FORTBILDUNG & KLINIK | Neubestellung

Neurochirurgie Reloaded

Univ.-Prof. Dr. Karl Rössler übernahm vor rund sechs Mo- naten die Professur für Neurochirurgie an der MedUni Wien und die Leitung der Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien/AKH Wien.

FotoS: adobe stock/ SOPONE, MedUni Wien/feelimage

Rösslers Forschungsschwerpunkte der vergangenen Jahre waren Neuronavigation und intraoperatives Imaging in der Epilepsie- chirurgie, Hirntumorchirurgie und vaskulären Neurochirurgie am Uniklinikum Erlangen, einem der weltweit herausragenden Exzel- lenzzentren für intraoperative Bildgebung. Speziell in der Epilepsiechirurgie konnte er damit wegweisende Erkenntnisse gewinnen und innerhalb der International League Against Epilepsy (ILAE) als Board-Mitglied der Surgical Therapies Commission weiterent- wickeln. Diese Forschungsprojekte will Rössler am neu entstehenden intraoperativen MRT-Zentrum der Universitätsklinik für Neu- rochirurgie der MedUni Wien/AKH Wien weiterführen, mit dem Ziel, ein internationales Spitzenzentrum für intraoperative Bildge- bung in der Neurochirurgie gemeinsam mit der Universitätsklinik für Radiologie zu etablieren. Darüber hinaus möchte er die inter- disziplinäre Zusammenarbeit mit den Neurofächern der MedUni Wien expandieren und vertiefen und die Etablierung des Com- prehensive Center for Clinical Neurosciences umsetzen. Insbesondere durch verstärkte Zusammenarbeit mit den Universitätsklini- ken für Neurologie und Psychiatrie, dem Klinischen Institut für Neurologie (Obersteiner Institut) und dem Zentrum für Hirnfor- schung sollen Erkenntnisse der Grundlagenforschung für neurochirurgische Therapien von Volkskrankheiten wie Epilepsie, der Parkinson’schen Erkrankung oder Depression ver-mehrt einfließen und für neue Therapien genutzt werden. Für die Hirntumorpati- enten sollen auch Synergien mit dem Comprehensive Cancer Center Vienna (CCC-CNS Unit) an der MedUni Wien für die Präzisi- onsmedizin in der Onkologie intensiv genutzt werden. Die neurochirurgische Wirbelsäulenchirurgie soll zusammen mit Unfallchir- urgie und Orthopädie vermehrt interdisziplinär vernetzt werden. Kinderneurochirurgie und Schädelbasischirurgie (Meningiome, Akustikusneurinome) sollen ebenfalls durch verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den assoziierten Fächern weiterentwi- ckelt werden. Auch für offene Fragen in der Gendermedizin innerhalb der Neurochirurgie soll die Klinik eine Vorreiterrolle einneh- men. Schwerpunkt soll auch die internationale Vernetzung von Klinik, Forschung und Weiterbildung junger Fachkollegen als auch die Behandlung von Patienten mit seltenen neurochirurgischen Erkrankungen werden. Dies soll in der onkologischen und vaskulä- ren Neurochirurgie (mit den Teilgebieten der endovaskulären Neurochirurgie und dem Gamma Knife) für die Teilnahme an interna- tionalen multizentrischen Studien zunehmend genutzt werden.


?Folgt man den einleitenden Worten Ihres Laudators, Univ.-Prof. Dr. Hans Lassmann, ein weltweit bekannter Neuroim- munologie, so wussten Sie von Anfang an, welchen Weg Sie in der Medizin einschlagen wollten. Können Sie uns einen Einblick in Ihr anfängliches Interessensfeld geben?

Ich habe mich nach dem Medizinstudium um eine Postdoc-Stelle bei Professor Lassmann beworben. Es war mir klar, dass ich et- was tun wollte, was für die Neurochirurgie wichtig ist. Es sollte zunächst die Diagnostik von Hirntumoren sein. Darüber hinaus ha- ben wir uns ein Thema, das sich mit Adhäsionsmolekülen, die wichtig für die Entzündungsvorgänge sind, und Zytokine, die für die Metatstasierung von Tumoren im Gehirn eine Rolle spielen. Ich habe mich dann für eine Facharztstelle an der Uniklinik in Wien für Neurochirurgie beworben und später auch habilitiert.


