KUR & GVA | Kältetherapie
Foto: Icelab/Michael Rieger
Das Ziel von Ganzkörperkältetherapien ist eine Schmerz- reduktion, ein geringerer Medikamentenverbrauch und die Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens.
Kälte als Therapie ist schon sehr lange bekannt und wurde unter anderem im Corpus Hippocraticum (Hippokrates, 460–377 v. Chr.) erwähnt. Bekanntester deutscher Vorläufer ist die Anwendung kurzer kalter Vollbäder nach Sebastian Kneipp. Die heutige Ganzkörperkältetherapie , die eine spezielle Form der Kryotherapie darstellt, wurde vom Japaner T. Yamauchi 1980 zur Behandlung der Rheumatischen Arthritis eingeführt.
Physiologische Grundlage
Die Kältetherapie ist eine passive physikalische Kurzzeittherapie mit systemischer Wirkung, bei der kurzfristig extreme Kälte von -110 °C auf der ganzen Körperoberfläche wirksam wird. Warm- und Kaltrezeptoren erzeugen bei gleichbleibender Temperatur eine Spontanfrequenz. Diese konstante Zahl an Aktionspotenzialen reagiert bei einer plötzlichen Temperaturveränderung. Die Re- zeptoren beantworten die überschießende Änderung der Impulsfrequenz. Anschließend pendelt sich die Frequenz auf einen neu- en tieferen Wert ein. Kaltrezeptoren reagieren auf eine Verringerung der Temperatur mit einem sprunghaften Anstieg der Fre- quenz. Warmrezeptoren antworten genau umgekehrt. Dabei werden jeweils Temperatursprünge von bis zu wenigen Zehntelgra- den beantwortet. Je größer der Temperatursprung ist und je rascher er abläuft, desto stärker ist auch die dynamische Antwort.
Das Ziel der Kälteanwendung ist der Wärmeentzug des zu behandelnden Gewebes. Die Wirkung beruht allgemein auf einer Va- sokonstriktion, einer Muskelentspannung und auf einem analgetischen Effekt. Die Kälte hat folgende physiologische Wirkungen auf Gewebestrukturen und Gewebeprozesse:
•Blutgefäße: Vasokonstriktion
•Zellstoffwechsel: Herabsetzung des Stoffwechsels
•Kapillarpermeabilität: Herabsetzung der Permeabilität, dadurch werden vor allem Ödeme verringert
•Gewebeentzündungen: Abschwächung von Entzündungsprozessen
•Nervenleitgeschwindigkeit: Verminderung der Nervenleitgeschwindigkeit
•Muskeltonus: kurzfristige Erhöhung und langfristige Verminderung des Muskeltonus
•Muskelkontraktilität: Herabsetzung der Muskelkontraktilität
•Erhöhung der Viskosität von Synovialflüssigkeit
Schmerzreduktion mit Langzeiteffekt
Das Ziel einer Ganzkörperkältekammer ist eine Reduktion der Schmerzen und ein geringerer Medikamentenverbrauch sowie die Verbesserung des subjektiven Wohbefindens. In Österreich leiden – bezogen auf eine Hochrechnung anderer EU-Staaten – rund 1,7 Mio. Menschen an chronischen Schmerzen. Eine der wichtigsten Säulen in der Therapie sind dabei die nichtselektive NSAR und selektive COX-2-Hemmer, diese zeigen bei Langzeittherapien Nebenwirkungen und daher ist deren Einsatz gut abzuwägen. In einer laufenden Studie in der Kältekammer des Vivea Gesundheitshotels in Bad Vöslau konnten wir bis jetzt an 20 Patienten zei- gen, dass mithilfe einer Ganzkörperkältekammertherapie der Schmerzmittelbedarf um mindestens 60 % gesenkt werden kann. Die Kältekammergänge wurden als Zusatztherapie angewandt mit durchschnittlich 15 Anwendungen, mindestens aber sechs Gängen innerhalb 21 Tagen.
