MEDIZIN | Covid 19

Ist Covid-19 eine Gefäßerkrankung?

Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass Covid-19 nicht nur eine Lungenkrankheit ist, sondern auch die Blutgefäße schädigt und Gefäßerkrankungen wie Thrombosen, Lungenembolien oder Schlaganfälle begünstigt.

Anlässlich der 36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e. V. (DGG) stellte Prof. Dr. Markus Steinbau- er, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, die Frage, ob Covid-19 eine Gefäßerkrankung ist, und präsentierte dazu aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.


Auffällig häufige Thrombosen

Covid-19 wurde initial als respiratorische Erkrankung betrachtet, die ähnlich der Influen- za der Pneumologie zugeordnet wurde. Auffällig war, dass Patienten mit den Risikofakto- ren Alter, männliches Geschlecht, Hypertonus, Nikotin, Diabetes und Adipositas einen deutlich schwereren Erkrankungsverlauf hatten. Eben diese Risikofaktoren sind auch Ri- sikofaktoren von Gefäßpatienten.

Mittlerweile belegen immer mehr Studien, dass Covid-19-Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko für Gefäßerkrankungen haben. „Dazu zählen Thrombosen, Lungenembolien oder schwere Durchblutungsstörungen in Beinen und Armen“, sagt Steinbauer. Die meisten thrombotischen Komplikationen betrafen venöse thromboembolische Ereignisse, doch auch Schlaganfälle, Herzinfarkte und arterielle Embolien wurden verzeichnet. Die vasku- lären Ereignisse sind auch für das Überleben der Patienten relevant, denn im schlimms- ten Fall können diese sogar tödlich verlaufen. „Die Sterblichkeit von Covid-19-Patienten mit Thrombose, die intensivmedizinisch betreut wurden, lag in einer Studie bei rund 50 %“, erklärt der Gefäßchirurg. Untersuchungen des Universitätsklinikums Hamburg-Ep- pendorf von Verstorbenen mit Covid-19 ergaben zudem, dass mehr als 58 % einen Ver- schluss der Unterschenkelvenen aufwiesen, der zuvor im klinischen Befund nicht aufge- fallen war. Ein Drittel der Patienten verstarb an einer Lungenembolie. „Warum sich bei

Covid-19-Patienten Gefäßerkrankungen und vor allem Thrombosen häufen, ist noch nicht klar“, sagt Steinbauer. Die genauen Ursachen für die Gefäßschädigungen müssten erst noch wissenschaftlich aufgearbeitet werden, so der DGG-Experte.


Blutverdünner als Lösung?

„Als mögliche Ursachen der vaskulären Ereignisse bei Covid-19-Patienten werden eine Hyperkoagulopathie, eine endotheliale Dysfunktion, eine systemische Hyperinflammation, aber auch vaskulitische Komponenten diskutiert“, sagt Steinbauer. Für die erhöhte Aktivierung der Gerinnungs- faktoren spreche, dass bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten erhöhte D-Dimeren-Werte gemessen wurden, die auch mit der Prognose der Erkrankung korrelierten. Mehrere Fachgesellschaften empfahlen in der Folge, bei ambulanten Patienten mit vaskulären Risiken eine Thrombose- prophylaxe durchzuführen und stationäre Patienten mit erhöhten D-Dimeren mit einer therapeutischen Antikoagulation zu behandeln. „Bei der Behandlung von Covid-19-Patienten, insbesondere auf Intensivstationen, sollte daher besonders auf Gefäßerkrankungen geachtet und auch der Einsatz von Blutverdünnern erwogen werden“, so Steinbauer.

Außerdem schädigt das Virus offenbar die innere Zellschicht der Blutgefäße und führt zu Entzündungen oder sogar zum Absterben der Gefäße. Zum einen werden gehäuft vaskulitische Erkrankungen bei Kindern und Erwachsenen beobachtet. Eine Studie konnte darüber hinaus Sars-CoV- 2-Viren im Gefäßendothel mit Endotheliitis (Entzündung) und Apoptose (abgestorbenen Gefäßzellen) nachweisen. Ein kausaler Zusammenhang ist nicht belegt, doch der positive Effekt von Dexamethason bei schwerem Covid-19-Erkrankungsverlauf könnte möglicherweise auch auf seine antiinflammatorische Wirkung bei einer Gefäßentzündung zurückzuführen sein. Zusammenfassend dürfte erwiesen sein, dass Covid-19 auch eine Gefäßerkrankung mit teils schweren Verläufen ist, wobei die Gefäßbeteiligung die Prognose der Patienten mitbestimmt.


rh

Foto: barmherzige brüder regensburg