MEDIZIN | Kardiologie 

Cholesterinspiegel

senken: Unterversor- gung trotz ausrei- chendem Therapie- angebot

FOTOS: ZVG, ISTOCKPHOTO/SURFUP-VECTOR

Herzinfarkt, Schlaganfall oder peripheren arteriellen Verschlusskrankheiten gehen oft erhöhte Choleste- rinwerte voraus. Patienten mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse benötigen daher eine cholesterinsenkende Therapie.

AUTOR:

Univ.-Prof. Dr. Alexander Mann

Ärztlicher Leiter des endokrinologikum Hamburg,

Beiratsmitglied der Sektion Diabetes, Adipositas

und Stoffwechsel der DGE

www.endokrinologikum-hamburg.de

Obwohl wirksame und verträgliche Konzepte zur Verfügung stehen, wer- den sie oft nicht genutzt: Zwei Drittel der Risikopatienten haben trotz ver- fügbarer Therapien zu hohe LDL-Cholesterinwerte. Warum das so ist und wie hohe Cholesterinspiegel bestmöglich behandelt werden können, ha- ben die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und die Deut- sche Diabetes Gesellschaft (DDG) hinterfragt.

Für Menschen ohne Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten ein Gesamtcholesterinwert von weniger als 200 mg/dl (5,2 mmol/l) und ein LDL-Wert von weniger als 116 mg/dl beziehungsweise 3 mmol/l als günstig. Seit Kurzem gilt ein neuer LDL-Wert für Herz- oder Gefäßkranke von < 55 mg/dl LDL-C1.

Den Zusammenhang von zu viel Cholesterin im Blut und dem Auftreten von Gefäßverkalkung haben Forscher bereits im Jahr 1913 nachgewiesen2. Je höher das LDL-Cholesterin, desto höher das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden. Das heißt aber nicht, dass jede Person mit ei- nem hohen LDL-Cholesterin eine kardiovaskuläre Erkrankung erleiden wird. Im Umkehrschluss bietet allerdings auch ein niedriges LDL-Cholesterin keinen absoluten Schutz. Genetische Veranlagung, Empfindlichkeit der Gefäßwände und andere Risikofaktoren wie Diabetes, Nikotinkonsum oder Bluthochdruck würden ebenfalls das Risiko erhöhen. Ärzte berücksichtigen deshalb das individuelle kardiovaskuläre Risiko bei der Wahl der The- rapieart. So kann bei ansonsten gesunden Menschen eine Lebensstiländerung mit fettarmer Kost und mehr Sport schon ausreichen, das LDL-Cho- lesterin zu senken.


Überholte und falsche Informationen verunsichern

Bei Patienten mit hohem und sehr hohem kardiovaskulärem Risiko, etwa Menschen, die an Diabetes mellitus Typ 2 leiden, ist die Ein- nahme von Medikamenten zur Erreichung gesunder Cholesterin- werte jedoch unverzichtbar. Dies belegen verschiedene Studien. Die im Jahr 2019 veröffentlichte EUROASPIRE-V-Studie zeigt aber, dass längst nicht alle Betroffenen cholesterinsenkende Medikamen- te einnehmen: So liegt in Deutschland das als besonders schädlich geltende LDL-Cholesterin bei weniger als 30 % der Betroffenen un- ter dem – zum Zeitpunkt der Studie noch gültigen – Zielwert von 70 mg/dl3. Die Risikominimierung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird aktuell nicht von den therapeutischen Möglichkeiten begrenzt, sondern vielmehr davon, dass sie nicht genutzt werden. Das liegt auch daran, dass viele überholte und falsche Informationen über

Cholesterin in Umlauf sind. Dies verunsichere die Erkrankten und halte sie von einer Medikamenteneinnahme ab.

Bei der Cholesterinsenkung ist es gleich, durch welchen molekularen Mechanismus das LDL-Cholesterin reduziert wird: Jede Senkung führt zur Verminderung kardiovaskulärer Erkrankungen. Der Umfang der kardiovaskulären Risikoreduktion hängt hierbei sowohl vom Maß der LDL-Choleste- rinsenkung als auch davon ab, wie lange sie durchgeführt wird. Dabei gilt: Je höher das kardiovaskuläre Risiko eines Patienten ist, desto niedriger sein persönliches LDL-Cholesterinziel.

Ernährungsprinzipen zur Senkung des kardiovaskulären Risikos

• Reduktion der Gesamtfettaufnahme

• Ersatz langkettiger gesättigter durch einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren

• Bevorzugung von Omega-3- gegenüber Omega-6-Fettsäuren

• Vermeiden von Trans-Fettsäuren

• Reduktion der Cholesterinaufnahme

• WHO-Empfehlung: bei Erwachsenen mindestens 150 Minuten körperliche Aktivität (aerobe Aktivitäten von moderater bis hoher Intensität) pro Woche, Kinder täglich eine Stunde

• Möglichst weniger als sechs Tassen Kaffee pro Tag trinken4