Covid-update | Dermatologie

Covid-19 & Haut: Viele offene Fragen

fotoS: MUI_DC_Delius, istockphoto/ Tunatura

Bei vielen Viruserkrankungen wie Masern, Röteln, Papillom oder Herpesviren bietet die Haut erste diagnostische Zeichen für eine Infektion. Auch bei Covid-19 entwickelt zumindest ein Teil der Pa- tienten Hautveränderungen.

Phänomene wie die sogenannten „Covid-Zehen“ werfen Fragen auf, Ant- worten werden unter anderem an der Medizinischen Universität Innsbruck gesucht. Univ.-Prof. Dr. Matthias Schmuth, Direktor der Univ.-Klinik für Der- matologie, Venerologie und Allergologie, gibt einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen.


?Sind Hautveränderungen ein Signal für eine Covid-19-Infektion?

Als die Pandemie vor einem Jahr begonnen hat, gab es relativ schnell Be- richte zu Hautveränderungen, die mit der Infektion einhergehen. Diese gin- gen davon aus, dass zumindest jeder fünfte Patient betroffen sei. Aber nach einem Jahr stellt sich heraus, dass voreilig publiziert wurde, dass die- se Zahl zu hoch ist und es sorgfältige Registerstudien braucht, um belast- bare Daten zu liefern. Es gibt verschiedene Muster, stark vereinfacht ist es so: Eine Covid-19-Infektion kann einerseits Hautausschläge am ganzen

Körper verursachen und andererseits zu Zeichen von Blutungen bzw. Thromboseereignissen der Haut führen. Außerdem geht das mit Covid-19 assoziierte Morbus- Kawasaki-artige Syndrom bei Kindern mit Veränderungen von Haut und Lippen einher.


?Ist ein Nesselausschlag ein Hinweis für SARS-CoV-2?

Ein Nesselausschlag kann ein Warnzeichen sein, das sehen wir uns in der Notaufnahme an. Dieser kann durch verschiedene Infekte hervorgeru- fen werden, unter anderem auch als frühes Anzeichen für eine Covid-19-Infektion.


?Wie kommt es zu Covid-assoziierten Hautveränderungen?

Wir wissen, dass sich Sars-CoV-2 an den ACE-2-Rezeptor in den Zellen bindet. Dieser ist auch in Hautzellen vorhanden, sodass auch diese infi- ziert werden können. Man hat das Virus direkt in der Haut nachweisen können. Die Infektion erfolgt aber natürlich über den Nasen-Rachen-Raum. Die Ursache für die beobachteten Thrombosen und Mikroblutungen in der Haut ist aber eine andere: Das sind nicht direkte, sondern Folgewirkun- gen der Infektion. Wir kennen das auch von anderen Organen, hier kann es durch eine Covid-19-Erkrankung zu Verschlüssen von Blutgefäßen und Schädigungen von Gefäßwänden kommen. In der Haut zeigt sich das u. a. in Form von dunkelvioletten bis schwarzen Verfärbungen – diese nicht selten an Fingerspitzen oder Zehenspitzen bei schweren Verläufen. Hierbei kommt es manchmal auch zu Gewebeuntergang, also einem Abster- ben von Gewebe.


?Was sind die sogenannten „Covid-Zehen“?

Das ist ein umstrittenes Phänomen. Seit Beginn der Pandemie kommen oftmals junge Patienten in die Ambulanz mit rot-violett verfärbten Zehen, ohne dass ein Gewebeuntergang vorliegt. Ein Covid-19-PCR- oder Antigen-Test fällt bei ihnen oft negativ aus, häufig auch der Antikörpertest.

Trotzdem vermuten manche einen Zusammenhang mit einer Covid-19-Exposition. Eine Hypothese ist, dass ins- besondere junge Menschen, die eine Sars-CoV-2-Infektion ohne Symptome durchmachen, die „Covid-Zehen“ im Rahmen einer effizienten Reaktion des angeborenen Immunsystems gegen das Virus entwickeln. Aktuell sam- meln wir diese Fälle und schauen uns das systematisch gemeinsam mit anderen Zentren im Rahmen einer Studie an. Wichtig ist, dass wir nicht – wie man das in der Anfangsphase der Pandemie gesehen hat – vorschnelle Rückschlüsse ziehen, sondern mithilfe sorgfältiger, wissenschaftlicher Arbeit Antworten finden. Es mag auch her- auskommen, dass die Zehenverfärbungen gar nichts mit Covid zu tun haben.


?Sind Hautkrankheiten wie Schuppenflechte oder Neurodermitis Risikofaktoren für einen schweren Co- vid-19-Verlauf?

Für entzündliche Hauterkrankungen wurden weltweit Register etabliert. Hautärzte haben ihre Daten eingegeben, und es hat sich gezeigt, dass für die meisten dieser Patienten, wenn sie sich infizieren, keine nachteilige Immun- antwort auf das Virus vorliegt. Durch einige Medikamente, die zur Behandlung eingesetzt werden, wie Immun- suppressiva, kann jedoch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf entstehen. Das gilt nicht für Biolo- gika, die zum Einsatz kommen. Es ist jedenfalls gut, seinen Arzt zu kontaktieren und nachzufragen, ob ein Medi- kamentenwechsel unter Umständen sinnvoll ist.


?Welchen Einfluss hat die Covid-Pandemie auf Hauterkrankungen?

Dauerhafter Haarausfall ist bei Long Covid vermehrt beschrieben, insgesamt ungefähr so häufig wie Kurzatmig- keit. Ein aktuelles Covid-Thema in der Dermatologie sind Handekzeme. Diese treten oft beim Gesundheitsperso- nal auf, unabhängig davon, ob eine Infektion vorliegt. Die Ursache ist hier auch das häufige Händewaschen. Re-

gelmäßiges Eincremen in Zusammenhang mit der Händedesinfektion kann hier vorbeugend wirken. Bei einem manifesten Ekzem sollte dermatolo- gischer Rat gesucht werden.

Ein weiteres Problem ist Hautkrebs. Im letzten Jahr hat die Angst vor einer Corona-Ansteckung zu verspäteten Hautkrebsdiagnosen und größeren Tumordicken mit schlechteren Heilungschancen geführt – und zwar von allen Tumoren am stärksten bei Hautkrebs. Wir appellieren eindringlich an die Bevölkerung, bei Hautveränderungen nicht zu warten, sondern umgehend Hautkrebs-Früherkennungs- oder Nachsorgeuntersuchungen wahrzunehmen.


?Befeuert die Corona-Impfstoffentwicklung auch die Melanomforschung?

BionTech hat die mRNA-Impfstoffe initial für die Behandlung des Melanoms entwickelt. Die Technologie wurde für Sars-CoV-2 adaptiert. Die Mela- nomimpfung wird jetzt umgekehrt durch die Erfolge bei der Corona-Impfung befeuert. Es werden sicher einige neue Therapien aus der mRNA- Schiene entwickelt werden.


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