MEDIZIN | Infekte
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Covid-19:
Antivirale Medikamente
Aufgrund der raschen Ausbreitung von Omikron-Subvarianten auf der ganzen Welt ist es wichtig, dass wir über Wirk- stoffe verfügen, die gut gegen die neuen Sars-CoV-2-Varianten wirken.
AUTORIN:
Prof. Dr. Erika Zelko, PhD
Leiterin des Institutes für
Allgemeinmedizin an der
JKU Linz,
www.jku.at
Unter den antiviralen Medikamenten existiert eines zur intravenösen Verabreichung (parenterale Verabreichung): Remdesivir (Veklury; in Österreich nicht erhältlich) und zwei zur oralen Einnahme wie Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid) und Molnupiravir (Lage- vrio). Unter den monoklonalen Antikörpern sind zwei Wirkstoffe gegen die neuen Omi- kron-Subvarianten verfügbar: Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld), das derzeit nur die Indikation zum Schutz vor Exposition für schwer immungeschwächte Personen hat (PrEP), und Bebtelovimab, das in unserem Land (noch) nicht verfügbar ist. Durch klei- ne Veränderungen am S-Protein (Mutationen) kann das Virus gegen monoklonale Anti-
körper resistent werden.
Die Immunität schwächt sich nach der Impfung und auch nach einer natürlichen Covid-19-Infektion allmählich ab. Es besteht auch Bedarf an Auf- frischungsimpfungen und an einer zweiten Generation von Impfstoffen, wobei eine größere Wirksamkeit gegen neue Varianten (Kombinationsimpf- stoff) und eine länger anhaltende Wirkung (nasale Schleimhautapplikation) angestrebt wird. Die ökologische Realität ist das Auftreten neuer Varian- ten des Virus (Variants of Concern, VOC), die virulenter sind und zu einer „Immunflucht“ führen.
In Österreich zugelassene Medikamente
• Paxlovid ist eine orale Kombination der Arzneimittel Nirmatrelvir und Ritonavir. Der Wirkstoff ist Nirmatrelvir (PF-07321332), ein Hemmstoff des vi- ralen Protease-Enzyms. Es wirkt gegen Mpro, die Hauptprotease von Sars-CoV-2. Durch Hemmung dieses Enzyms wird die Replikation des Virus gestoppt. Mpro ist ein hochkonserviertes Molekül, das auf allen menschlichen Coronaviren zu finden ist. Der Wirkstoff Ritonavir ist ein oral einzu- nehmendes antiretrovirales Arzneimittel (ARV), das ursprünglich für die Behandlung von HIV-Infektionen entwickelt wurde. Es ist ein starker Inhibi- tor des Cytochrom-P-450-Enzymsystems (CYP3A4) mit einem bekannten Sicherheitsprofil; die häufigsten Nebenwirkungen treten bei höheren Do- sen (600 mg/Tag) auf. Eine niedrige Dosis (100 mg/Tag) wird als Booster für Proteaseinhibitoren in PRZ verwendet. Wie in ARV-Schemata wird Rito- navir als Booster für Nirmatrelvir in der Covid-19-Behandlung verwendet. Ritonavir sorgt für höhere Plasmakonzentrationen von Nirmatrelvir auf- grund der Hemmung des Metabolismus über CYP3A41,4,5. Es hat keine pharmakologische Wirkung, da es selbst die virale Protease nicht hemmt. Forschungsergebnissen zufolge verringert Paxlovid das Risiko von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen um fast 90 %.4
Die empfohlene Dosis von Paxlovid beträgt 300 mg Nirmatrelvir (zwei 150-mg-Tabletten) mit 100 mg Rito- navir (eine 100-mg-Tablette), die alle zwölf Stunden über fünf Tage gleichzeitig oral eingenommen werden. Die Behandlung ist für die Anwendung bei Erwachse- nen über 18 Jahren vorgesehen und die US-Arzneimit- telbehörde (FDA) hat es auch für die Anwendung bei Kindern über zwölf Jahren und einem Gewicht von mehr als 40 kg zugelassen, während die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) es für diese Anwendung noch nicht zugelassen hat. Es liegen keine Daten über die Anwendung von Paxlovid während der Schwanger- schaft oder Stillzeit vor, daher wird eine Behandlung in der Schwangerschaft im Allgemeinen nicht empfohlen, es sei denn, es besteht ein deutlicher Nutzen für die schwangere Frau. Bei Frauen im gebärfähigen Alter ist die Zustimmung zu einer wirksamen Empfängnisverhü- tung während der Behandlung selbst und für sieben Tage nach Abschluss der Behandlung erforderlich. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist eine Dosisanpas- sung erforderlich: bei einer OGF von 30 bis 60 mL/min Nirmatrelvir 150 mg + Ritonavir 100 mg; bei einer OGF < 30 mL/min: sollte das Arzneimittel nicht eingenom- men werden. Bei schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse C) sollte das Arzneimittel nicht ein- genommen werden. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind Geschmacksstörungen, Durchfall,
Kopfschmerzen, Ohnmacht und Erbrechen. Das Medikament sollte nicht zur Prä-Expositi- ons-Prophylaxe (PrEP) oder Post-Expositions-Prophylaxe (PEP) verwendet werden und vom Patienten nicht länger als fünf Tage eingenommen werden. Paxlovid kann mit oder ohne Nahrung eingenommen werden. Die Tabletten sollten im Ganzen geschluckt und nicht zer- kaut, zerbrochen oder zerdrückt werden6.
