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Die 15a-Vereinbarung zur Organisation und Finanzierung im Gesundheitswesen stellt im Artikel 3.9 fest, dass eine Pri- märversorgungseinheit (PVZ) „… die allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle Menschen mit ge- sundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung“ ist. Sie soll den Versorgungsprozess ko- ordinieren und gewährleistet ganzheitliche und kontinuierli-
che Betreuung. Sie berücksichtigt auch gesellschaftliche Bedingungen.“ Das Bundesgesetz über die Primärversorgung in Pri- märversorgungseinheiten – kurz PrimVG – legt die Anforderungen an die Einrichtungen klar fest: Gefordert sind eine wohnortna- he Versorgung sowie die gute verkehrsmäßige Erreichbarkeit und bedarfsgerechte Öffnungszeiten mit ärztlicher Anwesenheit je- denfalls von Montag bis Freitag einschließlich der Tagesrandzeiten. Die Organisation der Erreichbarkeit für Akutfälle muss auch außerhalb der Öffnungszeiten gewährleistet sein ebenso wie die Möglichkeit von Hausbesuchen. PVZs müssen an Vorsorge- und Screeningprogrammen teilnehmen sowie eine kontinuierliche Behandlung und Betreuung von chronisch kranken und multimorbi- den Patienten sicherstellen können.
Breite Kernkompetenzen
Um diesen vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden, braucht es auch breite diagnostische, therapeutische und pflegeri- sche Kernkompetenzen. Schließlich ist auch das Patientenspektrum so vielfältig wie die Aufgaben: von der Versorgung von Kin- dern und Jugendlichen über ältere Personen, chronisch kranke und multimorbide Patienten sowie jene, die psychosozial ver- sorgt werden. Zum ersten Mal wird hier auch ein Versorgungsauftrag definiert, der auf bundesweiten Vorgaben basiert und durch regionale PVZ-spezifische Aufgaben, entsprechend den bevölkerungsrelevanten Besonderheiten der Region, ergänzt wird. Spe- zielle Aufgaben erfordern zusätzliche Qualifikationen oder Infrastruktur. Das kann zum Beispiel die Substitutionstherapie oder eine traumatologische Basisversorgung sein, aber auch die Nachsorge nach Operationen, eine kardiologische oder pulmologi- sche Diagnostik ebenso wie die Wundversorgung, physikalische Therapie oder Ernährungsberatung. Ein zentraler Aspekt ist die Lotsenfunktion für die Patienten, denn das PVZ ist die erste Anlaufstelle für Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Sie findet heute bereits tagtäglich in den Ordinationen der Hausärzte sowie in Spitälern statt. Doch das Gesundheitssystem ist im Wandel und die Bedürfnisse ändern sich. Bis 2025 werden fast 60 Prozent der Hausärzte, die einen Kassenvertrag haben, das Pensions- alter erreicht haben – Lösungen, um die Versorgung sicherzustellen, sind daher dringend notwendig.
Vorteile für alle Beteiligten
Die Primärversorgung bringt Patienten, Ärzten, Gesundheitsberufen und Gemeinden eine Reihe von Vorteilen. Aufgrund der Ent- wicklungen im Gesundheitsbereich haben die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Gesundheitswissenschaft den euro- päischen Staaten ganz klar empfohlen, auf Primärversorgung zu setzen. Gleichzeitig erfolgt so die Entlastung teurer Spitalsam- bulanzen und die Aufwertung der Rolle der Hausärzte. Eine bessere Abstimmung bei der Urlaubsplanung und mehr Möglichkei- ten für Teilzeitbeschäftigung werden geschaffen. Für die Arbeit am Patienten bleibt mehr Zeit, die Work-Life-Balance verbessert sich durch geregelte Arbeitszeiten und die Arbeit im Team. Diese Zusammenarbeit ist auch ein Ausdruck moderner Arbeitsbe- dingungen, die den Austausch zwischen Kollegen und unterschiedlichen Fachdisziplinen beinhalten. Die Vernetzung mit ande- ren Versorgungspartnern, die Koordination der Gesundheits- und Sozialberufe, aber auch der Informationsaustausch durch stan- dardisierte Dokumentation und Kommunikation inklusive Team- und Fallbesprechung werden in einem PVZ noch einfacher. Bei der Gründung eines regionalen Gesundheitszentrums gibt es außerdem die Möglichkeit der Anschubfinanzierung durch öffentli- che Mittel.
Versorgungskonzept erstellen
Laut § 6 des Primärversorgungsgesetzes hat jede Primärversorgungseinheit über ein Versorgungskonzept zu verfügen. Das Ver- sorgungskonzept ist von jedem PVZ bei der Gründung zu erstellen. Es handelt sich dabei um einen Businessplan aus medizini- scher und organisatorischer Sicht, der im Wesentlichen die Arbeitsweise und den Leistungsumfang beschreibt. Damit werden auch realistischere Erwartungen abgesteckt und ein Bewusstsein dafür geschaffen, welche Ziele erreicht werden sollen und kön- nen. Die einheitliche und obligatorische Befüllung der Konzepte durch die Bewerber ermöglicht dem Träger außerdem eine bes- sere Vergleichbarkeit der Bewerbungen. Je früher die Berufsgruppen außerhalb der Ärzteschaft in die Erstellung des Business- plans mit eingebunden werden, umso höher ist die Qualität des Versorgungskonzepts und der möglichen anschließenden Um- setzung. Ein bundesweit einheitlicher Gesamtvertrag zur Primärversorgung wurde im April zwischen dem Hauptverband der ös- terreichischen Sozialversicherungsträger für die Krankenversicherungsträger und der Österreichischen Ärztekammer für die Lan- desärztekammern abgeschlossen und beinhaltet wesentliche Eckpunkte wie ein Mindestleistungsspektrum, die Grundsätze der Vergütung, Rechte und Pflichten der Vertragspartner, die Auswahl der Vertragsärzte und die Sicherstellung einer wirtschaftlichen Behandlung und Verschreibweise.
Die Auswahl zur Invertragnahme ist ein zweistufiges Verfahren, das sich in einem ersten Schritt an die bestehenden Vertragsärz- te und Gruppenpraxis der Allgemeinmedizin wendet. Die regional zuständige Gebietskrankenkasse lädt diese entsprechend zur Bewerbung für die PVZ ein. Abhängig von den Planungsvorgaben können im Zuge dieser Einladung weitere Ärzte zur Bewer- bung hinzu eingeladen werden.
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Info: www.sv-primaerversorgung.at, www.pva.gv.at