Der Patient wird an den besonders empfindlichen Stellen wie Kopf, Füßen, Händen und Gesicht geschützt und verweilt unter langsamer Bewegung im Durchschnitt drei Minuten in der Kältekammer, manche sogar bis zu fünf Minuten. Nur zwei Patienten haben die Anwendungen abgebrochen, Grund waren Migräneattacken und starke Kälteemfindlichkeit. Derzeit läuft die Nachbe- obachtung, dabei zeigt sich, dass der gesundheitsfördernde Effekt zumindest drei Monate anhält. Ebenfalls evaluiert wurde das Ausmaß der Beeinträchtigung im Alltag durch Schmerzen. Es zeigt sich dabei, dass Schmerzpatienten im Schnitt an 9,25 von 14 Tagen im Alltag beeinträchtigt sind und dies auch ein Grund für eine gesundheitspolitisch durchaus bedeutsame Zahl an Kran- kenstandstagen ist. Drei Monate nach Ende der Ganzkörperkältekammertherapie gaben die Patienten hingegen an, nur noch an 1 von 14 Tagen beeinträchtigt zu sein.
Diese Aussage bestätigt das Konsensus-Papier, in dem auch positive Behandlungsergebnisse bei folgenden Symptomen beob- achtet wurden:
•nichtorganischen und schmerzbedingten chronischen Schlafstörungen
•primärer hypotoner Kreislaufregulationsstörung
•sympathikotone und parasympathikotone Reaktionslagen
•allgemeiner psychophysischer Leistungsminderung
•Asthma bronchiale
•Störungen der Bewegungskoordination (bei gestörter Propriozeption)
•Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
•Restless-legs-Syndrom und periodischen Beinbewegungen im Schlaf
Bei Messungen der Herzvariabilität konnte eine stressvermindernde Wirkung gezeigt werden. Möglicherweise findet die Kältekammertherapie auch ihren Einsatz zur Behandlung leichter Depressionen, bei seelischen Verstimmungen und bei Wechselbeschwerden. Dazu müssen aber noch weitere Daten er- hoben werden.
Kontraindikationen
Diese effektive Therapie hat zwar wenige, aber doch einige Kontraindikatio- nen, die bei einer vorangehenden Untersuchung evaluiert werden müssen. Dazu gehören unter anderen unbehandelter Bluthochdruck, Herzinfarkte, die weniger als ein halbes Jahr zurückliegen, instabile Angina pectoris, Herz- schrittmacher, periphere arterielle Verschlusskrankheiten (Fontaine-Stadien III und IV), abgelaufene Venenthrombosen, akute febrile Erkrankungen der Atemwege, akute Nieren- und Harnwegserkrankungen, schwere Anämie, käl- teallergische Erscheinungen, Anfallsleiden oder großflächige bakterielle und virale Hautinfektionen, oder Wundheilungsstörungen.
Relative Kontraindikationen umfassen Herzrhythmusstörungen, Herzklappen- fehler sowie den Zustand nach Herzoperationen, Ischämische Herzkrankheit, Raynaud-Syndrom, Polyneuropathien, eine Schwangerschaft ab dem vierten Monat, Vaskulitis, Klaustrophobie, Schilddrüsenunterfunktion und Hyperhidrosis.
Der Besuch der Kältekammer ist ab dem 4. Lebensjahr möglich, jedoch eventuell in diesem Alter auf zwei Minuten zu begrenzen. Ein Alterslimit bei Senioren gibt es nicht. Die Therapie kann problemlos ambulant durchgeführt werden. Der Besuch der Kältekammer führt zur Entspannung und erzeugt ein allgemeines Wohlgefühl. Nach einigen Gängen wird auch das Schlafverhalten deutlich besser. Einen besonders entspannenden Effekt hat die Musik in der Kältekammer.n
QUELLE: Die Studie zur Kältekammer wird im Gesundheitshotel Vivea Bad Vöslau unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Marktl durchge- führt. Ärztliche Betreuerin ist Dr. Doris Hestmann.