?Wo konnten Sie die Leitungserfahrung sammeln?

Ich bin nach Feldkirch gegangen und habe ein Primariat angenommen und konnte da die nötigen Erfahrungen machen, um einen Betrieb auch von der klinischen Seite zu führen. Mein Interesse an der Forschung hat mich in jedoch dann dazu beflügelt, mich in Erlangen an der Neurochirurgie zu bewerben.


?Gibt es so etwas wie einen roten Faden, der sich durch Ihre medizinische Karriere zieht?

Ein wichtiges Anliegen, das ich über die Jahre verfolgt habe, ist die Verbesserung der neurochirurgischen Operationstechniken, um pathologische Veränderung mit möglichst geringer Schädigung des umliegenden gesunden Gewebes zu entfernen. Dafür gibt es allerdings einige Voraussetzungen zu erfüllen. Beginnend mit der Neuropathologie der Hirntumoren in meiner Anfangszeit, dann im Speziellen die intraoperative Tumordiagnostik, in der die Wiener Universitätsklinik damals international führend war, und schließlich die Entwicklung der Technik der Neuronavigation. Den Rahmen für erfolgreiche Operationen setzt die optimale Aus- schöpfung der bildgebenden Verfahren präoperativ und intraoperativ, um eine maximale Präzisierung zu erreichen. Dafür finde ich in Wien ideale Voraussetzungen mit einer international führenden Bildgebung, wo es bereits seit zehn Jahren einen 7-Tesla- Ultrahochfeld-MR-Tomografen gibt.


?Welche Schwerpunkte werden Sie an der Medizinischen Universität Wien verfolgen?

Neben der Verbesserung der neurochirurgischen Operationstechniken möchte ich den klinischen Schwerpunkt Neurowissen- schaften voranbringen. Traditionellerweise gibt es in Wien einen sehr erfolgreichen theoretischen Schwerpunkt. Neurologie, Psychiatrie und Neurochirurgie im Feld der Neurowissenschaften zusammenzubringen, wird aktuell von den drei Klinikleitern mit großem Elan vorangetrieben.


?Welche konkreten Entwicklungen veränderten die Neurochirurgie ganz wesentlich?

Wenn Sie die Operationstechniken und -abläufe in meinem Fachgebiet zwischen 1940 und den 80ern des vergangenen Jahr- hunderts betrachten, so lässt sich feststellen, dass die Fotos der OP-Situationen farbig wurden, sonst hat sich da wenig verän- dert. Der stereotaktische Rahmen als zentrales Arbeitsgerät findet sich auf allen diesen Fotos wieder. Einen echten Fortschritt brachte eine Technik aus dem militärischen Bereich: Das GPS sollte letztendlich den stereotaktischen Rahmen ersetzen. Die kri- tischen Stimmen waren wie immer am Beginn einer Neuerung stark. Nachdem ich klinische Studien zur Anwendung dieser Sys- teme durchführte, die positiv verliefen, waren wir hier in Wien eine der wenigen Kliniken, die diese neuen Systeme routinemäßig einsetzten. In der Bildgebung war es die funktionale Bildgebung. Durch die fMRT-Scans konnte patientenspezifisch die funktio- nelle Anatomie des Gehirns nachgewiesen werden. Ein Beispiel für Präzisionsmedizin.

In der Früherkennung des Glioblastoms, des bösartigen Hirntumors mit einer Prognose von 12 bis 14 Monaten, konnten wir ebenfalls wichtige Fortschritte erzielen. Wir machten einige „verrückte“ Dinge, um in diesen niedriggradigen Gliomen anaplasti- sche Herde nachzuweisen, wie zum Beispiel Kontrastmittel einzusetzen, die für die Darstellung der Durchblutung des Gehirns verwendet wurden. Damit konnten wir frühzeitig operieren, nachdem der Nachweis gelungen war, dass diese Vorstufen nicht harmlos waren. Bei all diesen technischen Aspekten möchte ich ein Zitat von Antoine de Saint Exupéry anbringen, das auch meine Überzeugung darstellt: „Die Größe eines Berufes besteht vielleicht vor allem darin, dass er Menschen zusammenbringt.“


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