Es wirkt derzeit gegen alle VOCs und ist auch gegen Sars und Mers wirksam. Der pharma- kologische Booster Ritonavir wirkt schnell, wird zusammen mit Nirmatrelvir fünf Tage lang verabreicht und zwei Tage nach Absetzen wird der Wirkstoff vollständig aus dem Körper ausgeschieden. Es ist wichtig, dass Ärzte, die Paxlovid verschreiben, über mögliche Ge- genanzeigen informiert sind. Wenn die Person, der Paxlovid verschrieben werden soll, an- dere Arzneimittel erhält, sollten deren mögliche Wechselwirkungen überprüft werden. Dafür gibt es ein sehr gutes Online-Tool der Universität Liverpool
• Molnupiravir (Lagevrio) ist ein oral einzunehmendes antivirales Medikament, das im Körper zu einem Cytidin-Nukleosid-Analogon metabolisiert wird. Es wird durch das virale Enzym „RNA-abhängige RNA-Polymerase“ in die RNA des neuen Coronavirus eingebaut, was zu einer Anhäufung von Fehlern im viralen Genom führt (tödliche Mutagenese) und so die vira- le Replikation hemmt. Da es sich um ein mutagenes Ribonukleosid-Antivirusmittel handelt, besteht die theoretische Möglichkeit, dass menschliche Zellen es in ihre DNA einbauen und Mutationen auftreten könnten. Die Ergebnisse der Zulassungsstudie zeigen, dass das Me- dikament die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle um 30 % reduziert.
• Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld) ist ein in Österreich zugelassenes Arzneimittel, das aus zwei rekombinanten humanen, lang wirkenden monok- lonalen Antikörpern gegen Sars-CoV-2 (Tixagevimab und Cilgavimab) besteht, die sich an nicht überlappende Epitope der Rezeptorbindungsdo- mäne (receptor binding domain, RbD) binden. Durch die Interaktion des Protein-S-Terminus mit der Angiotensin-Converting-Enzyme-Convertase (ACE-2) ist der Eintritt des Virus in die Wirtszellen verhindert. Das Medikament wird in den Muskel gespritzt, jeder Wirkstoff einzeln und nacheinan- der. Es wird zum Schutz vor einer Exposition (PrEP) bei Personen eingesetzt, die schlecht auf eine Impfung ansprechen und hauptsächlich immun- geschwächt sind. Einer Zulassungsstudie zufolge dürfte Evusheld gefährdete Personen über einen Zeitraum von sechs Monaten zu fast 80 % vor einer möglichen (Re-)Infektion schützen, doch da es noch kaum Daten gibt, ist eine grundlegende Prävention erforderlich, da es sich um eine Hochrisikopopulation handelt.
Monoklonale Antikörper nicht mehr effektiv
Folgende in der Vergangenheit verwendete monoklonale Antikörper gegen Omikron oder seine neuen Varianten sind nicht mehr sehr effektiv: Casi- rivimab/Imdevimab (Ronapreve, Regeneron), Regdanvimab (Regkirona) und Sotrovimab (Xevudy). Alle diese Wirkstoffe werden zur Behandlung von gefährdeten Personen mit leichtem bis mittelschwerem Covid-19 eingesetzt, die (noch) keine Sauerstoffzufuhr benötigen und daher nicht ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen. Der Einsatz erfolgt insbesondere bei Patienten, bei denen das Risiko besteht, dass die Krankheit zu einer schwereren Form fortschreitet. Mit beiden oralen Medikamenten sollte innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten von Symptomen und Anzei- chen von Covid-19 begonnen werden, wobei das Intervall für Remdesivir und Bebtelovimab etwas länger ist (sieben Tage).
Für den Nachweis von Covid-19 ist ein positiver PCR-Test erforderlich; bei einem kurzen Zeitfenster und einem eindeutigen epidemiologischen und klinischen Bild ist ausnahmsweise ein Antigen-Schnelltest (HAGT) ausreichend.
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QUELLEN:
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4. Hammond J, Leister-Tebbe H, Gardner A, et al. EPIC-HR Investigators. Oral nirmatrelvir for high-risk, nonhospitalized adults with covid-19. N Engl J Med 2022; 386: 1397- 408; doi: 10.1056/NEJMoa2118542.
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