MEDIZIN | Liparthroplastie 


Stammzellreiches Liparthroplastie-Therapeutikum fertig zur Injektion

______________________________________________________________

Fettstammzellen

gegen Knorpelschäden

FotoS: zvg, istockphoto/ peterschreiber.media, zvg

Knorpelschäden beeinträchtigen die Lebensqualität der betroffenen Patienten durch die einhergehen- den Schmerzen und die Bewegungseinschränkun- gen schwer. Während konservative Methoden auf die Behandlung der Symptome fokussieren, zielt die Regeneration des Knorpels auf die Ursache ab.

AUTOREN: Dr. Patrick Weninger, MD, PhD1,2

Xaver Feichtinger, MD1

Caterina Steffel, BSc1,2

Celina Kerschbaumer, BSc2

Dominik Duscher, MD, PhD2,3,4

1. Sports Medical Center Vienna, 1010 Wien, www.sportsmedicalcenter.at

2. Academic Stemcell Center Vienna, 1090 Wien

3. The Face and Longevity Center, 80803  München (D)

4. Abteilung für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungs-

chirurgie, BG-Trauma Center, 72076 Tübingen (D)

Neben altersbedingter Abnützung stellen Verletzungen bei jungen, oft auch sportlich aktiven Personen eine Einschränkung dar, die bisher vor al- lem mit konventionellen Methoden behandelt wurde. Diese weisen allerdings Limitationen auf: Operationen und Prothesen sind invasive Eingriffe, die mit Risiken und Komplikationen einhergehen und die je nach Alter bei der Erstoperation gegebenenfalls wiederholt werden müssen. Hyaluron- Infiltrationen sind nur bei leichten Stadien der Knorpelschädigung sinnvoll und in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt. Kortison-Infiltrationen schaffen zwar eine schnelle Schmerzreduktion, sind aber auf eine zeitlich kurz dauernde Symptomlinderung beschränkt und neigen aufgrund ihrer Chrond- rotoxizität zu einer Beschleunigung der Knorpelabnützung. Auch nicht-steroidale Antirheumatika bringen bei Behandlungsbeginn Symptomerleich- terung, bergen bei Langzeiteinnahme aber das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen wie Nephro-, Kardio- und Gastrointestinaltoxizität.


Dauerhafte Symptombesserung

Während konservative Methoden nicht die Schmerzursache, sondern nur den Schmerz als Symptom behandeln, will die Regeneration des Knorpels die Ursache beheben. Eine Progredienz soll verhindert und die Schädigung umgekehrt werden. Aus diesem Grund wird aktuell an verschiedenen Methoden geforscht, um Knorpelschäden nicht nur symptomatisch zu behandeln, sondern eine aktive Regeneration des Knorpels zu erzielen. Ziel ist, eine dauerhafte Symptombesserung zu schaffen und Knorpel und Ge- lenke so lang wie möglich zu erhalten. Ein Fokus in der Therapie des geschädigten Knorpels sind daher aktuell adipöse mesenchymale Stammzellen (ASC), deren Nutzung auf eine biologische Regeneration des Knorpels abzielt.

Stammzellen zeichnen sich als jene Zellen aus, die einerseits die Fähigkeit zur Selbster- neuerung haben und andererseits eine asymmetrische Teilung aufweisen, die der Diffe- renzierung zu spezialisierten Zellen zugrunde liegt. Dieser Mechanismus kann genutzt werden, um Regeneration und Reparatur von verletztem oder beschädigtem Gewebe zu verbessern. Mesenchymale Stammzellen zeigten bereits in der Vergangenheit Poten- zial, die Regeneration von Gewebeschädigungen zu fördern. Gewonnen werden diese

aus dem Knochenmark, Nabelschnurblut, der Dermis und aus dem Fettgewebe. Untersucht man peripheres Blut im Vergleich zu Fettzellen, so fin- det sich im Fett die bis zu 25.000-fache Menge an reparativen Zellen. Auch im Vergleich zum Knochenmark weisen Fettzellen eine 500-mal höhere Dichte an mesenchymalen Stammzellen und Vorläuferzellen auf. Weiters ist Fettgewebe vergleichsweise einfach zu gewinnen, weist aber dennoch eine komplexe Zusammensetzung auf, die in der regenerativen Medizin Anwendung finden kann: Adipöse mesenchymale Stammzellen sind pluri- potente Stromazellen, die sich je nach Kultivierung in Knochen, Knorpeln, Sehnen oder Fett differenzieren können. Durch eine Erhöhung der Fibro- blasten-Proliferation sowie der vermehrten Expression der proangiogenetischen Faktoren VEGF und bFGF, die mit ihnen einhergeht, wird die Wundheilungs- und Wundverschlussgeschwindigkeit erhöht. Weitere parakrine Eigenschaften der adipösen mesenchymalen Stammzellen zeigen sich in den antientzündlichen Eigenschaften durch die Abgabe von IL-10. Durch diesen immunsuppressiven Effekt werden weniger Entzündungs- mediatoren ausgeschüttet, die zur progredienten Zerstörung von Knorpelgewebe führen würden. Weiters werden die Proliferation von Chondrozy- ten sowie die Ausschüttung von Kollagen Typ 2 stimuliert, was eine optimale Mikroumgebung für das Überleben von Chondrozyten schafft, die Apoptose von Chondrozyten hemmt und zu einer verbesserten Integrität des Knorpelgewebes führt. Eine Studie konnte weiters zeigen, dass durch adipöse mesenchymale Stammzellen sowohl auf Knorpelgewebe anabol-wirkende Mediatoren vermehrt und katabol-wirkende Mechanismen her- unterreguliert werden.


