MEDIZIN | Magen-Darm

Obstipation:

So bringen Ballaststoffe

den Darm auf Trab

FOTOS: ZVG, ISTOCKPHOTO/ JAN-OTTO

Die individuelle Ernährung, Erkrankungen, die Einnahme von Medikamenten, der Le- bensstil oder auch das Alter können für Darmbewegungsstörungen verantwortlich sein.

AUTORIN:

Dr. Erwin Rebhandl

Arzt für Allgemeinmedizin

(Geriatrie), Univ. Lektor für AM an der med. Fakultät der JKU Linz, Präsident von AM plus – Initiative für All- gemeinmedizin und Gesundheit,

erwin.rebhandl@hausarztmedizinplus.at,

www.hausarztmedizinplus.at


Obstipation tritt als subjektiver Eindruck, den Darminhalt nicht in ad- äquater Häufigkeit, ausreichender Menge, der notwendigen Konsis- tenz oder nur unter Beschwerden ausscheiden zu können, sehr häu- fig in der Hausarztpraxis als gastroenterologisches Beschwerdebild auf. Eine ballaststoffreiche Ernährung und ausreichendes Trinken un- terstützen die schnellere und regelmäßige Entleerung des Darms.

Verstopfung kommt als Symptom anderer intestinaler, aber auch ex- traintestinaler Erkrankungen oder auch als Nebenwirkung von obsti- pierend wirkenden Medikamenten vor. Mit 15 % bei Frauen und 5%

bei Männern ist die Prävalenz der Obstipation relativ hoch. Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung sind auch immer mehr ältere Personen mit dieser Erkrankung konfrontiert, wobei ein steilerer Anstieg bei Männern etwa um das sechzigste Lebensjahr beginnt. Bei Frauen steigt die Präva- lenz im Laufe des Lebens eher kontinuierlich an. Damit zählt die Obstipation zu den häufigsten gastroenterologischen Symptomen in der Praxis niedergelassener Ärzte.


Vollständige Anamnese erforderlich

Eine vollständige Anamnese steht am Beginn der diagnostischen Maßnahmen. Grundsätzlich kann man in der Hausarztpraxis feststellen, dass die Patienten für sich selbst sehr unterschiedlich definieren, wann eine Obstipation vorliegt. Erst wenn der Stuhlgang vier Tage ausbleibt, man stark pressen muss oder dauerhaft ein Gefühl der unvollständigen Entleerung besteht, spricht man definitionsgemäß von einer Obstipation. Hält dieser Zustand mehr als drei Monate an, liegt eine chronische Verstopfung vor. In schweren Fällen kann der Stuhlgang bis zu zwei Wochen ausbleiben.

Die individuelle Ernährungsform spielt dabei eine bedeutende Rolle und ist genau zu hinterfragen. Aber auch Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus oder Schilddrüsenunterfunktion und krankhafte Veränderungen des Darms können Ursache einer Darmbewegungsstörung sein. Nerven- und Bindegewebserkrankungen oder Nebenwirkungen aufgrund der Einnahme von Medikamenten wie Psychopharmaka, Betablocker, Schlaf- und Beruhigungsmittel, aluminiumhaltige Säurebinder, Eisenpräparate, Diuretika und Opiate sind ebenfalls im Gespräch mit den Patienten abzuklären.


Das Alter spielt eine Rolle

Besonders im Alter klagen viele Patienten über Verstopfung. Verantwortlich dafür sind altersbedingte Veränderungen an Leber, Bauchspeicheldrü- se und Magen. Durch die verminderte Muskelkraft wird auch die Peristaltik abgeschwächt. Bewegungsmangel begünstigt zusätzlich eine Obstipa- tion. Im Alter vermindert sich die Magendehnung, sodass schneller ein Sättigungsgefühl eintritt. Dies führt häufig zum Verzehr von wenigen und kleinen Portionen. Durch Veränderungen der Magenschleimhaut kommt es zu einer geringeren Aufnahme von Vitamin B12, Mineralstoffen wie Ei- sen und Calcium sowie einer späteren Magenentleerung. Auch soziale Faktoren, etwa bei Pflegeheimbewohnern, die aus Scham und einem Man- gel an der nötigen Intimsphäre den Gang auf die Toilette vermeiden und den Stuhl zurückhalten, spielen oft – unabhängig von der jeweiligen Er- nährungsform – eine wesentliche Rolle. Hier wird es kaum gelingen, die Betroffenen zu einer Ernährungsumstellung mit mehr veganen/vegetari- schen Bestandteilen zu motivieren. Die allgemeinen Tipps bei Verstopfung wie ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, mehr Bewegung sowie eine Erhöhung der allgemeinen Ballaststoffzufuhr sind hier Mittel zum Zweck.


Der Darm liebt Ballaststoffe

Pflanzliche Lebensmittel sind reich an Ballaststoffen und verringern somit die im Darm enthaltenen Divertikel. Durch eine Reduktion tierischer Pro- teine – zum Beispiel durch mehr vegane Ernährung – kann chronischen Darmerkrankungen wie Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn vorgebeugt werden. Im Vergleich zu Fleischessern können Veganer/Vegetarier ein vielfältigeres Mikrobiom aufweisen.

Es kann beobachtet werden, dass dieser Trend zu mehr veganer/vegetarischer Ernährung ungebrochen anhält. Die Supermarktketten springen auf den neuen Lifestyle-Faktor auf und füllen die Regale mit rein pflanzlichen Produkten. Eine derartige Ernährungsumstellung kann sich positiv auf die Darmflora auswirken und einer Obstipation entgegenwirken. Zur genaueren Einschätzung der Auswirkungen liegen allerdings noch keine oder zu wenig evidenzbasierte Studien vor. In Österreich leben laut Schätzung der VGÖ im Jahr 2021 rund 840.000 Vegetarier, 106.000 Veganer und über 4,6 Millionen Flexitarier. Für ältere Personen ist eine rein vegane/vegetarische Ernährungsform jedoch nicht zu empfehlen, da die Gefahr eines Ei- weißmangels zu hoch ist.


Gut gekaut ist halb verdaut

Der wichtigste Rat an die Patienten ist jedoch noch immer, sich auch ausreichend Zeit beim Essen zu nehmen: Der Konzentration auf den Kaupro- zess, aber auch einer aufmerksamen Zubereitung der Speisen und dem Essensumfeld sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bereits Franz Xaver Mayr stellte fest, dass jeder Bissen vor dem Schlucken 40-mal gekaut werden sollte. Es ist somit nicht nur entscheidend, was man ist und welche Ernährungsform man wählt, sondern insbesondere auch, wie man isst.