PRAXEN & IMMOBILIEN | Ordination

Rechnen ist angesagt

Anlegen in Immobilien rechnet sich. Auf den ersten Blick immer. Doch der Teufel steckt im Detail.

Auf dem in den vergangenen Jahren so bewegten Wiener Wohnungsmarkt ist eine gewisse Beruhigung eingetreten. Vor allem im Eigentum ist die Phase großer Preissprünge bis auf Weiteres vorbei. Nach dem Zuwanderungsschub von 2015/16 ist das Wachs- tum der Bevölkerungs- und Haushaltszahl auf ein normales Niveau zurückgekehrt. Die (zeitweise) stark überhitzten Baupreise ha- ben ihren Höhepunkt überschritten. „Insgesamt schauen wir auch 2020 positiv in die Zukunft“, resümiert Sandra Bauernfeind, Ge- schäftsführerin der EHL Wohnen GmbH. „Das Angebot kann mit der Nachfrage langsam wieder Schritt halten, Neubauobjekte werden in aller Regel problemlos verwertet und Wohnungssuchende müssen nicht mit übermäßigen Kostensteigerungen rechnen.“


Mieten steigen kaum

Dabei sind deutliche Unterschiede zwischen der Entwicklung des Miet- und des Eigentumsbereichs festzustellen. Der Anteil der Mietwohnungen am Wohnungsneubau ist zuletzt rasant gestiegen, mittlerweile werden rund 60 % der neuen Wohnungen zur Mie- te angeboten, vor drei bis fünf Jahren waren es noch weniger als 40 %. Das größere Angebot trifft zwar weiterhin auf eine ausrei- chend hohe Nachfrage, dies führt aber dazu, dass die Mieten 2019 nur in etwa um die Inflationsrate von 1,5 % gestiegen sind. Auch für 2020 und 2021 ist ein Anstieg in dieser Größenordnung zu erwarten. Auch dies sollte in die Überlegungen beim Kauf ei- ner Vorsorgewohnung einfließen. Die Mieten werden – und darin sind sich die Experten einig – nicht weiter in den Himmel wach- sen können. Bei Mieten um rund 900 bis 1.000 Euro denken viele Wohnungssuchende bereits an einen Ankauf.

Deutlich stärkere Preissteigerungen von durchschnittlich 3 % gibt es bei Eigentumswohnungen. Da zahlreiche neue Objekte von institutionellen Investoren gekauft und langfristig im Eigenbestand gehalten werden, ist das Angebot für private Wohnungskäufer trotz starker Bautätigkeit eher rückläufig. Für Privatanleger wird es daher schwieriger ideale Immobilien zu finden. Dafür haben Wohnungskäufer weiterhin die Chance auf gute Wertsteigerungen. „Das Risiko, mit einer eigengenutzten Wohnung in Wien ein schlechtes Geschäft zu machen, ist nahezu null“, erklärt Bauernfeind.


Historisch niedriges Zinsniveau

Hintergrund des geringeren Angebots an Eigentums- und des größeren an Mietwohnungen sind die anhaltend niedrigen Zinsen. „Die Rahmenbedingungen am Immobilienmarkt sind weiterhin sehr gut. Ein anhaltend historisch niedriges Zinsniveau, ein zwar weiterhin leicht rückläufiges, aber noch immer gutes Immobilienangebot und eine – in den meisten Regionen – nach wie vor sehr gute Nachfrage nach Immobilien, sowohl von Eigennutzern als auch von Anlegern, prägten auch das Jahr 2019. Aus heutiger Sicht wird sich daran auch im Jahr 2020 nichts Wesentliches ändern“, so Bernhard Reikersdorfer, MBA, Geschäftsführer von RE/MAX Austria. „Alleine in den Bezirken 10, 21 und 22 stehen mehrere Tausend Neubau-Wohnungen leer“, berichtet Immobilien- makler Wilhelm Fetscher aus der Praxis. „Dieser Wohnraum wäre zwar theoretisch verfügbar, nur können oder wollen sich das an-

scheinend viele doch nicht leisten. Die reine Kalkulation, wie viele Quadratmeter kommen auf den Markt, greift für die Beurteilung der Wohnraumsituation zu kurz. Die Wohnungen müssen aufgrund der Lage, Größe und Ausstattung auch zu den Interessenten passen und für sie leistbar sein.“


Mikrolage bestimmt den Preis

Bereits 2018 kamen in Wien mehr Wohnungen auf den Markt, als neue Haushalte gegründet wurden. Für 2020 ist daher der oft zi- tierte Nachholbedarf gedeckt, so eine aktuelle Studie zur Wohnsitu- ation in Wien „Wohnbauprojekte in der Pipeline“, die vom Fachver- band der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaft- skammer Österreich (WKÖ) in Zusammenarbeit mit EXPLOREAL. Allerdings nur auf dem Papier, wie Michael Pisecky, Obmann der Wiener Immobilientreuhänder betont: „Offiziell ist der Nachholbedarf gedeckt, aber es gibt immer noch zu wenige Wohnungen – vor allem in den Bereichen, wo die Nachfrage in Wien am größten ist. Denn während im höher- und hochpreisigen Segment genügend Wohnraum vorhanden ist, fehlen Wohnungen im günstigeren Bere- ich bis circa 700 Euro Monatsmiete.“

Auffallend ist allerdings auch, dass im 19. Bezirk viele Immobilien schon längere Zeit am Markt sind, was aber häufig mit den unrealis- tischen Preisvorstellungen mancher – vor allem privater – Verkäufer zu tun hat. Keine Frage: Die Mikrolage bestimmt den Preis: Bei neuen Eigentumswohnungen in Hütteldorf können die Preise bis zu 6.000 Euro pro m² erreichen. Die Preisspanne im 14. Bezirk ist sehr groß, wobei nahe vom 15. Bezirk mehr Vorsorgewohnungen gefragt sind, während in Hütteldorf eher für den Eigenbedarf mit oftmals besserer Ausstattung und größeren Grundrissen gesucht wird“, beschreibt Immobilienexperte Manfred Zeilinger, MBA, die Lage, „dennoch sind die Preise in Hütteldorf noch immer geringer als in Hietzing. Es ist aber zu erwarten, dass das Interesse am 14. Bezirk in den nächsten Jahren noch weiter steigen wird.“ Im 15. Bezirk or- tet der Makler noch keine Trendviertelentwicklung, wie es beispiel- weise im 16. Bezirk am Yppenplatz der Fall ist. Bei neuen Eigen- tumswohnungen in gehobener Ausstattung finden sich im 19. Bezirk