Infiltration von Fettgewebe

Aufgrund dieser Eigenschaften der adipösen Stammzellen ergibt sich eine Anwendung zur Regeneration bei geschädigtem Knorpelgewebe – die Infiltration von Fettgewebe in das betroffene Gelenk (Liparthroplastie). Die Nutzung von autologem Fettgewebe als Infiltrat für arthrotische Gelenke wurde in der Vergangenheit bereits in verschiedenen Körperregionen untersucht, und es konnten keine negativen Langzeiteffekte

beobachtet werden. Als positiver Effekt zeigte sich dafür eine Reduktion im Schmerzgrad sowie eine Verbesserung in der Funktionalität im Ver- gleich zu vor der Behandlung. Ebenfalls vorteilhafte Ergebnisse konnten im Vergleich zu einer Behandlung mit Kortison-Infiltrationen gezeigt wer- den – nicht nur der Schmerz in Ruhe, sondern auch der Symptome unter Belastung zeigte eine deutliche Reduktion im Vergleich zur Kortison-The- rapie. Eine Besserung der Schmerzsymptomatik tritt im Rahmen der Liparthroplastie im Vergleich mit einer Operation schneller ein. Im Vergleich zur Kortison-Infiltration überholt die Liparthroplastie diese betreffend die Symptomatik nach drei Monaten. Eine akute Besserung der Symptomatik tritt wahrscheinlich auch aufgrund der mechanischen Funktion des Fettes im Gelenksspalt ein: Das transplantierte Fett wirkt hier als eine Art Puffer zwischen den aneinanderreibenden Gelenksflächen und verbessert die intraartikuläre Gleitfähigkeit, was verminderte mechanische Reibung und damit geringere einhergehende Schmerzen bei Bewegung zur Folge hat. Eine Studie, welche die Nutzung von Liparthroplastie im Rahmen von Ar- throsen an der Hand untersuchte, konnte eine Remission von Symptomen in 58 % nach zwei Jahren und eine Reduktion von notwendigen invasi- ven operativen Eingriffen um 61 % in fünf Jahren feststellen. Weiters konnte belegt werden, dass eine Verbesserung der Symptomatik nach nur ei- ner Sitzung Liparthroplastie eintritt, unabhängig vom Schweregrad der Gelenksabnützung.

Die Gewinnung des stammzellenreichen Therapeutikums erfolgt durch Liposuktion von subkutanem Fettgewebe an einer beliebigen Stelle, häufig jedoch am Bauch. Durch eine vorhergehende Infiltration mit Tumeszenz-Lösung aus NaCl-Lösung 0,9 %, Lokalanästhetikum und Suprarenin lösen sich die Fettzellen voneinander und ihrer Umgebung und werden so beim Absaugen geschont. Nach dem Absaugen setzt sich die Tumeszenzlö- sung in den senkrecht stehenden Spritzen vom Lipoaspirat ab, wird extrahiert und das reine Fett mit den enthaltenen adipösen Stammzellen bleibt zurück und kann in dieser Form in das betroffene Gelenk infiltriert werden. Die Morbidität der Entnahmestelle ist äußerst gering. Je nach Gelenk, welches behandelt werden soll, wird eine unterschiedliche Menge an Lipoinfiltrat benötigt: Beim Knie handelt es sich zum Beispiel um etwa 10 ml pro Kniegelenk, an der Hand beispielsweise um nur 1 ml im Daumengrundgelenk.

Die im Fettgewebe enthaltenen adipösen mesenchymalen Stammzellen können auch durch weitere Faktoren ergänzt eingesetzt werden: Studien untersuchen derzeit die gemeinsame Wirkung von Fett angereichert mit Stromal Vascular Fraction (SVF). Hier wird das Lipoaspirat zusätzlich mit zuvor extrahierten, mesenchymalen Stammzellen angereichert, um eine erhöhte Stammzellkonzentration in der gleichen Infiltrationsmenge zu kon- zentrieren. Als Resultat soll ein bestmöglicher, länger andauernder sekretorischer Effekt von knorpelprotektiven Regenerationsfaktoren erzielt wer- den. Auch thrombozytenreiches, leukozytenarmes Blutplasma (PRP) wird im Zusammenhang mit Knorpelregeneration untersucht, um potenziell synergistische Effekte mit Liparthroplastie zu erzielen. PRP wird aus zentrifugiertem Blut des Patienten entnommen und weist ähnlich wie die ASC eine antiinflammatorische Wirkung auf und wirkt sich positiv auf den chondrozytären Metabolismus aus.

Konkludierend stellt die Liparthroplastie eine Behandlungsmethode dar, die durch die antiinflammatorischen und chondroprotektiven Eigenschaf- ten der adipösen mesenchymalen Stammzellen die Knorpelregeneration fördert sowie eine akute Symptombesserung durch die mechanische Gleitfähigkeit des Fettgewebes erzielt. Daraus resultierend kann den Patienten eine schnelle Symptomlinderung sowie das Hinauszögern invasiver Operationen ermöglicht werden. Die Autoren sind der Meinung, dass Liparthroplastie in vielen Fällen eine echte Alternative zu frühzeitigem Ge- lenksersatz bei Arthrose sein kann.

Dr. Patrick Weninger (li.) und Dominik Duscher (re.) im OP

___________________________________________________