhalb des Knochens. Mittels HRpQCT ist es möglich, ohne operativen Eingriff in-vivo und mit hoher Präzision die Kortikalisdicken zu bestimmen und wichtige ultrastrukturelle Details der Spongiosa wie Trabekelanzahl, -dicke, mittlere Trabekelabstände und deren „Vernetzungsgrad“ darzustellen. Für die Weiterentwicklung der bildgebenden Diagnostik ist es essenziell, diese ultrastrukturellen Eigenschaften des Knochens nicht invasiv zu messen, um die besten diagnostischen Parameter und besten Therapie-Monitoring Tools für verschiedene Krankheiten zu etablieren. Die hohe Bildauflösung des HRpQCT hat zum Ausdruck der „unblutigen“ oder virtuellen Biopsie geführt, da sonst nur durch eine Entnahme einer Knochengewebsprobe eine vergleichbare Aussage über die Knochenqualität getroffen werden kann. Dies kann jedoch nur erfolgen, wenn das Ortsauflösungsvermögen dieses Scanners deutlich unter der Größe einzelner Trabekel innerhalb eines Röhrenkochens liegt, also weit unter 80 µm. Diese Untersuchungs- technik wird derzeit noch im Rahmen von klinischen Studien bzw. bei komplexeren Fällen eingesetzt, verspricht aber für die Zukunft ein hohes dia- gnostische Potenzial.

Dem osteologisch tätigen Facharzt obliegt es, die Vielzahl an erhobenen Befunden in ein Gesamtkonzept zu integrieren, welches die Grundlage für die weitere Therapieplanung darstellt.